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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 17.1905-1906

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Scheffers, Otto: Künstlerische Photographien von Jacob Hilsdorf - Bingen a. Rh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.7136#0347

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KUNSTLERISCHE PHOTOGRAPHIEN

VON JACOB HILSDORF-BINGEN A.RH.

In der »Deutschen Kunst und Dekoration«
ist wiederholt auch die Photographie als
besonderer Zweig der angewandten Kunst
zur Geltung gekommen. Da bei diesen Ge-
legenheiten schon fast alles gesagt wurde,
was man über die Ausdrucksmittel der Photo-
graphie sagen könnte, so erübrigt es sich,
davon noch einmal zu reden. Nur über eine
Frage hat man sich nicht ganz einigen
können: ob die Höchstleistungen der Photo-
graphie einen Anspruch auf selbständige
Kunstwerke machen dürften. Dieser Streit
wird wohl so lange währen, wie der Streit
um das Wesen der Kunst überhaupt, der
nun in Deutschland bereits über hundert-
undfünfzig Jahre tobt. Es wäre vergebliche
Mühe, auch hierauf noch einmal die Rede
zu bringen, ich erwähne den Streit nur, um
zur Charakteristik des Photographen HilsdorJ
hervorzuheben, dass er energisch Front
gegen den »Künstlerdusel« mancher Kollegen
macht, namentlich soweit dieser seine Hoff-
nungen auf die weitere Ausgestaltung des
Gummidruckes setzt. Es hat auch wirklich
noch niemals gut getan, etwas vortäuschen
zu wollen, was nicht ist. Schon oft hat man
die Verlogenheit in den technischen Künsten
gegeisselt. Wie die Tapete sich nicht ver-
messen soll, gewebte Stoffe vorzustellen,
der Holzschnitt nicht den Kupferstich nach-
zuahmen, so soll die Photographie sich davor
hüten, mit der Malerei konkurrieren zu
wollen. Jedes technische Verfahren hat
danach zu streben, das ihm Charakteristische
zu betonen. Was ist nun der Photographie
im Gegensatz zur Malerei besonders eigen?
In erster Linie doch wohl ihre Genauigkeit
in allen Einzelheiten. Sollte es da wirklich
richtig sein, dieses, ihr Hauptmerkmal, künst-
lich zu unterdrücken? Aber es fehlt mir
an Raum, diese Frage hier weiter zu er-
örtern. Ich überlasse es deshalb dem Leser,
seine Gedanken darüber fortzuspinnen. —

J. Hilsdorfs Stärke liegt in seiner Persön-
lichkeit, in der Art und Weise, wie er mit
seinen Modellen umzugehen, wie er sie zu
beobachten weiss, ohne dass sie es merken,
wie er ihnen die charakteristischsten Seiten
abzugewinnen versteht. Er hat einen aus-
gesprochenen Geschmack, und er überblickt
trotz seiner äusseren Ruhe mit Windeseile
die Situation. Er stellt seinen Apparat auf
die wichtigsten Punkte ein, begrenzt seine
Bilder mit feinster Überlegung; vor allem
aber versteht er es, die Beleuchtung dem
jeweiligen Falle anzupassen. Um die an-
heimelnde Wirkung der Zimmerbeleuchtung
zu erreichen, liebt er es, seine Modelle in
ihrem eigenen Heim aufzunehmen, überdies
hat er auch sein neues Atelier mit Seiten-
licht versehen lassen, also eigens zur Er-
zielung derselben Beleuchtungseffekte. Frei-
lich ist auch Hilsdorf, wie jeder Photograph,
in gewissem Sinne von seinen Modellen ab-
hängig. Sie müssen seinen Intensionen
halbwegs entgegenkommen und Eigentüm-
lichkeiten aufweisen, die der Wiedergabe
wert sind. In dieser Hinsicht braucht er
sich glücklicherweise keine Sorgen zu
machen. Als Photograph der vornehmen
und kunstsinnigen Welt hat er es fast nur
mit Charakterköpfen zu tun, stammen doch
von ihm die besten Aufnahmen Menzels,
Begas', Thomas, Dehmels, Stefan Georges,
Kaiisch', Hans Hermanns, der Lillian Sander-
son usw. und beehrten ihn doch der Gross-
herzog von Hessen, Prinz Max von Baden,
die Familien Krupp, Henkell, Rothschild
und andere mit ihren Aufträgen. Abseits
vom Geräusche der Großstadt, gibt sich
Hilsdorf im idyllischen Bingen völlig seinem
Wirken hin. Seine Arbeitsweise gleicht in
gewissem Sinne derjenigen der biedern, alten
Innungsmeister: ohne Reklame zu machen,
ohne sich zu überhasten, geht er ruhig, aber
sicher seinen Weg. — 0tto scheffers—dkssau.
 
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