ADOLF OTTO HOLUB
— WIEN.
Junggesellen-Zimmer. II. Preis.
Unterrichtsmethoden im Entwerfen von Ornamenten.
Nur auf wenigen Gebieten herrscht eine solche
Verworrenheit der Anschauungen, wie auf dem Ge-
biete des Unterrichtes im Entwerfen von Ornamenten.
Sucht man sich als Lehrer Klarheit darüber zu
verschaffen, welche Wege man beim Entwerfen von
Ornamenten einschlagen könnte, so dürften sich haupt-
sächlich folgende ergeben: Man könnte einige Jahre
lang kunstgewerbliche Gegenstände nach Abbildungen
oder dem Originale kopieren lassen und den Schüler
dann nach und nach daran gewöhnen, unter Ver-
wertung der kennengelernten Formen neue zu erfinden.
Die Hauptfehler dieser sogen. Kopiermelhode sind:
Der Schüler arbeitet, so lange er noch kopiert, mit
nur geringem Verständnis, er bekommt keinen Über-
blick über die ornamentalen Grund-Prinzipien, der
Sprung vom Kopieren zum selbständigen Entwerfen
ist zu unvermittelt, der Schüler bleibt an traditionellen
Formen hängen, und der Lehrer kommt leicht in Ver-
suchung, allzuviel zu helfen. Das jahrelange rezeptive,
verständnislose Arbeiten hat überdies ein schnelles
Abnehmen des Interesses am Unterrichte zur Folge.
Eine zweite Methode ist der Kopiermethode ver-
wandt, sie setzt aber gleich in der Werkstatt ein und
entspricht dem Lehrgange, den der Handwerker in
praxi durchmacht. Der Lehrling hat zuerst sehr
wenig, dann aber immer mehr und mehr bei der
Herstellung der bestellten Arbeiten zu helfen, bis er
sich zum selbständigen Meister durcharbeitet. Diese
neuerdings beliebt gewordene Methode ist einseitig.
Der Schüler bewegt sich in einem beschränkten Ge-
biete von Formen, die nur auf das in der Werkstatt
138
bearbeitete Material, z. B. Holz oder Schmiedeeisen,
passen. Niemals gelangt er allein durch diese
Methode zu einem freien Überblick über das Ge-
samtgebiet der Ornamentik. Ist der Meister nicht
geradezu ein Ideal von Lehrer, so bleiben dem
Schüler viele wertvolle theoretische Lehren von all-
gemeingültiger Bedeutung vorenthalten.
Eine dritte Methode gibt dem Schüler ein
natürliches Vorbild, Pflanze, Tier, Mineral usw. lässt
es getreu unter Betonung des organischen Auf-
baues und des ornamental Wirkungsvollen zeichnen
oder malen und leitet dazu an, das dargestellte Ge-
bilde ornamental zu verwerten, d. h. mit Rücksicht auf
einen besonderen Zweck in gegebenem Material zu
stilisieren. Diese Methode wird heute verhimmelt
und ist doch die allereinseitigste, weil sie nur zum
Erfinden von naturalistischen Ornamenten führt und
jene Gebilde unberücksichtigt lässt, die auf der Kom-
bination von mathematischen Formenelementen be-
ruhen. Es ist überdies ein Fehler, das Stilisieren
von Naturformen, d. h. von sehr zusammengesetzten
Gebilden, zu verlangen, bevor der Schüler allge-
meine Kenntnisse über Massenverteilung, Proportion,
Rhythmus, Symmetrie, Kontrast und die übrigen
Mittel zur Erzielung ornamentaler Wirkungen erlangt,
bevor er gelernt hat, diese Mittel auf die einfachsten,
nämlich die mathematischen, Formenelemente an-
zuwenden. Da vom Schüler gleich im Anfange mehr
verlangt wird, als er zu leisten vermag, so verführt
auch diese Methode den Lehrer dazu, Idie Arbeit
des Schülers allzusehr zu beeinflussen. Je hervor-
— WIEN.
