Die Allgemeine Gartenbau-Ausstellung Darmstadt 1905.
In jüngerer Zeit haben sich Künstler als sogenannte
1 „Nichtgärtner" mit der Schaffung von Gärten be-
fasst, zum Leidwesen ihrer Kollegen vom Fach.
Nun hat gerade die heurige Gartenbau-Ausstellung
Darmstadts, aus der die eigentliche Gartenkunst so
als wirkliche Kunst hervorragt, einen ungemein
wichtigen Beitrag zur Klärung der Begriffe gezeitigt.
Hat man doch „Künstler" (nicht etwa Gartenkünstler
im bisherigen Standesbegriff) mit Absicht heran-
gezogen, damit sie zeigen sollten wie sie als Künstler,
also als bekannte Nichtgärtner eine Gartenaufgabe
lösen, d. h. einen Garten schaffen. Man bedenke,
was über Gärten bis heute geschrieben worden
ist. Worte, Worte, kümmerlich, zaghaft sind Taten
eingeschoben, auch da, wo die Völker sich trafen,
ja da kaum möchte ich sagen, wenig auch da, wo
die Gärtner und Gartenkünstler unter sich waren.
Gibts dafür hier jetzt nicht der Beispiele genug,
sie liegen ja fast nebeneinander, die von Fachleuten,
die sagen, hier unser Ausstellungsgut, es ist unser
Bestes; dort das oder auch die der Künstler mit ihren
Schöpfungen, die sie erfühlten ; nicht alle, denn etliche
„Kunst"-taten bleiben doch fühlbar hinter den Gärten
der Fachleute zurück. Aber Olbrich ist ja auch gar
kein ganz Neuer mehr auf diesem Gebiet: wer die
Garten-Anlagen des Darmstädter Dokuments von 1901
schaffen konnte, der hat Anwartschaft auf noch
Edleres, noch Sinnigeres und noch Persönlicheres.
Ja, für einen Künstler darf es nichts Höheres geben
als seine Person, sein Ich, seine Seele.
Wir können uns hier nicht mit den rein gärtne-
rischen Dingen der Ausstellung befassen, das ist
Sache der Gärtner - Fachblätter. Die schönste
Koniferen-Gruppe, das farbenprächtigste Beet, die
märchenhafteste Orchideen-Sammlung und sonstige,
an sich gewiss hervorragende Einzelleistungen — an
Gesamt-Anlagen sind ganz einzig das Warmhaus der
Hofgärtnerei Rosenhöhe, die Henkeischen Gärten,
Bassins, Baumgruppen und Neuheiten, die Kakteen-
Pflanzung des der Technischen Hochschule ange-
gliederten Botanischen Gartens und einige andere
Anlagen - aber das wollen doch keine künstlerischen
Leistungen sein, ich nannte bereits Henkel als Aus-
nahme, sondern Höchstleistungen des Gartenbaues
und seiner Kulturen bis zum Erreichbaren, bis zur
Abtrotzung des Seltensten aus der Hand des Schöpfers.
Kann man offener, kann man erkenntlicher sein, kann
man dankbarer sein als in aufrichtiger Freude an dem
was menschliche Arbeit, Ausdauer und Wissen hier
als dem Boden und der Natur abgerungen bietet!
Aber dort auf der ersten Terrasse ist ein Mehr,
ein Höheres von dem, da ist Kunst, Kunst voll un-
beschreiblicher Tiefe und Rhythmus, da sind Gärten,
denn Gärten sind Wahrzeichen der Kunst: Musik,
Dichtung, Malerei, Plastik. Was kümmert mich zu-
nächst der Name des Schöpfers, das Werk ist es,
das mich gefangen nimmt, dem ich mich hingeben
möchte. Aber ich bin ehrlich, ich freue mich, dass
es der Hand und der Seele Olbrichs entstammt. -
Drei Gärten, Farbengärten nennt sie ihr Schöpfer,
in Form von Oktogonen, der Aussenwelt durch Tiefer-
legung fast entzogen, drei der Welt, hier dem Aus-
stellungstreiben abgerungene kleine Eden. Aber ihre
Umgebung ragt noch in die Wirklichkeit hinein, die
Eingangstore und Durchbrechungen in den ab-
schliessenden Mauern deuten nicht auf Unnahbarkeit
und grundsätzliche Abschliessung.
Die aus Quadraten abgewandelten regulären
Oktogone zeigen in den Beeten, Wegen, Brunnen,
Bassins, Sitzgelegenheiten etc. grundverschiedene
Aufteilung und Anordnung; sie weichen also nicht
nur in den Farben von einander ab, die in sich ja
den vollen Klang von Blau, Rot und Gelb umfassen,
die auch das notwendige Grün der Pflanzen selbst
überstrahlen. Dem ist alles eingeordnet, die Be-
schüttung der Wege mit Granitschlag, gelbem oder
weissem Sand, die innere Färbung eines Bassins, die
Farbe der Steine für Brunnen und Postamente, im
gelben Garten das strohgedeckte Gartenhaus mit gol-
denen Säulen, die Farbe der schmiedeeisernen Gitter,
des Holzwerks. Alles zusammen künstlerische Ein-
heiten, Harmonieen von Gegensätzen feinsten Klanges.
