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Die Anschlagsäulen.
Dorische Säule, vorgeschlagen von Architekt
Salamander, mit Magistratsbüsten.
diese Säulen auch wohl als magistratisch „gelallte" Säu-
len bezeichnen. Es fehlt ihnen eben die Erziehung zu aus-
gewachsenen Säulen: ihr Körper ist unentwickelt, sic haben
keine Füße und keinen Kopf. Meine Herren, machen wir
sie wenigstens durch einen Kopf lebensfähig und schenken
wir ihnen ein Capitäl!"
Vorstandsmitglied Photograph Stange zweifelt,
ob der Magistrat zu einer so kostspieligen Verbesserung die
Mittel bewilligen würde.
Architekt Salamander befürwortet eine freiwillige
Kopf- oder Capitälsteuer unter der Bürgerschaft und
wünscht, daß sämmtliche antiken Ordnungen in den Capitälen
dargestcllt werden möchten, derart, daß je ein Stadtthcil eine
Ordnung vertrete. Dann würde hoffentlich die geistlose
Bezeichnung: östlicher, westlicher ec. Stadtthcil alsbald in
die: jonischer, korinthischer rc. verwandelt werden. Er sei
schließlich der Meinung, man solle die Anschlagsäulen poly-
chrom in den Stadtfarben, auch als Ornament mit einem
„laufenden Hund" bemalen.
Thiermaler Neunauge erbietet sich diese Thicr-
verzierung en Arv8 billig auszuführen und der Hciligen-
maler und Vergolder Knollmeyer empfiehlt zu solchem
Zwecke seine beliebten tanzenden Genien, welche er ebenso
billig als Hunde, die Elle Genius zu 15 Sgr. liefern könne.
Nachdem Architekt Salamander darauf erklärt hat,
was seine Fachgenossen unter „laufenden Hund" vcr-
Vorschlag zu einer romanischen Anschlagsäulen auf den Pariser
Bekrönung. Boulevards-
stehen, erhebt sich unter allgemeiner Spannung Spritzcn-
vorstand Schnalzer, Depntirter des Magistrats: Der
Magistrat habe die Hoffnung gehegt, die Säulen, mit denen
er die Stadt beschenkt, würden als „ein von den Vätern
derselben Ueberkommenes" mit Pietät ausgenommen werden;
das sei leider nicht der Fall. Der Mäßigung, welche die
Obrigkeit bei dieser Gelegenheit an den Tag gelegt, sei von
den Bürgern nicht entsprochen worden. Der Magistrat habe
die Anschlagsäulen durch keine der in der Residenz streitigen
Stylformen bevorzugen wollen. Sie sei eine selbstständige
über den Parteien stehende Schöpfung und sei gleichsam ge-
wappnet aus dem Haupte des Magistrats in einer Nacht
entsprungen. Aesthctischcn Werth habe dieselbe in so fern,
als ihre klassische Einfachheit einen wohlthuenden Gegensatz
zu den sic umgebenden partcilcidcnschaftlichen Häuserfa^aden
bilde; im Uebrigen sei sic Zweckmäßigkeits-Institut. Der
Magistrat würde alle Verschönerungsvorschlägc, die hier ge-
macht würden, ignoriren und sich, conscqucnt im Geiste der
Neutralität, höchstens noch entschließen, dem Cylinder eine
Art Geschirrdcckel aufzusctzcn, um die schon an das par-
teiische streifende Säulenform in die ganz unparteiische bür-
gerliche Topfform umzuwandeln. Redner warnt schließ-
lich den Künstlerverein, der Stadtphysiognomie bei allen
Gelegenheiten gewaltsam ein künstlerisches Gewand aufzwän-
gen zu wollen. Die Stadt sei schon hinreichend durch In-
telligenz und Gaslicht verschönert. Der Magistrat könne
versucht werden, eine angemaßte Schönheitspflege am
Ende als Schönheitsflegelci aufzusassen. (Lebhafte
Unterbrechung; Ruf „zur Ordnung!" Ein der Sitzung
beiwohnender Gcnsdarm schneuzt sich, worauf plötzlich tiefe
Stille eintritt.)
(Schluß folgt.)
Die Anschlagsäulen.
