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Zeitschrift für christliche Kunst — 32.1919

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Witte, Fritz: Zwei Michaelfiguren des Diözesanmuseums
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https://doi.org/10.11588/diglit.4306#0169

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152

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 10/11

gegeben2. Allen ist typisch die ruhende Haltung des Engels, die nichts mehr
vom Kampfe verrät, die lockere Haltung der Lanze bzw. des Kreuzstabes in
der Rechten, die kurze gedrungene Gestalt des Drachen, der bei allen Figuren
den Rachen zur Lanze hinstreckt. Am nächsten kommen dem Osnabrücker
Michael die Figuren vom älteren Altarschreine in Ystad in Schweden, sowie
vom Altare in Lund3. Beide zeigen aber auch ebenso unverkennbar den Einfluß

der französischen Schule, so daß wir
uns nicht wundern, daß die schwe-
dischen Kunsthistoriker sich sogar
dazu versteigen, von einem in Reims
geschulten Meister zu sprechen.
Wrangel gibt als Charakteristika der
Figuren des Lunder Schreines an:
„Die männlichen Gestalten haben
krause Haare und Bart, gerade Nase,

breite Statur, würdige Haltung__

Viele Statuen zeigen leise Hüft-
biegung. Die Kleidung hat sowohl
Quer- als Längsfalten, die mittlem
stark aufgebauscht. Die Längsfalten
laufen zwischen den nackten Füßen
oder den spitzen Schuhen in leiser
Krümmung auf den Boden her-
unter4." Man glaubt die Beschrei-
bung unserer Figur zu hören. —

Nicht so vornehm und groß ist
der kleine Michael gehalten. Der
monumentale Stil ist abgelöst durch
den auf das Dekorative und zugleich
mehr konventionell Schöne gerich-
teten. Michael ist als Seelenwäger
dargestellt und als Teufelsbezwinger
zugleich, über dem langwallenden
Untergewand, unter dem einzig die
Fußspitze des zurückgesetzten Spiel-
beines hervorlugt, liegt ein unter
beiden Armen hergezogenes und dann
in Parallelzipfeln beiderseits nach
vorn über die Schultern geworfenes Manteltuch. Der rechte Zipfel deckt den
rechtwinkelig nach vorn gehaltenen Unterarm, auf dem eine Seele in Gestalt
eines betenden nackten Kindes kniet. Die linke Hüfte ist ausgebogen, der

Abb. 1.

2 Siehe C. a f U g g 1 a s, Gotlands medeltida träskulptur tili och med höggotikens
inbrott. Stockholm 1915. S. 440ff., sowie JonnyRoosval, Utställingen af äldre kyrklig
konst i Hernösand 1912. Stockholm 1914.

3 Siehe E. Wrangel, Det medeltida bildskapet frän Lunds domkyrkas högaltare.
Lund 1915. S. 114. Dort auch die Abbildungen.

4 Ebendort.
 
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