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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0056
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Die St. lorenzkircle in Nürnberg.

An der Stelle, auf der sich heute die St. Lorenzkirche in Nürnberg erhebt, befand sich vor dem
Jahre 1140 eine Kapelle, zum heiligen Grabe genannt. Dieselbe lag damals ausserhalb der Stadt, welche
sich zu jener Zeit nur am rechten Ufer der Pegnitz hinzog. Als aber mit der ersten Erweiterung Nürn-
bergs zur Zeit Kaiser Konrad's III. im Jahre 1140 auch die Seite am linken Ufer der Pegnitz — wo sich
damals nur einzelne Häuser und Hofanlagen befanden — mit zur Stadt gezogen und bis zum weissen
Thurme in die Ringmauer eingeschlossen wurde, mochte sich wohl das Bedürfniss nach einem grösseren
Gotteshause geltend machen, und es wurde um das genannte Jahr eine grössere Kirche mit einem Thurme
erbaut, von der es zweifelhaft ist, ob dazu die Kapelle zum heiligen Grabe benutzt und dieselbe zu einer Kirche
erweitert worden, oder ob diese neue Kirche neben der alten Kapelle erbaut worden sei. So viel ist aber
gewiss, dass diese neue grössere Kirche schon um das Jahr 1162 den Namen des heiligen Lorenz"-) geführt hat.

Die Chroniken erzählen uns, die Grafen von Nassau hätten diese Kirche um das Jahr 1140 erbauen
lassen^ und weiter, dass im Jahre 1274 ein Graf Rudolph von Nassau, der kaiserlicher Hofrichter gewesen
sei, diese Kirche habe wieder abbrechen und an deren Stelle eine grössere habe bauen lassen; das schöne
Portal mit dem Stern sei im Jahr 1280 vollendet worden, den älteren mitternächtlichen Thurm aber habe
Adolph von Nassau, der nachmalige Kaiser, im Jahre 1283 erbaut.—Es ist indess historisch erwiesen,'")
dass die Grafen von Nassau vor dem Ende des XIII Jahrhunderts weder in Nürnberg noch in dessen
Umgegend ansässig waren, und dass der nachherige Kaiser Adolph von Nassau eben so wenig in Nürnberg
seinen Wohnsitz hatte. Vielleicht knüpft sich diese ganze Sage an einen gewissen Grafen Emich
von Nassau, der mit Anna, der Tochter Friedrichs III, des Burggrafen von Nürnberg, vermählt war und
der vom Jahre 1326 an bei St. Lorenzen wohnte; nach ihm wurde jenes dort gelegene hohe thurmähnliche
mit Zinnen und Eckthürmchen gekrönte Gebäude, das mit den Wappen der sieben Churfürsten und dem
deutschen Reichsadler geschmückt ist, auf Grund jener Nachricht für seinen Wohnsitz gehalten und „Haus
Nassau" genannt. Vielleicht wirkte dieser Graf Emich für den Fortbau der St. Lorenzkirche und sein
Verdienst um dieselbe wurde auf den als deutschen Kaiser bekannteren Adolph von Nassau übertragen.

Wenn auch höchstens das grosse westliche Portal der St. Lorenzkirche aus der Zeit zwischen 1274
und 1280 herrühren kann, so wird doch die grosse Fensterrose darüber und der reichgeschmückte Giebel
des Hauptschiffs — welche den deutschen Baustyl in seiner elegantesten und reichsten Entfaltung zeigen —
in eine spätere Zeit und in die erste oder gar zweite Hälfte des XIV Jahrhunderts zu setzen sein, was
auch mit einer andern Nachricht zusammenstimmt, die die Beendigung des Portalbaues im Jahre 1332
geschehen lässt. Die Dome von Prag und Erfurt (der erstere wurde angefangen 1343 und beendet 1385,
der zweite 1349 gegründet und 1353 beendet), und besonders die Frauenkirche in Nürnberg (erbaut von
1355 bis 1361) bieten in ihren Details Analogieen mit denen der Westfa§ade unserer Kirche dar. Nach
einer Chronik soll der ältere nördliche Thurm auf Kosten einer Wittwe, deren Name unbekannt, gebaut
oder zu bauen angefangen worden sein. Der südliche Thurm wurde vom Jahr 1400 bis 1403 erbaut.
In letzterem Jahr begann auch die Erweiterung der Kirche, und endlich von 1439 bis 1477 ward der Chor
oder vielmehr der im Aeusseren stark markirte östliche Theil des Langhauses nebst dem Chor grösser
gebaut nach den Zeichnungen des Werkmeisters Konrad Roritzer von Regensburg. •"'•"••') Den Bau leitete
anfangs Konrad Heinzelmann und nach ihm des ersteren Vetter Hans Bauer von Ochsenfurt. Es scheint

während dieses Baues öfter an Geld gefehlt zu haben. Das Concilium zu Basel erliess 1440 wegen des
Weiterbaues eine Bulle, und der Nürnberger Rath erwählte aus seiner Mitte eine Commission, die über
die Beschaffung der zum Bau nöthigen Gelder berathen sollte. Es wurden nun zu diesem Bau.;, welcher
von 1439— 1464 eine Summe von 13,310 Gulden damaliger Währung gekostet hatte, viele Beiträge be-
sonders von der patricischen Familie der Pirkheimer gestiftet; so wurde denn nach 38 Jahren endlich
dieser Bau zu Ende gebracht, und Ostern 1477 zum ersten Mal nach seiner Erweiterung der Gottesdienst
darin gefeiert. Die reich geschmückte sogenannte BrauttMir mit ihrer davor gelegenen zierlichen Halle
am Anfang des Chores wurde im Jahre 1502 erbaut; aus derselben Zeit ist wahrscheinlich auch die ihr
gegenüber liegende an der Nordseite der Kirche befindliche Sacristei, die dieselbe Architectur wie jene
zeigt. Die achtseitige Pyramide des nördlichen Thurmes wurde im Jahr 1498 gerüstet und mit vergoldetem

*) Der heilige Laurentius war Archidiaconus des Pabstes Sixtus II. um das Jahr 250.

**) durch Siebenkees.

'*) Von einem Matthias Roritzer, der sich „Tvmbmeister von Regensburg11 nennt, besitzen wir eine Schrift aus dem Jahre i486
über die Verzeichnung der „Winperge und Fialen," die Heideloff in seiner Bauhütte des Mittelalters in Deutschland hat
abdrucken lassen. L. L.

Denkmäler der Baukunst. LXIII. Lieferung.
 
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