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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0176
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Der Dom Santa Maria del Fiore in Florenz.

Auf der Stelle des heutigen Domes von Florenz stand vor dem J. 1294 die kleine Kirche Santa
Repa rata, die wahrscheinlich im VIII. Jahrhundert gegründet, um das J. 1128 zum Dome von Florenz
gemacht worden. Dieselbe war wahrscheinlich eine romanische Basilika mit Holzdecke und von massiger
Grösse.*) Am Ende des XIII. Jahrhunderts genügte diese als Hauptkirche für das reichbevölkerte Florenz
nicht mehr, das damals, nach endlichem Siege der Volkspartei im J. 1292 über die Fremden- und Adels-
partei der Weifen, die lange an der Spitze der florentinischen Republik gestanden, eines segenreichen
Friedens genoss, indem der durch häufige Unruhen früher unterbrochene Handel aufs Neue blühte und sich
fast über alle Länder der Christenheit erstreckte. Die Republik Florenz stand damals in der schönsten
Blüthe ihrer staatlichen wie bürgerlichen Kraft, sie lebte, mit dem florentinischen Geschichtschreiber
Villani zu reden, damals ihr goldenes Zeitalter. Zeugnisse dieser Blüthe sind die grossartigen Mauern
und Thore der Stadt, der Palast der Republik (heute Palazzo vecchio genannt), die Halle der Signoria
(Loggia de' Signori, heute Loggia de' Lanzi), der Kornspeicher (heute Kirche Or San Mchele), der
Tabernakel Orcagna's in der genannten Kirche, das Bigallo, und viele andere Palläste und kleinere Kirchen,
vor Allem aber der Dom Santa Maria del Fiore und sein Campanile oder Glockenthurm.

Im J. 1294 beschloss der Senat der florentinischen Republik einmüthig den Bau eines neuen Domes
und sprach sich in einem hierauf bezüglichen Decrete von demselben Jahre also aus : „In Erwägung,
dass die grösste Klugheit eines Volkes von grossem Ursprünge darin bestehe, in seinen Unternehmungen
so zu verfahren, dass man aus seinen öffentlichen Werken eben so sehr sein weises wie sein hochherziges
Handeln erkenne, wird Arnolfus, der Baumeister unsers Gemeinwesens, beauftragt für den Wiederaufbau
der Kirche S. Reparata ein Modell, d. i., einen Bauplan zu entwerfen, und zwar in jener höchsten und
erhabensten Grossartigkeit, die nicht grösser und schöner erfunden werden kann von der Kunst und Macht
der Menschen. Denn von den Einsichtigsten dieser Stadt ist in öffentlicher und privater Versammlung
berathen und beschlossen worden, dass die Werke des Gemeinwesens nicht anders als nach einem Entwürfe zu
unternehmen seien, welcher geeignet ist, sie einer Gesinnung entsprechend zu machen, die zur Alier-
erhabensten wird, weil sie aus den Gesinnungen vieler Bürger besteht, die sich zu einem einzigen Willen
verbinden; und dieses musste um so viel mehr geschehen, als die Beschaffenheit jener Hauptkirche
erwogen wurde." (Aus dem Buche der Verbesserungen, mitgetheilt in Richa's Chiese Florentine, Thl. VI).

Arnolfo da Colle "■'"•) entwarf also nach dem Willen des Senates den Bauplan zum neuen Dome, der
ganz den Intensionen desselben von der Grösse und Pracht des zu erbauenden Gotteshauses entsprach:
eine dreischiffige gewölbte Kreuzkirche, deren Mittelschiff 34 florent. Braccia (58g rheinl. Fuss) Achsen-
weite hatte, über der sich eine Kuppel von 78 Braccia (135 Fuss) Diagonalweite wölben sollte, Dimensionen , die
damals für eine gewölbte Kirche noch nie so grossartig gewählt worden waren und nur bei S. Peter in
Rom später um Einiges überboten wurden! — Am 8. September 1296, als dem Feste der Geburt der
Jungfrau Maria wurde der Grundstein des neuen Domes mit grosser Feierlichkeit von dem Cardinal-Legaten
Latino Orsini gelegt, im Beisein mehrerer Bischöfe, des Clerus, des Podesta und der anderen Magistrate der

Stadt, so wie einer

[enge Volks,

das sich zu dieser Feierlichkeit eingefunden hatte.

das Wappen der Stadt Florenz (rothe Blume im weissen Felde) wurde ihm der Name

Mit Bezug auf
Santa Maria del

Fiore" gegeben.

Um zu den Kosten des Baues beizutragen, wurde auf jedes Pfund aller auszuführenden Waaren eine
Auflage von vier Denaren gelegt und auf jeden Kopf eine jährliche Steuer von zwei Soldi erhoben. Die
Verwaltung des Baues und der bewilligten Baugeldev fiel einer eigens hierfür organisirten Corporation, der
Opera di Santa Maria del Fiore anheim, und die Oberaufsicht über dieselbe wurde von der Republik der

*) Von dem Aussehen dieser Kirche giebt eine alte Malerei in einer Lünette des Klosterganges von S. Croce in Florenz eine
schwache Andeutung (mitgetheilt in den Chiese florentine des Padre Richa. Florenz 1757.)
**) Vasari nennt denselben in seiner Lebensgeschichte als den Sohn eines Lapo oder Jacopo Tedesco, der in Assisi S. Francesco
erbaute und ein aus Deutschland berufener Baumeister war. Padre Richa hat hingegen in seinem Werke über die floren-
tinischen Kirchen aus dem Buche der Verbesserungen, bezeichnet K, nachgewiesen, dass Arnolfo der Sohn eines Cambio
da Colle di Valdelsa war. In dem Bestallungsbriefe des Arnolfo als Baumeister des. Domes heisst er Arnolfus de Colleßl.
qnondam Camhii. In einem Briefe König Karls von Anjou vom Jahre 1277, —■ aufbewahrt in den Archiven der Cancellaria
von Perugia und von Mariotti in den lett. perug. abgedruckt — wird er einfach Mag. Arnulfus de Florentia genannt. „Jedoch
— fügt jener Schriftsteller bei — könnte man vielleicht sagen, dass jener Lapo, den Vasari als Vater Arnolfo's angiebt,
wirklich aus Deutschland gekommen ist, und nachdem er sich in Colle niederliess, einen Sohn hatte, der Cambio hiess, von
welchem dann Arnolfo erzeugt wurde; und dies Hesse sich um so mehr annehmen, da von jenem Lapo in Florenz ver-
schiedene Bauten, wie die Brücke Rubaconte und alla Caraia, und der Palast des Podesta (jetzt Gefängniss) im Auftrag
der Republik gebaut worden."

Denkmäler der Baukunst. XCIll. Lieferung. SDöm t)0ii Storni; 1.
 
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