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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 8
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Bock, Fr.: Byzantinische Purpurstoffe mit eingewebten neugriechischen Inschriften: "Pallium litteratum" mit Elephantenmuster im reliquienschreine Karls des Großen des Aachener Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0076

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d’Archäologie im II. Bande, Tafel IX, X und XI in ver-
kleinertem Maßstabe vielfarbig veröffentlichte. Da ?. Martin,
wie bereits angedeutet, nur eine flüchtige Skizze von dein
seltenen Originalgewebe aufzunehmen in der Lage war und
erst acht Jahre später in Paris für die Wiedergabe in
Farbdruck diese skizzirte Aufnahme ergänzte und erweiterte,
so ist es erklärlich, daß sowohl in den reichen ornamentalen
Einzelheiten, als auch in der Farbtönung, sowie in Wieder-
gabe der Inschrift manche Unrichtigkeiten in der polychromen
Abbildung dieser Textur Vorkommen, desgleichen auch der be-
schreibende Text unrichtige Angaben und Behauptungen ent-
hält, die sich von dem Standpunkte der heutigen Forschungei:
aus textilem Gebiete nicht mehr aufrecht erhalten lassen. Es
ist deßwegen dankbar anzuerkennen, daß die Zeitschrift des
Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München sich ent-
schlossen hat, vermittelst einer möglichst getreuen polychroinen
Abbildung nebst Beschreibung diese epochemachenden ge-
musterten Purpurgewebe nebst ihren sormverwandten pa-
rallelen der Alterthumswissenschaft und der heutigen Kunst-
industrie dienstbar zu machen.

Erwünschte Gelegenheit, eine ängstlich genaue Durchpause
auf dem vortrefflich erhaltenen Originalgewebe von textil-
kundiger pand aufnehmen zu lassen, bot die an: 27. Februar
H86( erfolgte zweite Eröffnung der im Schatze des Aachener
Münsters aufbewahrten goldenen tumba s. Caroli M.r), die
deßwegen stattfand, un: die Mißstände für immer zu heben,
die bei der ersten Erschließung hinsichtlich einer sorgsältigern
Aufbewahrung und Erhaltung der irdischen Ueberreste des
großen Kaisers zu Tage getreten waren.

Was nun zunächst die stoffliche Ausdehnung des selte-
nen pallium elephantinum betrifft, das auf Tafel 30 und
3f in einem Viertel der wirklichen Größe wiedergegeben ist,
so:nuß bemerkt werden, daß man bei den Eröffnungen des
Karolingischen Mausoleums es übersehen hat, eine genaue
Vermessung der seltenen Grabeshülle mit den Darstellungen
der Elephanten vorzunehmen. Dieselbe bildete keine für sich
in der Weberei abgeschlossene Decke mit der Weberkante an
beiden Schmalseiten, sondern stellte sich dar, wenn uns nach
so langer Zeit unsere heutige Vorstellung nicht trügt, als
ein quadratisches schweres Seidengewebe von mäßiger Aus-
dehnung, in welchem das Elephantenmuster in Umkreisungen
von einen: größten Durchn:esser von 77'/- Eentimeter einige
Male als gleichmäßiges Dessin retournirt. Glücklicherweise
hat sich an dem unteren Abschluß des Purpurstoffes die
»lisiere«, die Weberkante, ziemlich vollständig erhalten. Ueber
den losen Seidensäden der Kette zeigte sich nämlich, unmittelbar
am Abschlußrand der Textur, eine eingewebte Inschrist in
goldgelber Farbe, die beifolgend unter Figur f in natürlicher
Größe wiedergegeben ist.

Bevor wir in: Folgenden auf die Lesung und Entziffe-
rung dieser räthselhaften Inschrist des Näheren eingehen, sei
es gestattet, zunächst die Farbenstinnnung und die technische
Beschaffenheit unseres pallium mortuorum eingehender zu
beleuchten, um schließlich alsdann die großartige Musterung
und die eingewebte Inschrift näher zu erläutern. Der durch-

') Dergl. den Wortlaut der letzten Eröffnungsurkunde des Karls-
schreins in unserem werk: „Karls des Großen Pfalzkapelle und ihre
Kunstschätze", Seite 112 und Abbildung und Beschreibung des Karls-
schreins Seite 98— \\n.

