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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 8
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Bock, Fr.: Byzantinische Purpurstoffe mit eingewebten neugriechischen Inschriften: "Pallium litteratum" mit Elephantenmuster im reliquienschreine Karls des Großen des Aachener Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0077

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Dieser veilchenfarbige Amethyst-Purpur, der im Preise
dem doppeltgefärbten, tiefrothen Purpur nicht viel nachstand,
findet sich unter den übrigen Farbtönen, die unser kaiser-
licher Purpurstoff in der Abbildung aus Tafel 30 und 3l
zu erkennen gibt, nicht vor. Außer dem blutrothen doppelt-
gefärbten Purpur von Tyrus, der, wie gesagt, den ganzen
Tiefgrund unserer Textur ausfüllt und dieselbe zu einem
pallium imperiale erhebt, macht sich am häufigsten in unse-
rem gemusterten Gewebe ein gelber Farbton geltend und
dies nicht allein in den breiten Rreiseinfaffungen, sondern
auch in der Abtönung der großen Elephantenbilder. Gb
diese gelbe Farbe, die weder durch Länge der Zeit noch durch
Grabesmoder an Schönheit und Frische gelitten hat, aus einem
Pflanzenstoff oder aus einen: künstlich gemischten Ronchylien-
saft als gelber, herbstviolenfarbiger Purpur hergestellt worden
ist, wagen wir hier nicht zu bestimmen. Ferner kommen
in harmonischer Abtönung und Abwechslung in den zierlich
stilisirten Pflanzenornamenten noch grüne, blaue und weiße
Farben vor. Dieselben sind als perbarienfarben offenbar
vegetabilischen Ursprungs und zählen nicht zu den Ronchylien-
farben, die animalischen Perkommens sind.

Ungeachtet der allgemein beliebten und gesuchten Pur-
purfarben in ihren vielen Abtönungen und Schattirungen
wandten die Alten in der Färberei eine große Zahl äußerst
haltbarer Farben von Rräutern an, die sämmtlich der Erde
entsproßten, im Gegensatz zu den Purpurfarben der Schal-
thiere, die dein Meere entnommen wurden; daher auch der
Gegensatz terrena und marina bei Plinius in seiner Natur-
geschichte, IX 4^, 65. Nach den eben angeführten Purpur-
farben der Ronchylien in ihren verschiedenartigen Abstu-
fungen und künstlichen Mischungen war im hohen Alterthum
und bei den späteren Byzantinern der Farbstoff der Scharlach-
beere, das »coccum«, an: meisten beliebt und angewandt,
plinius der Aeltere und die anderen, die ihm gefolgt find,
nehmen an, daß die brennendrothe Farbe des coccum vege-
tabilischen Ursprungs, also ein Pflanzenprodukt sei, während
dieser Farbstoff von einem Insekt herrührt, welches in Form
einer Beere sich gleich den Schildläusen auf Baumpflanzen
(coccus ilicis) festsetzt. Seiner fast stechend Hellrothen Farbe
wegen ist in neuerer Zeit das coccin mit der Purpurfarbe
häufig verwechselt worden: in: klassischen Zeitalter jedoch, als
der theure Purpur in hohen Rreifen allgemeiner in: Gebrauch
war, wurde zwischen purpun: und coccum auch schon wegen
des hohen Preises des erstgenannten Farbstoffes genau unter-
schieden. Bei der zweiten Eröffnung des Rarlsfchreins glaubten
einige Textur- und Farbkundige in der intensiv rothen Farbe
des durchgehenden Grundtones unseres Elephantengewebes
den COCCUS ilicis zu erkennen. Eine danralige genauere Unter-
suchung jedoch, besonders aber die vielen in jüngster Zeit bei
Achmim in Oberägypten aufgefundenen Purpurwirkereien in
Gobelintechnik haben zur Evidenz ergeben, daß der Purpur-
stoff, der heute noch die irdischen Ueberreste des Gründers
der abendländischen christlichen Raisermonarchie verhüllt, als
echter lyrischer Raiserpurpur, als oxyblatta zu betrachten ist.

