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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 17.1905-1906

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Michel, Wilhelm: Ein Frühstücksraum von Margarete von Brauchitsch
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https://doi.org/10.11588/diglit.7136#0083

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MARGARETE VON BRAUCHITSCH

—MÜNCHEN.

Frühstücksraum.

Ein Frühstücksraum von Margarete von Brauchitsch.

Feinheit und besonnene Zurückhaltung
machen die charakteristischen Merk-
male an den kunstgewerblichen Schöpfungen
dieser Künstlerin aus. Ihre Arbeiten ver-
raten einige Beziehungen zur Art der Wiener,
doch halten sie sich frei von dem leisen
haut goüt, der vielen Erzeugnissen dieses
gewaltsamsten, reifsten und müdesten aller
deutschen Kulturkreise anhaftet. Die Spar-
samkeit des Ornamentes, die Kargheit der
Form hat sie von dort übernommen, aber
die raffinierte rechtwinklige Banalität, zu der
sich in Wien die Einfachheit hysterisierte,
hat sie mit glücklichem Instinkte zu ver-
meiden gewusst.

Margarete von Brauchitsch besitzt heute
eine eigene, hochentwickelte Formsprache,
mit der sie ausserordentlich sicher schaltet
und waltet. Ein höchst diszipliniertes Farben-
gefühl ermöglicht ihr nicht nur schöne Wir-
kungen an Einzeldingen, wie Kissen, Tisch-

läufern, Decken, sondern es befähigt sie
auch, einen ganzen Raum koloristisch durch
zu komponieren. Das Frühstückszimmer in
graugebeiztem Rüsternholz, welches gegen-
wärtig in einem der mächtigen Schaufenster
bei Pössenbacher zu sehen ist, zeigt nach
Form und Farbe sehr schöne architektonische
Gedanken. Es berührt ausserordentlich wohl-
tuend, zu sehen, wie dieser Raum als Ganzes
erfasst hat, wie alle die stummen Individuen,
die ihn bevölkern, sich dem Gesamteindrucke
willig unterordnen. Das Zimmer setzt sich
aus immer höheren ästhetischen Einheiten
zusammen: die Stickerei wirkt als Flächen-
kunstwerk für sich, aber sie dient dem
Möbel. Das Möbel wirkt als Einzelding
ästhetisch, aber es hilft das architektonische
Kunstwerk der Wand aufbauen. Die Wand
bildet für sich allein eine schöngelöste Auf-
gabe, aber sie stellt sich in den Dienst des
Raumes, der sich solchermaßen aus lauter

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