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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0075
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Die Orgel fles Sirassbnrger Munsters.

Man spricht allgemein von der Orgel, die an Pipin durch einen griechischen Kaiser gesandt worden,
als eines der ältesten Instrumente dieser Art, die man anführen könne; dies ist aber ein grosser Irrthum,
denn die Erfindung der Orgel steigt in eine weit frühere Zeit hinauf; vermuthlich war die Orgel, die Pipin
besass, von schönerem und kräftigerem Ton als die waren, die man zu seiner Zeit gewöhnlich hatte, und
sie gewann dadurch den unverdienten Ruf, die älteste ihrer Art gewesen zu sein. Die Orgel, die gewiss
der Syrinx oder Panflöte,- deren Gebrauch in das höchste Alterthum hinaufreicht, ihre Entstehung verdankt,
war schon den Alten bekannt, wie zahlreiche historische Zeugnisse beweisen. Heron zum Beispiel, der ein
Schüler des Ktesibius von Alexandrien war und im zweiten Jahrhundert vor Christus lebte, hat uns eine
lange Beschreibung von dem Mechanismus gegeben, den sein Lehrer erfand um die Orgel mittelst des Wassers
tönen zu lassen, eine Erfindung, die dieser Orgel den Namen Wasserorgel, Hydraulos (von v8mq Wasser und
avlog Flöte) eintrug. Die Wasserorgel hatte die Gestalt eines kleinen Altars; Vitruv beschreibt sie im 13. Capitel
des X. Buches seines Werkes „de architectura." Die ausschliesslich pneumatische Orgel scheint erst gegen
das vierte Jahrhundert bekannt geworden zu sein. In einem Epigramm des Julian findet man von ihr die
erste Beschreibung, üebrigens kennt man nur sehr wenig das System der alten Orgeln, der hydraulischen
sowohl wie der pneumatischen, und eben so wenig das einer Dampforgel, von der Wilhelm von Malmes-
bury, ein englischer Mönch des zwölften Jahrhunderts spricht.

Der Dichter Fortunat, am Ende des fünften Jahrhunderts, erwähnt der Orgel als eines musikalischen
Instruments, dessen man sich zur Begleitung der menschlichen Singstimme bediente, und um das Jahr 600
führte der Pabst Yitallian durch ein Decret den Gebrauch der Orgel in die Kirchen ein. Dieses letztere
Factum ist bezeugt, nicht so dasjenige, dass im X und XI Jahrhundert die Kunst Orgeln zu bauen durch
ganz Europa verbreitet war. In damaliger Zeit wurde diese Kunst allein in den Klöstern cultivirt, und der
grösste Theil der Verbesserungen im Bau der Orgeln verdankt man Mönchen. Ein Pabst sogar, Sylvester II,
mehr bekannt unter den Namen Gerbert, fand es nicht unter seiner Würde sich mit dem Orgelbau zu be-
schäftigen und man verdankt ihm mehrere Verbesserungen in demselben
mit der mehrere Concilien die Functionen und die Pflichten der Organisten bestimmten,
keit man darein setzte, dass der Orgeldienst auf eine angemessene Weise besorgt wurde
mit Recht, dass der Ton der Orgel das Volk zur Andacht stimmte.
Zeit ihren Gebrauch verbannt, und die von Lyon z. B. hat ihn noch bis in jetziger Zeit untersagt. Aber
dies war nur eine Ausnahme, und es ist nicht zweifelhaft, dass die Orgeln in den Kirchen des Mittelalters
allgemein eingeführt waren. )

Die erste Orgel, die der Münster in Strassburg besass, wurde im Jahre 1260 durch einen Dominikaner-
mönch, Namens Ulrich Engelbrecht aufgestellt. Dieser Mönch war aus einer edlen Familie des Elsass ent-
sprossen und ein Schüler des Albertus Magnus. v";) Er trat schon als Jüngling in ein Kloster des Dominikaner-

und starb daselbst im Jahre 1280; er hat mehrere Werke über theologische
Am 15. August 1298 wurde Strassburg von einer schrecklichen Feuersbrunst
heimgesucht; auch der Münster wurde davon ergriffen, indem das Feuer durch das Seil eines Krahns, das
zum Hinaufziehen von Bausteinen bestimmt war, auf ihn übergeleitet wurde; die Orgel wurde grossentheils
zerstört. Im Jahre 1326 baute man sie von Neuem und benutzte dabei die Trümmer, die das Feuer davon
übrig gelassen hatte. Im Jahre 1329 war sie fertig und ihr Neubau hatte 500 Livres gekostet. Am 17. März 1384
hatten die Arbeiter, die an dieser Orgel einige Reparaturen zu machen hatten, aus Nachlässigkeit eine Kohlen-
pfanne, die sie bei ihrer Arbeit gebraucht hatten, stehen lassen; das Feuer kam in der Nacht aus und war
so heftig, dass es nicht allein die Orgel verzehrte sondern auch das Blei vom Dache, vom Thurme an bis
zum Chor, schmolz. Im Jahre 1385 wurde die verbrannte Orgel durch eine andere ersetzt, die tausend Livres
kostete; alle Pfeifen derselben waren im Jahre 1434 gewechselt worden. Diese Arbeit wurde durch Michel
Grolach von Lypss ausgeführt, der Organist Peter Gereis half ihm dabei, um Neujahr wurde sie vollendet
und kostete 530 Livres.

üebrigens beweist die Sorgfalt
wie grosse Wichtig-
Der Clerus glaubte
Indessen hatten einige Diöcesen lange

ordens zu Strassburg ein,
Gegenstände hinterlassen.

*) Ausser den grossen Kirchenorgeln fabricirte man auch eine Menge tragbarer Orgeln, die nicht immer zu religiösen Zwecken
bestimmt waren. Sculpturen und Gemälde aus dem Ende des XIII Jahrhunderts bieten eine Menge von Muster dar. (M. s.
eine der Detailstafeln zu unserem Aufsatze über die Chorschranken der Notre-Dame in Paris.)

**) Albert mit dem ehrenden Beinamen Magnus war Mönch und Lesemeister im Dominikanerkloster zu Köln, als Philosoph,
Mathematiker, Mechaniker und Architekt seiner Zeit sehr berühmt. Er wurde 1260 Bischof von Regensburg, legte aber
nach einigen Jahren diese Würde wieder nieder und kehrte in sein Kloster nach Köln zurück. Die Sage schreibt ihm den
Entwurf zum Kölner Dome zu. (M. s. unsern Aufsatz über dieses Baudenkmal.)

Denkmäler der Baukunst. CXXXI. Lieferung.
 
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