Hofgärtner Göbel besorgte feinfühlend die Ausführung.
Sehen wir uns daraufhin die übrigen Sonder-
gärten an: von W. Begas, Gartenarchitekt, Neu-
Jsenburg, Fuchs und Koch, Architekten, Darmstadt
(zwei Gärten), J. Chr. Gewin, Architekt, und Gärtner
Gebrüder Wenz, Darmstadt, Hans Dietrich Leip-
heimer, Maler, Darmstadt und Landschaftsgärtner
Jakob Leissler, Nieder-Ramstadt und von Heinrich
Henkel, Darmstadt, so steht für mich der Henkeische
Garten an künstlerischem Gehalt den Olbrichschen
Farbengärten am nächsten. Auch der Leipheimersche
Garten ist von recht erfreulicher Wirkung; die übrigen
Gärten zeigen gute Gedanken, die vielleicht bei
späteren Anlagen mehr zur Ausreifung gelangen.
Ich fasse meine Ausführungen dahin zusammen,
dass, trorj mancher angeblichen Enttäuschung in Fach-
kreisen, jede weitere Gartenbau-Ausstellung der
Gartenkunst im besonderen ihre Pflege wird widmen
und einzelnen Künstlern Gelegenheit zur Betätigung
auf diesem Gebiete wird geben müssen. Immerhin
wird es nicht leicht sein, in diesem Punkte Darmstadt
zu übertreffen, denn hier ist unstreitig im Zusammen-
hange mit dem herrlichen Gelände des Grossherzog-
lichen Orangerie-Gartens ein grosser Wurf gelungen.
Aber hierzu hat auch fürstliche Huld Hand und
Mittel gereicht. Hessens Grossherzog hat in allem
rühmlichen Anteil an dem künstlerischen Geschehen
in dieser Ausstellung, für die er ausser den ganz
ungewöhnlichen Aufwendungen durch seine Hof-
gärtnereien seinen prächtigen Orangerie-Garten zur
Verfügung stellte. Wie sehr bedarf die moderne Kunst
noch solcher Stürjpunkte! Otto Schulze-Köln.
92
In jüngerer Zeit haben sich Künstler als sogenannte
1 „Nichtgärtner" mit der Schaffung von Gärten be-
fasst, zum Leidwesen ihrer Kollegen vom Fach.
Nun hat gerade die heurige Gartenbau-Ausstellung
Darmstadts, aus der die eigentliche Gartenkunst so
als wirkliche Kunst hervorragt, einen ungemein
wichtigen Beitrag zur Klärung der Begriffe gezeitigt.
Hat man doch „Künstler" (nicht etwa Gartenkünstler
im bisherigen Standesbegriff) mit Absicht heran-
gezogen, damit sie zeigen sollten wie sie als Künstler,
also als bekannte Nichtgärtner eine Gartenaufgabe
lösen, d. h. einen Garten schaffen. Man bedenke,
was über Gärten bis heute geschrieben worden
ist. Worte, Worte, kümmerlich, zaghaft sind Taten
eingeschoben, auch da, wo die Völker sich trafen,
ja da kaum möchte ich sagen, wenig auch da, wo
die Gärtner und Gartenkünstler unter sich waren.
Gibts dafür hier jetzt nicht der Beispiele genug,
sie liegen ja fast nebeneinander, die von Fachleuten,
die sagen, hier unser Ausstellungsgut, es ist unser
Bestes; dort das oder auch die der Künstler mit ihren
Schöpfungen, die sie erfühlten ; nicht alle, denn etliche
„Kunst"-taten bleiben doch fühlbar hinter den Gärten
der Fachleute zurück. Aber Olbrich ist ja auch gar
kein ganz Neuer mehr auf diesem Gebiet: wer die
Garten-Anlagen des Darmstädter Dokuments von 1901
schaffen konnte, der hat Anwartschaft auf noch
Edleres, noch Sinnigeres und noch Persönlicheres.
Ja, für einen Künstler darf es nichts Höheres geben
als seine Person, sein Ich, seine Seele.
