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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

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Heft 9/10
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Rosenberg, M.: Aus der Großherzoglichen Kunstkammer zu Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0063

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roWeyoglij

RarlsrilA.

as q^Ojähr. Regierungsjubiläum des Großherzogs
von Baden an< 2^. April ds. 3- hat eine
Reihe von Festschriften entstehen lassen, deren
eine die bisher wenig bekannte Kunstsammlung
in: Schlosse zu Karlsruhe in Text und Tafeln behandelt.
Das Buch ist nur in ganz kleiner Auflage unter dem Titel:
„Die Kunstkammer im Großherzoglichen Residenzschlosse zu
Karlsruhe" von Klare Rosenberg hergestellt und vor-
läufig nicht in den chandel gebracht worden, wir entnehmen
demselben als fill-obe die Schilderung einer Elfenbeinkanne,
welche wir auf Seite 57 zur Darstellung bringen:

Aus einer Gruppe von sieben verschiedenen silbermontirten
Elfenbeinkannen haben wir die vorliegende zur Reproduetion
ausgewählt, weil sie nach allen bei derartigen Gegenständen
in Betracht kommenden Fragen nicht nur unter den Stücken
der vorliegenden Sammlung den ersten Rang beansprucht,
sondern vielleicht zu den hervorragendsten Denkmälern dieser
Art überhaupt gehört. — Man muß die Elsenbeiukannen
des f7. Jahrhunderts streng von denjenigen des f8. trennen.
Die Letzteren operiren zwar zum Theil noch mit denselben
Motiven, aber in Tomposition und Stil sind sie schon so
gesunken, daß sie nrit den früheren kaum zusamnrengehalten
werden können. Die künstlerischen Kräfte, welche inr f7. Jahr-
hundert die vorzüglich geschnitzten Tylinder für die Tlsen-
beinkannen geliefert haben, waren inr f8. Jahrhundert
vielleicht ebenso erfolgreich für die danrals ausblühenden
jDorzellanfabriken thätig, wie sie vorher, im f6. Jahr-
hunderte in der Buchsschnitzerei beschäftigt gewesen sein
nrögen. Die gesanrnrte hier in Betracht komnrcnde Tlfen-
beinsculptur des \7. 3ahrhunderts hängt nrit der Rubens-
fchen Schule zufanrnren, welche nicht nur die Motive er-

fundeir, sondenr ihrren auch durch den Stich die größtmög-
liche Verbreitung gegeben hat. Unsere Silenkanne wirft
einiges Licht auf die Art und weife, mit welcher sich die
Schnitzer die Rubens'fchen Vorbilder zu eigen nrachten. So
weit die Bestände des Großherzogl. Kupferstichkabinets zu
Karlsruhe eine Kontrolle gestatten, hat der Schnitzer keine
geschlossene Tonrposition des Meisters seiner Arbeit zu Grunde
gelegt, sondcrir aus denr großen Vorrath diejenigen Figuren
und Gruppen ausgewählt, welche seinem Geschmacke ent
sprachen, oder sich ohne Schwierigkeit in die Fries-Tompo-
silion einstigen ließen. Diese ist daher auch, wie man hier
oben aus dem abgewickelt gezeichneten Tylinder sieht, eine
etwas lockere. Die Gruppe des Faunweibchens nrit dem
von ihr unterstützten trunkenen Silen ist aus einem Rubens-
scheu Bilde genommen, welches uns in einem \6Q(2 datirteu
Stiche von Soutinann vorliegt. Beide Figuren erscheinen
jedoch im Gegensinne, was freilich für die Tomposition
weiter keine Bedeutung hat. Außerdem ist aber der Silen
in entgegengesetzter Richtung zu der Frauenfigur gehalten.
Während er auf dein Stiche sich von ihr abwendet, zeigt
er sich, hier nach ihr hingeneigt. Ich möchte annehmen,
daß diese Umstellung entweder auf einem mir unbekannten
Bilde von Rubens selbst vorkommt, oder von irgend einem
hervorragenden Meister seiner Schule vorgenommen worden
ist, denn sie kehrt, gleichsam typisch, in einer Reihe unter-
einander verwandter Tlfenbeinkannen wieder, welche alle
unverkennbar nach einem gemeinsamen berühmten Vorbilde
gearbeitet zu sein scheinen, von vier solchen Stücken liegen
mir Abbildungen vor. Aus drei von ihnen (Bedford in
London, Rothschild und Privatbesitz in Wien) sehen wir
die beiden Figuren gerade so, wie auf unserer Kanne, also

Zeitschrift des bayer. Aunftgewerbe-Vereins München.

\8<)2 Heft 9 & f0. (Bg. 1.)
 
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