Dorische Säule, vorgeschlagen von Architekt
Salamander, mit Magistratsbüsten.
diese Säulen auch wohl als magistratisch „gelallte" Säu-
len bezeichnen. Es fehlt ihnen eben die Erziehung zu aus-
gewachsenen Säulen: ihr Körper ist unentwickelt, sic haben
keine Füße und keinen Kopf. Meine Herren, machen wir
sie wenigstens durch einen Kopf lebensfähig und schenken
wir ihnen ein Capitäl!"
Vorstandsmitglied Photograph Stange zweifelt,
ob der Magistrat zu einer so kostspieligen Verbesserung die
Mittel bewilligen würde.
Architekt Salamander befürwortet eine freiwillige
Kopf- oder Capitälsteuer unter der Bürgerschaft und
wünscht, daß sämmtliche antiken Ordnungen in den Capitälen
dargestcllt werden möchten, derart, daß je ein Stadtthcil eine
Ordnung vertrete. Dann würde hoffentlich die geistlose
Bezeichnung: östlicher, westlicher ec. Stadtthcil alsbald in
die: jonischer, korinthischer rc. verwandelt werden. Er sei
schließlich der Meinung, man solle die Anschlagsäulen poly-
chrom in den Stadtfarben, auch als Ornament mit einem
„laufenden Hund" bemalen.
Thiermaler Neunauge erbietet sich diese Thicr-
verzierung en Arv8 billig auszuführen und der Hciligen-
maler und Vergolder Knollmeyer empfiehlt zu solchem
Zwecke seine beliebten tanzenden Genien, welche er ebenso
billig als Hunde, die Elle Genius zu 15 Sgr. liefern könne.
Nachdem Architekt Salamander darauf erklärt hat,
was seine Fachgenossen unter „laufenden Hund" vcr-
Vorschlag zu einer romanischen Anschlagsäulen auf den Pariser
Bekrönung. Boulevards-
stehen, erhebt sich unter allgemeiner Spannung Spritzcn-
vorstand Schnalzer, Depntirter des Magistrats: Der
Magistrat habe die Hoffnung gehegt, die Säulen, mit denen
er die Stadt beschenkt, würden als „ein von den Vätern
derselben Ueberkommenes" mit Pietät ausgenommen werden;
das sei leider nicht der Fall. Der Mäßigung, welche die
Obrigkeit bei dieser Gelegenheit an den Tag gelegt, sei von
den Bürgern nicht entsprochen worden. Der Magistrat habe
die Anschlagsäulen durch keine der in der Residenz streitigen
Stylformen bevorzugen wollen. Sie sei eine selbstständige
über den Parteien stehende Schöpfung und sei gleichsam ge-
wappnet aus dem Haupte des Magistrats in einer Nacht
entsprungen. Aesthctischcn Werth habe dieselbe in so fern,
als ihre klassische Einfachheit einen wohlthuenden Gegensatz
zu den sic umgebenden partcilcidcnschaftlichen Häuserfa^aden
bilde; im Uebrigen sei sic Zweckmäßigkeits-Institut. Der
Magistrat würde alle Verschönerungsvorschlägc, die hier ge-
macht würden, ignoriren und sich, conscqucnt im Geiste der
Neutralität, höchstens noch entschließen, dem Cylinder eine
Art Geschirrdcckel aufzusctzcn, um die schon an das par-
teiische streifende Säulenform in die ganz unparteiische bür-
gerliche Topfform umzuwandeln. Redner warnt schließ-
lich den Künstlerverein, der Stadtphysiognomie bei allen
Gelegenheiten gewaltsam ein künstlerisches Gewand aufzwän-
gen zu wollen. Die Stadt sei schon hinreichend durch In-
telligenz und Gaslicht verschönert. Der Magistrat könne
versucht werden, eine angemaßte Schönheitspflege am
Ende als Schönheitsflegelci aufzusassen. (Lebhafte
Unterbrechung; Ruf „zur Ordnung!" Ein der Sitzung
beiwohnender Gcnsdarm schneuzt sich, worauf plötzlich tiefe
Stille eintritt.)
(Schluß folgt.)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Anschlagsäulen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 41.1864, Nr. 1009, S. 148
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg