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Die Schulz

freuten sich die Schulzen ihres gespendeten Weckens, und von
manchem hörte man die Acußerung, er würde das lästige
Amt, das so wenig Bortheil bringe, längst nicdcrgclcgt haben,
wenn der Wecken nicht wäre, der ihm jeden Morgen gleich
zum TageSanfang eine sichere Freude mache.

Das war nun seit 150 Jahren so fortgegangcn. Es war
ein stehender Posten in der Rechnung des Stiftungspflegers:

Aus dem Stiftungskapital der Wittwe Häberlin der
jährliche Zins für Schulzen-Wecken mit 5 fl., beurkundet
durch die beigclegte Quittung:

„Von der Wohllöblichen Stiftungspflege
Gulden fünf

für Schulzen-Wecken erhalten und nach dem Willen der
Stifterin richtig zu Anschaffung von genannten Wecken ver-
wendet zu haben bezeugt

Schulze N. N."

Die Rechnungsrevisoren hatten zwar über den sonder-
baren Posten im Etat des Stiftungspflegers oft und viel
den Kopf geschüttelt, aber keinem war es eingefallen, die
Richtigkeit desselben auzuzweifeln.

Da kam aber ein neuer Revisor, der ein besonders
spitziger Kopf war und überall Unsauberkeiten und Miß-
bräuche witterte und aufspürte, dem wollten die Schulzen-
Wecken gar nicht in den Sinn. „Was?" rief er beim
Anblick dieses Postens, „eine fromme Wittwe sollte dazu
eine Stiftung gemacht haben, daß die Schulzen ihren Bauch
mit Wecken anfüllcn können? Das ist nicht möglich. Es
fehlt ja ganz die Beziehung auf die Kirche. Ja, wenn es
noch Pfarrers-Wecken wären, das wollt' ich eher gelten
lassen. Gewiß steckt eine Schlechtigkeit der Schulzen dahinter."

Er begab sich an Ort und Stelle, legte dem Schulzen
und dem Gemeindcrath seine Bedenken vor und -verlangte
Einsicht in den Stiftungsbrief. Da kam er aber übel an.
Es entstand über seine Zweifel ein allgemeiner Aufruhr,
man stieß Drohungen aus, ballte die Fäuste gegen ihn und
weigerte sich entschieden, ihm auch nur die Urkunde zu zeigen.
Denn so klar es auch dort geschrieben stehe, so brauche man-
doch das Dokument gar nicht in einer Sache, an der noch
kein Mensch einen Anstand genommen, oder gar einen Zwei-
fel gehegt habe.

Jndeß der Revisor war obstinat, er bestand fest auf
seiner Forderung, und der Schulze, der wohl begriff, daß
man ihm die Einsichtnahme nicht verweigern könne, hieß
endlich, obwohl im Tone des höchsten Unwillens, den Stif-
tungspfleger das Aktenstück holen. Es geschah, und als das
Schriftstück auf dem Tische ausgebreitet war, hatte der
Schulze nur abzuwchren, daß man dem Revisor nicht den
Kopf darauf stieß.

„Da lies, Du —" rief der Stiftungspfleger, der sich
durch die Zweifel des Revisors am meisten an seiner Ehre
angegriffen fühlte.

Und wirklich, da stand es, von der zitternden, aber
deutlichen Hand der Wittwe geschrieben:

cn-Wecken. j_5j_

Ich, die verwittwete Anna Katharina Häberlin, stifte
hiemit zum ewigen Andenken an meinen früh verstorbenen
Gatten Conrad Valentin Häberlin ein Capital von 100 Gul-
den, davon die Zinsen alljährlich gewissenhaftest zu Schulz- i
wecken verwendet werden sollen.

Beurkundet u. s. w.

Der Revisor stand betroffen. Ja, es war so, da stand
cs klar und deutlich, was er so bestimmt als unmöglich
wegdemonstrirt hatte. Er sing schon an, ans den Rückzug
zu denken, und hatte bereits einige begütigende und ent-
schuldigende Worte an die Gemcinderäthe gerichtet, die ihn
triumphirend ansahen und sich an seiner Bestürzung wei-
deten, als er noch einen Blick auf das Papier warf, und
ihm plötzlich ein Licht aufging.

„Wie, ihr E—", rief er, „daS soll Schulzen-Wccken
bedeuten? Wißt ihr, wie cs heißt, wenn man's richtig liest?"

Die Bauern starrten ihn mit weitaufgerissen Mäulern an.

„Zu Schul-Zwecken heißt cs, für die Zwecke der Schule.
Versteht ihr das? Und die Wecken, die seit 150 Jahren eure
Schulzen gegessen, die sind euren armen Kindern entgangen!"

Der Gemeinderath sträubte sich wohl noch einige Zeit
lang gegen die Wahrheit, gab aber bald nach, denn die
meisten seiner Mitglieder hatten gleich anfangs begriffen,
daß die Lesart des Revisors die richtige sei. Die 5 Gul-
den fanden also von nun an eine andere Verwendung. Aber
mit den Wecken hatte auch das Schulthcißenamt seinen Reiz
verloren. Die vermöglicheren und besseren Bürger suchten
cs nicht mehr, cs kam an herabgekommene Ortsangchörige
oder an hochmüthige Schreiber, und so ist es sehr die Frage,
ob die Schule durch Verwendung des Geldes für Schul-
Zwecke so viel gewonnen hat, als die Gemeinde durch Auf-
hebung der Schulz-Wecken verloren.

Rebus.
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Titel/Objekt
"Rebus"
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Fliegende Blätter
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Grafik

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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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München

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Fund/Ausgrabung

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Thema/Bildinhalt (GND)
Mangel <Motiv>
Mund <Motiv>
Bilderrätsel
Karikatur
Kind <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Unmündigkeit

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Fliegende Blätter, 41.1864, Nr. 1009, S. 151

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