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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 8
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Bock, Fr.: Byzantinische Purpurstoffe mit eingewebten neugriechischen Inschriften: "Pallium litteratum" mit Elephantenmuster im reliquienschreine Karls des Großen des Aachener Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0075

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i.

„Pallium litteratum“

mit LlkpHantknuiustkr im RkliquienWemk Karls des Großen des KHener Münsters.

Von Dr. Fr. Bock. Nachdruck verböte».

RST seit Mitte dieses Jahrhunderts hat man
begonnen, sich eingehender mit dem Studium der
Weberei und Nadelmalerei vergangener Jahr-
hunderte zu beschäftigen. Nachden: man in öffent-
lichen und Privat-Sammlungen eine große Menge von früher
kaum beachteten Ueberbleibseln älterer Textilien der verschie-
denen Kultur- und Kunstepochen angesammelt und im steten
pinblick auf Textur, Farbgebung und Musterung diese all-
seitig angesammelten, altgeschichtlichen Seidenstoffe chrono-
logisch gesichtet und geordnet hatte, sind erst seit den letzten
Jahrzehnten inühsam die umfangreichen Materialien zu einer
späteren illustrirten Perausgabe der Geschichte der gemusterten
Texturen, von der klassischen Kunstepoche bis zur neueren
Zeit, zusammengetragen worden. Wenn es auch in letzten
Jahrzehnten durch vergleichende Studien älterer Mriginal-
gewebe theilweise gelungen ist, die verschiedenen Paupt-
epochen der orientalischen und occidentalischen Seidenfabri-
kation festzustellen, so herrscht doch noch großes Dunkel hin-
sichtlich der Lhronologie und Provenienz orientalischer ge-
musterter Seidenstoffe. Daß in der kaiserlichen Werkstätte in
Byzanz, dem sogenannten Gynaeceum, vor und nach dein
sO. Jahrhundert für kirchliche und höfische Zwecke in großer
Zahl reichgemusterte Purpurgewebe angefertigt wurden, läßt
sich durch geschichtliche Nachrichten aus jenen fernliegenden
Tagen zur Tvidenz erhärten. Seither fehlten jedoch Griginal-
gewebe aus dieser Periode, die durch eingewirkte Inschriften
die Zeitfolge und ihren byzantinischen Ursprung klar zur
Schau trugen. Lrst der jüngsten Forschung ist es gelungen,
solche großartig gemusterte Seidengewebe aus der Blüthezeit
byzantinischer Fabrikation ausfindig zu machen, deren ein-
gewebte Inschriften in neugriechischen Schriftzügen nicht den
mindesten Zweifel aufkommen lassen, daß sie in dem ärarischen
kaiserlichen Weberhause zu Byzanz in einer eng abgegrenzten
Zeitepoche angefertigt worden sind.

Bereits in: Iahxe 18^5 fand sich bei der danraligen
feierlichen Eröffnung des goldenen Reliquienschreins fl, in
welchen: die irdischen Ueberreste Karls des Großen in der
Schatzkapelle des Aachener Münsters aufbewahrt werden,
ein Purpurgewebe vor, in welchen: die »ossa b. Caroli Magni«
eingehüllt waren. Bei näherer Besichtigung und Abzeichnung

-) vergl. Abbildung und Beschreibung dieser urca in unserem
werk „Aarls des Großen jdfahkaxelle und ihre Aunstschätze", Löln
und Neuß :866, auf Seite :oo u. \02, ffig. XLIII u. XLIV.

\_

dieser merkwürdigen Textur, die mit stilisirten Elephanten-
bildern, von großen Kreisen umfaßt, gemustert war, gab
sich an: unteren Sauine eine eingewebte griechische Inschrift
zu erkennen, deren Lesung über Ursprung und perkommen
dieser werthvollen Reliquienhülle Licht verbreitete. Tin
zweites »pallium litteratum«, ebenfalls mit eingewirkter In-
schrift, zeigte sich bei Eröffnung des romanischen Reliquien-
fchreins in der ehemaligen Abteikirche zu Siegburg bei Löln,
in welchem die irdischen Ueberbleibsel des großen hl. Anno,
Erzbischofs von Löln (st ^0^3), aufbewahrt werden. Ein
drittes Griginalgewebe in kaiserlicher Purpurfarbe mit les-
barer Inschrift wurde erst gegen Mitte des Jahres f8ß2 in
den Rheinlanden (?) aufgefunden und, wenn auch sehr verletzt
und entstellt, von den: Vorstande des Kunstgewerbe-Museun:s
zu Düsseldorf für die dortige reichhaltige Textilsammlung
käuflich erworben. Durch diese eben bezeichneten glücklichen
Funde der jüngsten Zeiten haben sich auch untrügliche An-
haltspunkte für Bestinnnung der Zeitfolge, der Anfertigungs-
stätte und der Musterungsweise jener heute noch anderswo
vorfindlichen byzantinischen Purpurgewebe ergeben, die nicht
durch Inschriften als solche gekennzeichnet sind.

Zweck der folgenden Mittheilungen geht dahin, diese
drei oben bezeichneten, verschieden gemusterten Texturen als
pallia litterata in Wort und Bild der archäologischen Wissen-
schaft auch in weiteren Kreisen dienstbar zu machen, zumal
die Abbildungen und Beschreibungen derselben, soweit sie
heute in engeren Kreisen bekannt geworden sind, Vieles zu
wünschen übrig lassen. Beginnen wir zunächst unsere An-
gaben mit der vielfarbigen Abbildung und Beschreibung
jenes auch historisch merkwürdigen „Elephantenstoffes" in
Hochrothen:, kaiserlichen: Seidenpurpur, vorfindlich in: golde-
nen Mausoleum des großen Stifters der abendländischen
Kaisermonarchie, der auch als Mustervorlage für die heutige
Teppichweberei bereits von Einfluß gewesen ist.

Wie schon bemerkt, fand die erste Eröffnung des Karls-
Schreins im Sommer H8H3 im Beisein des gelehrten Jesuiten
Abbe Arth. Martin statt, nachdem derselbe auch schon in:

Jahre sfl8s zur Entnahme einer größeren Reliquie auf
Wunsch des damaligen französischen Königs Ludwig XI.
erschlossen worden war. Abbe Martin, als geübter Stoff-
zeichner, unterließ es damals nicht, eine der Kürze der Zeit
wegen nur flüchtige Skizze des denkwürdigen Elephanten-
gewebes zu fertigen, das derselbe s83s in den iVIelanges

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Zeitschrift des bayer. Kunstgewerbe-Vereins München.

\8<M. Heft 8. (Bg. \.)
 
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