Junggesellen-Zimmer. II. Preis.
Unterrichtsmethoden im Entwerfen von Ornamenten.
Nur auf wenigen Gebieten herrscht eine solche
Verworrenheit der Anschauungen, wie auf dem Ge-
biete des Unterrichtes im Entwerfen von Ornamenten.
Sucht man sich als Lehrer Klarheit darüber zu
verschaffen, welche Wege man beim Entwerfen von
Ornamenten einschlagen könnte, so dürften sich haupt-
sächlich folgende ergeben: Man könnte einige Jahre
lang kunstgewerbliche Gegenstände nach Abbildungen
oder dem Originale kopieren lassen und den Schüler
dann nach und nach daran gewöhnen, unter Ver-
wertung der kennengelernten Formen neue zu erfinden.
Die Hauptfehler dieser sogen. Kopiermelhode sind:
Der Schüler arbeitet, so lange er noch kopiert, mit
nur geringem Verständnis, er bekommt keinen Über-
blick über die ornamentalen Grund-Prinzipien, der
Sprung vom Kopieren zum selbständigen Entwerfen
ist zu unvermittelt, der Schüler bleibt an traditionellen
Formen hängen, und der Lehrer kommt leicht in Ver-
suchung, allzuviel zu helfen. Das jahrelange rezeptive,
verständnislose Arbeiten hat überdies ein schnelles
Abnehmen des Interesses am Unterrichte zur Folge.
Eine zweite Methode ist der Kopiermethode ver-
wandt, sie setzt aber gleich in der Werkstatt ein und
entspricht dem Lehrgange, den der Handwerker in
praxi durchmacht. Der Lehrling hat zuerst sehr
wenig, dann aber immer mehr und mehr bei der
Herstellung der bestellten Arbeiten zu helfen, bis er
sich zum selbständigen Meister durcharbeitet. Diese
neuerdings beliebt gewordene Methode ist einseitig.
Der Schüler bewegt sich in einem beschränkten Ge-
biete von Formen, die nur auf das in der Werkstatt
138
bearbeitete Material, z. B. Holz oder Schmiedeeisen,
passen. Niemals gelangt er allein durch diese
Methode zu einem freien Überblick über das Ge-
samtgebiet der Ornamentik. Ist der Meister nicht
geradezu ein Ideal von Lehrer, so bleiben dem
Schüler viele wertvolle theoretische Lehren von all-
gemeingültiger Bedeutung vorenthalten.
Eine dritte Methode gibt dem Schüler ein
natürliches Vorbild, Pflanze, Tier, Mineral usw. lässt
es getreu unter Betonung des organischen Auf-
baues und des ornamental Wirkungsvollen zeichnen
oder malen und leitet dazu an, das dargestellte Ge-
bilde ornamental zu verwerten, d. h. mit Rücksicht auf
einen besonderen Zweck in gegebenem Material zu
stilisieren. Diese Methode wird heute verhimmelt
und ist doch die allereinseitigste, weil sie nur zum
Erfinden von naturalistischen Ornamenten führt und
jene Gebilde unberücksichtigt lässt, die auf der Kom-
bination von mathematischen Formenelementen be-
ruhen. Es ist überdies ein Fehler, das Stilisieren
von Naturformen, d. h. von sehr zusammengesetzten
Gebilden, zu verlangen, bevor der Schüler allge-
meine Kenntnisse über Massenverteilung, Proportion,
Rhythmus, Symmetrie, Kontrast und die übrigen
Mittel zur Erzielung ornamentaler Wirkungen erlangt,
bevor er gelernt hat, diese Mittel auf die einfachsten,
nämlich die mathematischen, Formenelemente an-
zuwenden. Da vom Schüler gleich im Anfange mehr
verlangt wird, als er zu leisten vermag, so verführt
auch diese Methode den Lehrer dazu, Idie Arbeit
des Schülers allzusehr zu beeinflussen. Je hervor-