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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 17.1905-1906

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Schmidkunz, Hans: Bestellung und Wagnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.7136#0313

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BESTELLUNG UND WAGNIS.

Es ist merkwürdig, was die Künstler alles an-
fangen, damit man ihnen ihre schlechten Werke
abkauft. Und zwar deshalb, weil sie eben nichts
können! Wenn ich einem Künstler etwas in Be-
stellung- gebe, so kann
ich in den meisten Fällen
sicher sein, dass er nicht
imstande ist, das zu tref-
fen, was ich brauche." —
Nicht unmöglich, dass
manche so sprechen wer-
den, wenn sie von einer
gegenwärtigen Beweg-
ung hören, die seit etwa
einem Jahr in Gang ist
und voraussichtlich wei-
tere Kreise ziehen wird.
Wir sehen hier von den
tatsächlichen Einzelheiten
dieser Bewegung ab, da
über sie bereits Tages-
blätter usw. berichtet
haben, und beschränken
uns auf eine Erwähnung
und Erörterung ihres
Grundzuges. Die Berli-
ner „Bildhauer-Vereinig-
ung" usw. sucht durch
Eingaben an die zustän-
digen Stellen und durch
andere Agitationsmittel
dahin zu wirken, dass
die Schäden des gewöhn-
lichen Konkurrenzwesens
überwunden werden. Sie
will, dass nicht bestimmte
Themen zum Wettbewerb
ausgeschrieben werden
sondern dass der Wett-
bewerb den Künstlern die
Wahl des Themas und die
Ausführungsart soweit
wie möglich überlässt. F. hodler—genf.
— Die dafür eintretenden
Künstler gehen von dem

Gefühl oder der Überzeugung aus, dass bestellte
Arbeit die Gefahr einer Hemmung des künstlerischen
Schaffens in sich trägt, und dass dieses nur dann
recht gefördert wird, wenn man die Künstler selber
bestimmen lässt, was sie als Ergebnis ihres innersten
Könnens und Bedürfens ausarbeiten wollen. Sie
werden auf den Einwand, mit welchem unsere Zeilen
beginnen, wahrscheinlich bereits gefasst sein und
werden mehr oder minder die bestellten Arbeiten
als Gründe eines handwerklichen Zuges und als Folgen
einer handwerklichen Auffassung der „Pflichten" be-
trachten, welche die Besteller, die Mäcene usw. haben.

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Wenn diese ihr Verhältnis zu den ausübenden
Künstlern lediglich auf Bestellungen beschränken
und sagen: mach mir einen Kaiser, einen Feldherrn,
einen Apostel, eine Tänzerin, so ist zu wetten, dass

das Beste, was ein Künst-
ler geben kann, sich unter
diesen Bestellungen nicht
findet. Die Vertreter der
neuen Opposition wer-
den vielleicht die sozia-
listische Ansicht von Ak-
kordarbeit auf ihr Gebiet
übertragen und auf dem
Standpunkte stehen, dass
die dem Wollen und
Fühlen eines Bestellers
entsprungene Arbeit min-
destens in überwiegend
vielen Fällen Mordarbeit
ist, Mord an der Kunst.
Allerdings spüren sie hin-
wider, dass die aus ihrem
Inneren entsprungene Ar-
beit belastet ist mit all
der Unsicherheit des wirt-
schaftlichen Wagnisses
und nicht anders durch-
geführt werden kann, als
in jener Aufregung der
seelischen und in jener
Anspannung der mate-
riellen Kräfte, unter der
die Künstler so viel lei-
den. — So die Einen. Die
Anderen verlangen vom
Künstler, sein Können
solle umfassend genug
sein, dass er jeder ihm
gestellten Aufgabe auf
seinem Gebiete gerecht
werde, und dass er nicht
allaugenblicks versage,
wenn man ihn braucht.
Tatsächlich sind ja doch
im Lande zahlreiche künst-
lerische Bedürfnisse vorhanden, für die nun einmal
unbedingt Kräfte her müssen. Der kirchliche Architekt
braucht beispielsweise Apostelstatuen an seiner Kirche
und will sie möglichst künstlerisch haben. Dazu be-
darf er tüchtiger Bildhauer; und wenn diese versagen,
so wird er wenig Interesse dafür haben, zu einer
Förderung dessen beizutragen, was sie andersartiges
aus ihrem Herzen heraus arbeiten möchten.

Wenn die im Lande vorhandenen Bedürfnisse
nach künstlerischen Arbeiten immer von künstler-
ischem Geiste getragen sind, wenn also Besteller,
Mäcene usw. ihr eigenes Fach, nämlich das Be-

»Die Bewunderung«.

(1903.) Privatbesitz Wien.
 
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