gehende Tiefgrund unserer Textur stellt sich, wie dies auch
die Abbildung annähernd erkennen läßt, als dunkelrother
Purpur dar. Diese tiefrothe Purpurfarbe, welche die Schrift-
steller Ostroms auch als blutrothen »oxyblatta« bezeichnen,
wurde unter den Purpur- oder Konchylienfarben, deren es eins
Skala von mehr als (0 verschiedenen Farbtönen gab, als die
kostbarste und theuerste erachtet. Nach seiner berüh:::testen Ge-
winnungs- und Zubereitungsstätte bei der alten phönizischen
Pandels- und Färberstadt Tyrus an der syrischen Küste wurde
er auch Tyrischer Purpur benannt. Diese theuere Purpur-
nüance, wie sie sich an: ganzen Tiesgrund unseres pallium
elephantinum zu erkennen gibt, hieß auch purpura imperialis,
weil solcher Purpur als kaiserliches Reservat von einer be-
sonderen Innung der murileguli gewonnen wurde und nur
durch Veruntreuung und Einschwärzung in den Pandel ge-
langte. Bei den Byzantinern führte unser tiefrother Purpur
auch häufiger die Bezeichnung dibapha, d. h. doppeltgesärbt,
weil Wollen- oder Seidensäden zweimal mit den: eingekochten
Safte (sanies) zweier verschiedener Schalenthiere (conchyliae)
getränkt werden mußten, ehe der hochgefeierte blutrothe Pur-
pur zur Geltung kam. Die erste Färbung fand statt mit
dem Safte des noch unreifen Schwarzpurpurs, der aus der
eigentlichen großen Purpurschnecke, der pelagia (uopcpupa),
gewonnen wurde; alsdann fand unmittelbar darauf eine
zweite Färbung mit den: für sich allein weniger haltbaren
rothen succus der kleineren Trompetenschnecke statt, welche
bucinum sxhpvp, von anderen auch murex genannt wurde.
Erst nach dieser Doppelfärbung wurde der fast unverwüst-
liche blutrothe Purpur hergestellt, den Prosaiker und Dichter
des klassischen Zeitalters meistens auch sacer murex benen-
nen.') Eine zweite Sorte des theuersten Purpurs, des hei-
ligen murex, die ebenfalls nur allein der Person des Kaisers
und seiner engeren Familie zustand, hatte im Gegensatz zu
den: ebenbeschriebenen blutrothen lyrischen Purpur eine vio-
lette Färbung :nit einen: Stich in's Röthliche. Es war dies
der violenfarbige Purpur (purpura ianthina), von einigen
nach der bekannten Farbe des An:ethyst und der Pyazinlhe
auch purpura amethystina oder hyacinthina zubenannt. Dieser
violette oder violenfarbige sacer murex, wie ihn heute noch
die Bischöfe tragen, in: Gegensatz zu den: blutrothen Purpur,
der bis zum so. Jahrhundert die Kardinäleh auszeichnete,
war nicht wie der eben besprochene tiefrothe lyrische Purpur
doppelt gefärbt (dibapha), sondern wurde Hergestellt durch ein-
malige Färbung in einer besonderen Mischung aus reifen:
Schwarzpurpur, gewonnen aus der pelagia-Schnecke, und
dem Safte des bucinum, der kleinen Trompetenschnecke, die
auch, wie bereits bemerkt, murex genannt wurde.

') Diejenigen, die sich näher auf dem hochinteressanten Gebiete
der Purxurfärberei der Alten Umsehen wollen, seien verwiesen auf die
ausführlichen Beschreibungen des Aristoteles in seiner ttiskor. ani-
mal. IV. <*, § \y, v. :o, § 2; 13, § 1—7; VIII. 16, 8 1 und

ferner des älteren Plinius, in seiner dem Aristoteles vielfach
entlehnten Iristor. nawr. IX. 37, 38, 62 und in vielen anderen Stellen.
In neuester Zeit haben am eingehendsten die Purpurfärbung und
Farben behandelt Illarquardt, Hugo Blümner und am ausführ-
lichsten Or. Ad. Schmidt.

2) Nach dem gänzlichen Erlöschen der alten byzantinischen Purpur-
färbereien infolge der Einnahme von Konstantinopel (PZ53) werden
seit jener Zeit die Kardinalstücher vermittels der Cochenille in hoch-
rother Farbe hergestellt, heute liefert die alte Firma Erkens in
Burtscheid bei Aachen diese Hochrothen Kardinalstücher und werden
dieselben in Rom deßwegen auch Orapo <di Borcetto genannt.
 
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