106
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
Nr. 8
ein Künstler zu werden, dann will ich nicht; ein Stümper möchte ich nicht werden".
So wurde er denn ein braver Schuhmacherlehrling, Geselle und Meister. Das
latente Talent hockt hinter der mystischen Glaskugel, deren spukhaftes Licht in
eine enttäuschte Kinderseele fiel, um das grausame Opfer greller zu beleuchten,
das der Junge brachte. Man denkt an W. Raabes „Hungerpastor". Doch
Talente und Temperamente sind wohl zu dämpfen, aber nie zu ersticken. Der
Schuster mußte sich die Zeit stehlen, der inneren Neigung Folge zu geben; er
malte doch, malte ohne Lehrer und Leitung, wagte sich sogar, wie er selbst be-
kennt, an schwierige Probleme. Durch seine Verheiratung mit Susanne Nikola
fand Hartmann die verständnis-
volle Lebensgefährtin und ehr-
liche Bewunderin seiner führer-
losen Kunst.
Da kam der Krieg, und er
wurde unserem Künstler ein Hei-
land und später Helfer: Hartmann
wurde am^Kopf und an der linken
Hand verwundet, so, daß die Aus-
übung des Schusterhandwerkes
eine starke Behinderung erfuhr.
Während seines Lazarettaufent-
haltes in Essen lernte er den
Lehrer W. Goetter von der Kunst-
gewerbeschule in Essen-Rütten-
scheid kennen. Dieser nahm sich
der hungernden Künstlerseele
barmherzig an und gab Hartmann
die erste Anleitung zur Ausübung
der Kunst und den Mut, noch
im Alter von vierzig Jahren um-
zusatteln. Durch Vermittlung
der Kriegsfürsorge konnte Hart-
mann die Kunstgewerbeschule
der Stadt Köln besuchen. Die
graphische und Buchkunst des Prof. Nigg zog ihn besonders an; die Holz-
schnitte Dürers, die ihm seit Jahren so mancherlei offenbart hatten, zogen ihn
in ihren Bann, und Hartmanns Richtung war gegeben: er wurde Graphiker. Ob
er das allein bleiben wird, dürfte fraglich erscheinen; in uns steigt der lebhafte
Wunsch auf, sein großes Können, die Einfachheit und Größe seines Stiles
möchten auch bald größeren Aufgaben dienstbar gemacht werden, wie er selbst
sagt: „zur Ehre Gottes und zur Erbauung der Mitmenschen".
Wo Hartmann seine Bildmotive sucht und findet, ist leicht zu erkennen.
Er ist in erster Linie ein großer Naturfreund; voll der Unbefangenheit und mit
unverbildetem Auge tritt er seinen Objekten gegenüber. Er sieht scharf, sieht
aber auch leicht und findet das heraus, was bestimmend, was Hauptsache ist.
So kommt es, daß er niemals auf nebensächliche Details verfällt, sondern mit dem
Charakteristischen allein sich begnügt, dem alles andere andeutend zu Vertie-
Abb. 1.
Geburt Christi.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
Nr. 8
ein Künstler zu werden, dann will ich nicht; ein Stümper möchte ich nicht werden".
So wurde er denn ein braver Schuhmacherlehrling, Geselle und Meister. Das
latente Talent hockt hinter der mystischen Glaskugel, deren spukhaftes Licht in
eine enttäuschte Kinderseele fiel, um das grausame Opfer greller zu beleuchten,
das der Junge brachte. Man denkt an W. Raabes „Hungerpastor". Doch
Talente und Temperamente sind wohl zu dämpfen, aber nie zu ersticken. Der
Schuster mußte sich die Zeit stehlen, der inneren Neigung Folge zu geben; er
malte doch, malte ohne Lehrer und Leitung, wagte sich sogar, wie er selbst be-
kennt, an schwierige Probleme. Durch seine Verheiratung mit Susanne Nikola
fand Hartmann die verständnis-
volle Lebensgefährtin und ehr-
liche Bewunderin seiner führer-
losen Kunst.
Da kam der Krieg, und er
wurde unserem Künstler ein Hei-
land und später Helfer: Hartmann
wurde am^Kopf und an der linken
Hand verwundet, so, daß die Aus-
übung des Schusterhandwerkes
eine starke Behinderung erfuhr.
Während seines Lazarettaufent-
haltes in Essen lernte er den
Lehrer W. Goetter von der Kunst-
gewerbeschule in Essen-Rütten-
scheid kennen. Dieser nahm sich
der hungernden Künstlerseele
barmherzig an und gab Hartmann
die erste Anleitung zur Ausübung
der Kunst und den Mut, noch
im Alter von vierzig Jahren um-
zusatteln. Durch Vermittlung
der Kriegsfürsorge konnte Hart-
mann die Kunstgewerbeschule
der Stadt Köln besuchen. Die
graphische und Buchkunst des Prof. Nigg zog ihn besonders an; die Holz-
schnitte Dürers, die ihm seit Jahren so mancherlei offenbart hatten, zogen ihn
in ihren Bann, und Hartmanns Richtung war gegeben: er wurde Graphiker. Ob
er das allein bleiben wird, dürfte fraglich erscheinen; in uns steigt der lebhafte
Wunsch auf, sein großes Können, die Einfachheit und Größe seines Stiles
möchten auch bald größeren Aufgaben dienstbar gemacht werden, wie er selbst
sagt: „zur Ehre Gottes und zur Erbauung der Mitmenschen".
Wo Hartmann seine Bildmotive sucht und findet, ist leicht zu erkennen.
Er ist in erster Linie ein großer Naturfreund; voll der Unbefangenheit und mit
unverbildetem Auge tritt er seinen Objekten gegenüber. Er sieht scharf, sieht
aber auch leicht und findet das heraus, was bestimmend, was Hauptsache ist.
So kommt es, daß er niemals auf nebensächliche Details verfällt, sondern mit dem
Charakteristischen allein sich begnügt, dem alles andere andeutend zu Vertie-
Abb. 1.
Geburt Christi.