Unterrichtsmethoden im Entwerfen von Ornamenten.
adolf otto holujs_Wien. Junggesellen-Zimmer. Zweite Ansicht.
Eine fünfte Methode endlich führt die „Entwick-
lungsmöglichkeiten" des Ornamentes nach Schwierig-
keit und Verwandtschaft geordnet vor, ohne sich um
ihre historische Abstammung zu kümmern. Die
Methode stellt nicht erst Untersuchungen an, sondern
baut sofort auf, indem sie zeigt, wie die Haupt-
möglichkeiten abgewandelt werden können. Alle
Aufgaben werden zuerst nur auf dem Papiere ohne
Rücksicht auf ein gegebenes Material gelöst, und
der Schüler wird anfangs nur mit den einfachsten
mathematischen Formenelementen beschäftigt, mit
dem Aneinanderreihen und Gruppieren von Kreis-
flächen, Quadraten, Dreiecken usw. Erst wenn
er viele Anordnungen, Umordnungen, Verwand-
lungen, Einschaltungen, Ausschaltungen kennen ge-
lernt hat, lässt man ihn bestimmte Dinge mit Rück-
sicht auf Zweck, Material, Grösse, Kosten usw.
künstlerisch ausgestalten und natürliche Motive
stilisieren. Die Methode ermöglicht ein Fort-
schreiten vom Einfachen zum Zusammengesetzten,
vom Leichten zum Schweren und übt, da von An-
fang an jede Arbeit des Schülers dessen eigene
Erfindung ist, in hohem Grade die Phantasie.
Schaltet man das Vorführen von Beispielen der ver-
schiedensten Stilperioden ein, so lernt der Schüler
nebenbei die Stile von einander unterscheiden, was
doch auch zur Fachbildung des Künstlers gehört.
Je vielseitiger diese praktischen Beispiele sind, die
nur als Belege für die Brauchbarkeit der „Möglich-
keiten", nicht etwa zum Kopieren dienen, um so
weniger wird der Schüler sich an traditionelle For-
men klammern. Die Methode gestattet endlich
eine Arbeitsteilung der Lehrkräfte. Ein Lehrer
kann die Einführung in die abstrakten Vorübungen,
ragender der Lehrer als Künstler ist, je impulsiver
er zu arbeiten pflegt, um so ungeduldiger wird er
beim Unterrichte sein, um so mehr wird er eigen-
händig mitwirken. Da die Tätigkeit des Schülers sich
alsdann auf das Fertigmachen und Wiederholen der
vom Lehrer skizzierten Teile beschränkt, so läuft auch
diese Methode meist auf eine Kopiermethode hinaus.
Sie unterscheidet sich dann von der früheren nur
dadurch, dass nicht traditionelle Formen, sondern die
des Lehrers kopiert werden. Der Vorzug der Methode
liegt in der Erweckung eines feinen Sinnes für das
Organische in der Natur und für subtile Farben-
wirkungen, doch kann dieser Sinn auch bei Anwen-
dung anderer Methoden ausgebildet werden, wenn
man nebenher Naturstudien betreiben lässt.
Eine vierte Methode zeigt an Beispielen, mit welchen
Mitteln zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen
Völkern ornamentale Wirkungen erzielt wurden. Sie
geht historisch und vergleichend vor, zergliedert,
untersucht die gegenseitigen Beziehungen der Teile
zu einander, entwickelt so die wichtigsten Prinzipien
des Ornamentes und stellt im Anschluss an jeden
Abschnitt solcher Erörterungen bestimmte Aufgaben.
Indem die Methode die verschiedenen „Möglich-
keiten" ornamentaler Entwicklung aufdeckt und dazu
anreizt, dieselben auf andere Verhältnisse anzu-
wenden, macht sie erfinderisch. Leider aber ist es
fast unmöglich, die Aufgaben gleichzeitig historisch
U|id nach Schwierigkeit geordnet vorzuführen, und
ausserdem scheitert die Methode an dem Mangel
geeigneter Lehrkräfte, da sie voraussetzt, dass der
Lehrer eine wissenschaftliche, künstlerische und
gewerbliche Vorbildung besitzt, die unsere heutigen
Schulen nicht vermitteln.
