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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 17.1905-1906

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Widmer, Karl: Farbe und Raumstimmung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7136#0210

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Prof. K. Widmer:

CARL MAX REBEL-BERLIN.

Gemälde: »Antikes Leben«

FARBE UND RAUM-STIMMUNG.

Von der rein praktischen Seite genommen,
mag die Aufgabe des Architekten in der
formalen Ausbildung des Raums ihren Schwer-
punkt haben. Sobald man das Bauen als eine
Kunst auffasst, tritt die Farbe als gleichwertiges
Element neben die Form.

Die Farbe in der Baukunst wieder in die
ihrer Wichtigkeit entsprechende Rolle eingesetzt
zu haben, ist eines der wertvollsten Ergebnisse
der modernen Stilbewegung. Wie sich aber das
Werden des neuen Stils bis jetzt überhaupt mehr
im Innenraum als in der Aussenarchitektur doku-
mentiert, so müssen wir auch die Anfänge einer
neuen Kultur der Farbe vor allem im Innern
des Hauses suchen. Was die farbige Erscheinung
der Fassaden betrifft, so hat hier die Forderung
künstlerischer Grundsätze mit unüberwindlichen
Schwierigkeiten zu rechnen. Gerade das wich-
tigste: die farbige Einheit des architektonischen
Gesamtbildes, die Harmonie des einzelnen
Hauses mit seiner Umgebung ist in einer mo-
dernen Großstadtstrasse undurchführbar. Hier

kümmert sich der Nachbar nicht um den Nach-
barn. Neben den bestgemeinten Ausnahmen wird
immer die breite Geschmacksgleichgiltigkeit das Feld
behaupten, solange die Ausführung geschlossener
Baugruppen unter der Leitung eines einheitlichen
künstlerischen Willens zu den Seltenheiten gehört.
Man muss froh sein, dass die Natur selbst mit
ihrer unermüdlichen Patina wenigstens über das
Ärgste ihren ausgleichenden Schleier zu ziehen
pflegt.

Anders im Innern des Hauses. Hier ist der
Einzelne Herr eines abgegrenzten Reichs. Der
Künstler ist im Prinzip vor die Möglichkeit ge-
stellt, einen einheitlichen künstlerischen Gedanken
durchzuführen. Es ist um so bedeutungsvoller,
dass gerade hier, wo dem persönlichen Willen
unumschränkte Freiheit gegeben ist, sich etwas
von einer gemeinsamen Tradition zu entwickeln
beginnt: etwas, das wir einen modernen Stil
der Farbe nennen dürfen. Innerhalb der un-
endlichen Mannigfaltigkeit des individuellen Farben-
geschmacks lässt sich doch eine Grundrichtung

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