Nach dieser Auseinandersetzung hinsichtlich der Art und
Beschaffenheit der verschiedenen Farbtöne, die sich in unserem
Elephantengewebe vorfinden, sei es gestattet, in: Folgenden
nur in: Vorbeigehen die Textur klar zu stellen, die sich an
den: in Rede stehenden kaiserlichen Purpurstoff vorfindet, um
dann schließlich zur Besprechung der großartigen Musterung

und zur Feststellung der eingewebten Inschrift übergehen zu
können, durch welche ebenfalls unser pallium mortuorum
als kaiserlicher Purpurstoff deutlich gekennzeichnet wird.

Das vorliegende schwere Seidengewebe, das nur wenige
Spuren von Abnützung zeigt, ist hinsichtlich seiner Bindung
als dreibündiger Doppelköper zu bezeichnen. Mo auf der
oberen Fechten) Seite die rothe Rette das Muster (den Effekt)
formirt, arbeitet die Rette nach der Hinteren oder Rehr-
seite eine Serge-Bindung. Mo jedoch auf dem Avers, der
oberen Seite, die gelbe Rette das Muster macht, arbeitet
nach der Hinteren Seite, den: Revers, die rothe Rette in
Serge. Die meisten heut gekannten schweren Seidengewebe
aus der Fabrikation Alexandriens, Tonstantinopels oder
palermo's vom 8. bis so. Jahrhundert zeigen durchgehends
solche Bindungen, wie die eben angeführte und zeichnen sich
nur durch zwei bis drei Farbtöne in der Musterung aus.

Mas nun die vielgestaltig komponirte Musterung be-
trifft, die in dem vorliegenden Seidenköper zur Entfaltung
kommt, so ist zu bemerken, daß dieselbe in ihrem Rapport
sich zu großen Rundkreisen gestaltet, die immer wieder mit
dem retournirenden Motiv des Elephanten belebt find. Es
ist deswegen in: pinblick auf dieses feststehende naturhistorische
Dessin unser Purpurgewebe zu den pallia rotata oder scutel-
lata cum historia de elephantis zu rechnen. Diese rad- oder
tellerförmig genmsterten schweren Seidenstoffe, deren Tief-
grund meistens aus dunkelrothem lyrischen: oder violettem
Purpur besteht, bringen außer der historia elephantina, als
feststehende Motive, die verschiedensten vierfüßigen Thier
gestalten, desgleichen auch größere Repräsentanten der Vogel-
welt in strenger Stilisirung immer wieder zur Darstellung.
Solche streng stilisirte, n:eist phantastisch, nicht naturalistisch
behandelte „Bestiarien", ähnlich den gleichartigen natur
historischen Gebilden an den Rapitellen der roinanischen
Architektur, werden sowohl in den orientalischen als auch
occidentalischen Seidengeweben, desgleichen auch in den Go-
belinwirkereien von: 8. bis zum f3. Jahrhundert immer
wieder angetroffen.

Es würde ein Leichtes sein, an der pand der Geschichts-
schreiber der Päpste des früheren Mittelalters, des sogenannten
Anastasius Bibliothecarius, in langer Reihe eine Aufzählung
von kostbaren, ineist morgenländischen seidenen Mebestoffen
hier folgen zu lassen, die als Geschenke der Päpste an ver-
schiedene Pauptkirchen Ron:s und Italiens gelangten. Unseren:
eben citirten Gewährsmann zufolge waren diese theuren Pur
purstoffe immer wieder mit rad- und tellerförmigen Ein
fassungen gemustert, in welchen groteske Darstellungen von
Löwen, Tigern, Leoparden, sagenhaft geflügelten Greifen,
ferner von Pferden mit Reiterfiguren, Adlern und anderen
n:eist phantastischen Thiergebilden ersichtlich waren. Nach
solchen mit naturgeschichtlichen Darstellungen geurusterten
Texturen zumeist persischer, syrischer, alexandrinischer, byzan-
tinischer Provenienz benannte man die aus solchen Stoffen
hergestellten profanen und sacralen Gewänder: vestes leonatae,
aquilinatae, pavonatiles oder auch pallia cum gryfonibus,
cum cavallis et hominibus, cum papagallis etc. Auch rad-
und kreisförmig scenirte Gewebe, mit der Geschichte des
Elephanten vielfarbig belebt, werden in Menge von den:
alten Historiographen bei der Gelegenheit citirt, wo er die
Geschenke der Päpste in der Rarolingerzeit namhaft macht.
Zweifelsohne find die von Anastasius Bibliothecarius aus
 
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