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adolf otto holujs_Wien. Junggesellen-Zimmer. Zweite Ansicht.
Eine fünfte Methode endlich führt die „Entwick-
lungsmöglichkeiten" des Ornamentes nach Schwierig-
keit und Verwandtschaft geordnet vor, ohne sich um
ihre historische Abstammung zu kümmern. Die
Methode stellt nicht erst Untersuchungen an, sondern
baut sofort auf, indem sie zeigt, wie die Haupt-
möglichkeiten abgewandelt werden können. Alle
Aufgaben werden zuerst nur auf dem Papiere ohne
Rücksicht auf ein gegebenes Material gelöst, und
der Schüler wird anfangs nur mit den einfachsten
mathematischen Formenelementen beschäftigt, mit
dem Aneinanderreihen und Gruppieren von Kreis-
flächen, Quadraten, Dreiecken usw. Erst wenn
er viele Anordnungen, Umordnungen, Verwand-
lungen, Einschaltungen, Ausschaltungen kennen ge-
lernt hat, lässt man ihn bestimmte Dinge mit Rück-
sicht auf Zweck, Material, Grösse, Kosten usw.
künstlerisch ausgestalten und natürliche Motive
stilisieren. Die Methode ermöglicht ein Fort-
schreiten vom Einfachen zum Zusammengesetzten,
vom Leichten zum Schweren und übt, da von An-
fang an jede Arbeit des Schülers dessen eigene
Erfindung ist, in hohem Grade die Phantasie.
Schaltet man das Vorführen von Beispielen der ver-
schiedensten Stilperioden ein, so lernt der Schüler
nebenbei die Stile von einander unterscheiden, was
doch auch zur Fachbildung des Künstlers gehört.
Je vielseitiger diese praktischen Beispiele sind, die
nur als Belege für die Brauchbarkeit der „Möglich-
keiten", nicht etwa zum Kopieren dienen, um so
weniger wird der Schüler sich an traditionelle For-
men klammern. Die Methode gestattet endlich
eine Arbeitsteilung der Lehrkräfte. Ein Lehrer
kann die Einführung in die abstrakten Vorübungen,
ragender der Lehrer als Künstler ist, je impulsiver
er zu arbeiten pflegt, um so ungeduldiger wird er
beim Unterrichte sein, um so mehr wird er eigen-
händig mitwirken. Da die Tätigkeit des Schülers sich
alsdann auf das Fertigmachen und Wiederholen der
vom Lehrer skizzierten Teile beschränkt, so läuft auch
diese Methode meist auf eine Kopiermethode hinaus.
Sie unterscheidet sich dann von der früheren nur
dadurch, dass nicht traditionelle Formen, sondern die
des Lehrers kopiert werden. Der Vorzug der Methode
liegt in der Erweckung eines feinen Sinnes für das
Organische in der Natur und für subtile Farben-
wirkungen, doch kann dieser Sinn auch bei Anwen-
dung anderer Methoden ausgebildet werden, wenn
man nebenher Naturstudien betreiben lässt.
Eine vierte Methode zeigt an Beispielen, mit welchen
Mitteln zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen
Völkern ornamentale Wirkungen erzielt wurden. Sie
geht historisch und vergleichend vor, zergliedert,
untersucht die gegenseitigen Beziehungen der Teile
zu einander, entwickelt so die wichtigsten Prinzipien
des Ornamentes und stellt im Anschluss an jeden
Abschnitt solcher Erörterungen bestimmte Aufgaben.
Indem die Methode die verschiedenen „Möglich-
keiten" ornamentaler Entwicklung aufdeckt und dazu
anreizt, dieselben auf andere Verhältnisse anzu-
wenden, macht sie erfinderisch. Leider aber ist es
fast unmöglich, die Aufgaben gleichzeitig historisch
U|id nach Schwierigkeit geordnet vorzuführen, und
ausserdem scheitert die Methode an dem Mangel
geeigneter Lehrkräfte, da sie voraussetzt, dass der
Lehrer eine wissenschaftliche, künstlerische und
gewerbliche Vorbildung besitzt, die unsere heutigen
Schulen nicht vermitteln.
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