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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 17.1905-1906

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Zimmermann, Ernst: Künstlerische Maschinenmöbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.7136#0252

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KÜNSTLERISCHE MASCHINENMÖBEL.

Ist es nicht mehr als einmal unter allge-
meinem Beifall ausgesprochen worden,
dass nur diejenige Kunst wirklich gedeihen
kann, die aus den wirtschaftlichen und sozialen
Verhältnissen ihrer Zeit herauswächst?

Nun aber sind diese Verhältnisse doch
heutzutage anerkanntermaßen ganz andere,
als jemals zuvor. Wir haben, seit die fran-
zösische Revolution die unteren Stände be-
freite und damit die Gleichberechtigung aller
zur Grundlage alles Handelns machte, keine
kleine Schar von Privilegierten mehr, die
allein die Träger einer höheren Kultur sein
können. Da Gleichheit vor dem Gesetze
ist, wenigstens im Prinzip, wenn auch die
Praxis leider noch ganz andere Bilder zeigt,
als sie die Theorie wünscht, so ist doch keiner
unter uns, der heute nicht mehr, bedeutend
mehr an den Segnungen der Kultur teil-
nimmt, als dies noch vor etwa hundert Jahren
möglich gewesen wäre.

Hat diesen Veränderungen des wirt-
schaftlich-sozialen Lebens die Kunst ent-
sprochen? Hat sie sich wirklich bemüht,
loszukommen von jenen Grundlagen, die

einst, als sie den wirtschaftlich - sozialen
Verhältnissen der Zeit entsprachen, ebenso
sehr die Grundlage der damaligen Kunst-
blüte darstellten, wie sie heute für eine
solche, da sie die politische Entwicklung so
völlig über den Haufen geworfen hat, nur
als ein grosses Hemmnis sich herausstellen
können. Es ist bekannt genug, was noch vor
wenigen Jahren »Kunstgewerbe« hicss. Ein
Nachahmen alter Stilformen war das Pro-
gramm des künstlerischen Schaffens auf
diesem Gebiet für eine Zeit, die mit jemr,
in der diese Stilformen enstamlen, kaum noi h
irgend etwas zu tun hatte. »Stilgerecht«
war die Devise, die damals gleich »kunst-
gerecht« gesetzt ward, und derjenige galt als
der grösste »Künstler«, bei dem dieses Wort
mit der grössten Berechtigung zur An-
wendung gelangen konnte.

Die Folgen dieser Irrungen sind gleich-
falls bekannt genug. Man übersah, dass jene
Werke, die nachgeahmt wurden, die Erzeug-
nisse ganz anderer sozialer Verhältnisse ge-
wesen waren, dass sie in einer Zeit, da Hand-
arbeit in Folge der wirtschaftlich bescheidnen

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