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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0105
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Hölzerne Thüren in der Kirche St. I

Obwohl man sich schon seit mehreren Jahren mit der Beschreibung einiger Werke monumentaler

Holzschnitzkunst beschäftigt hat, so fehlt es uns doch noch an einer Geschichte dieses Zweiges der
Kunst; es ist dies eine grosse Lücke in der Wissenschaft, die sich seit einer gewissen Zeit merklich
fühlbar zu machen scheint. Uebrigens erklärt sich dieser Mangel leicht; man ist auf eine ziemlich be-
schränkte Zahl von Monumenten dieser Art angewiesen, mit deren Studium sich bis dahin nur eine sehr
kleine Zahl von Archaeologen beschäftigt hat, und die sich mit diesem Kunstzweige beschäftigten, haben
ihre Aufmerksamkeit mehr auf statuarische Werke von kleinen Dimensionen, auf gewisse Gattungen von

Gegenständen,

auf gewisse Meubles oder gewisse Klassen von kirchlichen oder häuslichen Meubles

gerichtet; keiner von ihnen hat unseres Wissens den Theil der Holzsculptur angegriffen, der die ver-
schiedenen Stücke des Mobiliars und der Decoration der Kirchen umfässt, wie da sind Altäre, Einfassungen
der Altarbilder, Chorstühle, Lettner, Kanzeln, Orgeln, Thüren etc. Und obwohl wir eine grosse Anzahl
von Monumenten dieser Art aus verschiedenen Schulen und verschiedenen Zeiten haben, so fehlt es uns
doch an einer methodisch geordneten allgemeinen Uebersicht derselben, an einer Geschichte der monu-
mentalen Holzsculptur. Bei dem jetzigen Stand der Sache fallen die Hindernisse und Schwierigkeiten,

die sich der Behandlung dieses Gegenstandes entgegenstellen, leicht in die Augen

der grösste Theil der

Elemente, der Vorarbeiten zu einem solchen Unternehmen fehlen uns noch. Wir kennen allerdings eine
gewisse Anzahl solcher Kunstwerke und die Bemerkungen einiger seltenen Schriftdocumente; aber aus
der Zusammenstellung dieser Kunstwerke und dieser Schriftdocumente werden eben die vielen hier
bestehenden Lücken klar, aus denen hervorgeht, dass es noch nicht an der Zeit ist, jetzt schon eine
Geschichte dieser Kunst zu schreiben, und eine Theorie derselben aufzustellen, die sehr wahrscheinlich durch
die Folgezeit und die in ihr gemachten Entdeckungen wieder umgestossen werden würde. Der Mangel an Ur-
kunden, die bedeutenden Lücken in unserer Kenntniss der verschiedenen Kunstwerke und die kleine Zahl von
Forschungen und Beobachtungen über diesen Gegenstand sind eben so viele Gründe, die für jetzt noch die
Ausführung einer das Ganze umfassenden Arbeit unmöglich machen.

Wir denken hier nicht entfernt daran, auch nur eine solche versuchen zu wollen; es handelt sich
hier nur isolirt einen der vielen Zweige monumentaler Holzsculptur zu behandeln, der bei dem Schmuck
religiöser Baudenkmäler sein Wachsthum gefunden hat. In einem unserer früheren Aufsätze haben wir
schon die berühmten, in jeder Hinsicht so merkwürdigen Chorstühle von Amiens besprochen ^ die eines
der wichtigsten Beispiele der Meublessculptur bilden. Jetzt haben wir es mit einer anderen Kathegorie
desselben Kunstzweiges zu thun, wir müssen zwei Beispiele von Thürverzierungen, d. h. zwei Beispiele
decorativer Sculptur vorführen.

Um einen so wichtigen Gegenstand mit passender Gründlichkeit zu behandeln, müsssten wir mit
einer Geschichte der Thüren in allen Zeiten beginnen, wir müssten sodann von den verschiedenen Ver-
änderungen, die ihre Form erfahren, handeln, und drittens auf eine Prüfung der Natur der verschiedenen
zu ihrer Herstellung in Anwendung gekommenen Materialen uns einlassen. Aber eine solche
Arbeit würde, wenn sie vollständig sein sollte, sehr weitläufige Entwicklungen erfordern, die bei
Weitem die diesem Aufsatze gesteckten Gränzen überschreiten würden. So werden wir denn liier allein
unsere Aufmerksamkeit auf die Thür, wie sie im XV Jahrhundert gestaltet war, richten müssen, welcher
Zeit nahe zu die beiden Beispiele von Thürflügeln angehören, die wir auf unserer Bildtafel dargestellt finden.,

Diese beiden Beispiele haben, ohne dass sie ihrer Wichtigkeit nach in die Kathegorie der Haupt-
werke monumentaler Holzsculptur gehören, nichts desto weniger ein gewisses Interesse; hier schliefst die
Kunst des Tischlers, des maistre huchier, wie man damals sagte, ganz den Theil aus, der gewöhnlich für
den Bildhauer in Holz reservirt war, was bei gewissen Thüren nicht der Fall ist, deren Füllungen, Rahmen-
und Leistenwerk ganz mit Basreliefs geschmückt sind. Uebrigens ist es eine Thatsache, die man im
Mittelalter oft bemerkt, dass gewisse Künste unter sich in so enger Verbindung stehen, dass man manch-
mal nicht mit Bestimmtheit angeben kann, wo eine Kunst aufhört und die andere beginnt; um zu einer
gründlichen Erkenntniss dieser Sache zu gelangen, müsste man ganze Reihen von Monumenten mit
Sorgfalt und Ruhe studiren können, bei welchen man die verschiedenen Phasen und Umwandlungen einer
Technik von ihrem Ursprünge bis zu dem Zeitpunkte zu erfassen suchen müsste, wo man sie mit einer
andern combinirt sieht, die sie zu ihrer Hülfe bei der Instandsetzung oder zur Vollendung eines Werkes
herbeirufen zu müssen glaubte.

Von diesen beiden Beispielen von Thüren sieht man die zur Linken in einer Kapelle, die hinter dem
Hauptaltar der Abteikirche St. Alban liegt, worin sich einst der Kasten mit den Reliquien dieses Heiligen

Denkmäler der Baukunst. CXXXTII. Lieferung.
 
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