Wir können uns hier nicht mit den rein gärtne-
rischen Dingen der Ausstellung befassen, das ist
Sache der Gärtner - Fachblätter. Die schönste
Koniferen-Gruppe, das farbenprächtigste Beet, die
märchenhafteste Orchideen-Sammlung und sonstige,
an sich gewiss hervorragende Einzelleistungen — an
Gesamt-Anlagen sind ganz einzig das Warmhaus der
Hofgärtnerei Rosenhöhe, die Henkeischen Gärten,
Bassins, Baumgruppen und Neuheiten, die Kakteen-
Pflanzung des der Technischen Hochschule ange-
gliederten Botanischen Gartens und einige andere
Anlagen - aber das wollen doch keine künstlerischen
Leistungen sein, ich nannte bereits Henkel als Aus-
nahme, sondern Höchstleistungen des Gartenbaues
und seiner Kulturen bis zum Erreichbaren, bis zur
Abtrotzung des Seltensten aus der Hand des Schöpfers.
Kann man offener, kann man erkenntlicher sein, kann
man dankbarer sein als in aufrichtiger Freude an dem
was menschliche Arbeit, Ausdauer und Wissen hier
als dem Boden und der Natur abgerungen bietet!
Aber dort auf der ersten Terrasse ist ein Mehr,
ein Höheres von dem, da ist Kunst, Kunst voll un-
beschreiblicher Tiefe und Rhythmus, da sind Gärten,
denn Gärten sind Wahrzeichen der Kunst: Musik,
Dichtung, Malerei, Plastik. Was kümmert mich zu-
nächst der Name des Schöpfers, das Werk ist es,
das mich gefangen nimmt, dem ich mich hingeben
möchte. Aber ich bin ehrlich, ich freue mich, dass
es der Hand und der Seele Olbrichs entstammt. -
Drei Gärten, Farbengärten nennt sie ihr Schöpfer,
in Form von Oktogonen, der Aussenwelt durch Tiefer-
legung fast entzogen, drei der Welt, hier dem Aus-
stellungstreiben abgerungene kleine Eden. Aber ihre
Umgebung ragt noch in die Wirklichkeit hinein, die
Eingangstore und Durchbrechungen in den ab-
schliessenden Mauern deuten nicht auf Unnahbarkeit
und grundsätzliche Abschliessung.
Die aus Quadraten abgewandelten regulären
Oktogone zeigen in den Beeten, Wegen, Brunnen,
Bassins, Sitzgelegenheiten etc. grundverschiedene
Aufteilung und Anordnung; sie weichen also nicht
nur in den Farben von einander ab, die in sich ja
den vollen Klang von Blau, Rot und Gelb umfassen,
die auch das notwendige Grün der Pflanzen selbst
überstrahlen. Dem ist alles eingeordnet, die Be-
schüttung der Wege mit Granitschlag, gelbem oder
weissem Sand, die innere Färbung eines Bassins, die
Farbe der Steine für Brunnen und Postamente, im
gelben Garten das strohgedeckte Gartenhaus mit gol-
denen Säulen, die Farbe der schmiedeeisernen Gitter,
des Holzwerks. Alles zusammen künstlerische Ein-
heiten, Harmonieen von Gegensätzen feinsten Klanges.
Hofgärtner Göbel besorgte feinfühlend die Ausführung.
Sehen wir uns daraufhin die übrigen Sonder-
gärten an: von W. Begas, Gartenarchitekt, Neu-
Jsenburg, Fuchs und Koch, Architekten, Darmstadt
(zwei Gärten), J. Chr. Gewin, Architekt, und Gärtner
Gebrüder Wenz, Darmstadt, Hans Dietrich Leip-
heimer, Maler, Darmstadt und Landschaftsgärtner
Jakob Leissler, Nieder-Ramstadt und von Heinrich
Henkel, Darmstadt, so steht für mich der Henkeische
Garten an künstlerischem Gehalt den Olbrichschen
Farbengärten am nächsten. Auch der Leipheimersche
Garten ist von recht erfreulicher Wirkung; die übrigen
Gärten zeigen gute Gedanken, die vielleicht bei
späteren Anlagen mehr zur Ausreifung gelangen.
Ich fasse meine Ausführungen dahin zusammen,
dass, trorj mancher angeblichen Enttäuschung in Fach-
kreisen, jede weitere Gartenbau-Ausstellung der
Gartenkunst im besonderen ihre Pflege wird widmen
und einzelnen Künstlern Gelegenheit zur Betätigung
auf diesem Gebiete wird geben müssen. Immerhin
wird es nicht leicht sein, in diesem Punkte Darmstadt
zu übertreffen, denn hier ist unstreitig im Zusammen-
hange mit dem herrlichen Gelände des Grossherzog-
lichen Orangerie-Gartens ein grosser Wurf gelungen.
Aber hierzu hat auch fürstliche Huld Hand und
Mittel gereicht. Hessens Grossherzog hat in allem
rühmlichen Anteil an dem künstlerischen Geschehen
in dieser Ausstellung, für die er ausser den ganz
ungewöhnlichen Aufwendungen durch seine Hof-
gärtnereien seinen prächtigen Orangerie-Garten zur
Verfügung stellte. Wie sehr bedarf die moderne Kunst
noch solcher Stürjpunkte! Otto Schulze-Köln.
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