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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 17.1905-1906

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Mayr, Karl: Erich Erler - Samaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.7136#0219

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ERICH ERLER—SAMADEN.

»Motiv aus Samaden« (i899)-

ERICH ERLER—SAMADEN.

In dem stillen, schlesischen Städtchen
Strehlen sass Mitte der neunziger Jahre
ein Wielands-Enkel, ein junger, stiller
Mann. Unsicher seiner selbst. Seines
Bruders Fritz künstlerische Gaben waren
unter der Einwirkung einer tiefen Künstler-
natur in Breslau erblüht. An den Arbeiten
und dem reichen Bildungsstoff des Älteren
hatte sich auch seine Phantasie entzündet.
Eine Fülle merkwürdiger Bilder war ihm
zugeströmt, die seine ungelenke Hand noch
nicht festhalten konnte, wie er sie sah. Trotz-
dem brachte sie der Bruder seinem Mentor,
dem alten Bräuer. Der war ein Seelen-
kenner; die Sachen verrieten keineswegs
Sinn für gewandte Mache, aber Bräuer sah
sofort: hier war mehr; hier regte sich etwas,
das der Pflege wert schien. Denn in diesen
Blättern drängte sich eine unabhängige Ge-
fühlswelt, ursprünglich und naiv. So ward
Erich Erler eingeladen, bei dem alten Ein-
siedler, der sich nur Wenigen erschloss, zu
hospitieren. Das war im Jahre 1892 gewesen.
In einsamen Stunden, auf häufigen Spazier-
gängen senkte Bräuer, ein wunderbarer

180«. IV. 1.

Pädagoge, die unvergänglichen Grundlagen
künftiger Betätigung in das junge Herz.
Aber schon nach einem Jahre wollte der
Traum zerfliessen. Seine Zukunft sollte auf
geschäftlichem Weg gesichert werden. Zu
diesem Zweck kam er wieder nach Strehlen,
wo er früher das Gymnasium besucht hatte,
zurück. Da fand er sich dann recht unbe-
haglich. Aber kräftig und gar nicht senti-
mental suchte er sich vier Jahre dem Berufe
anzupassen, den das Leben von ihm zu ver-
langen schien. In stillen Nächten freilich
hing er seinen Träumen nach: er zeichnete
in mehr als 40 Blättern einen Totentanz —
seltsam, weit abweichend von ähnlichen
Zyklen, voll persönlichen und unerwarteten,
allgemeinen Beziehungen, überreich an Ge-
stalten und Umbildungen früher Eindrücke.
Es war gleichsam ein Blick in den heim-
lichen Schatz eines Herzens, das inwendig
voller Figur. Auch schriftstellerische An-
lagen äusserten sich und es schien eine Zeit-
lang, als ob die leichte Wielandsart mit dem
Einschlag sorglosen Schlesiertums Erler
dem Schriftstellertum zutreiben wollte. End-

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