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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0134
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Der Lettner der Magdalenenkirche in Troyes.

Die Geschichte der Lettner steht mit der der Ambonen, der Kanzeln und der Chorschranken in so
genauem Zusammenhang, dass man, wenn von der einen die Rede ist, auch die der anderen nicht unbe-

sei es uns erlaubt, etwas

Ehe wir aber eine historische Deduction des Lettner geben,

rührt lassen darf.

von der Einrichtung der alten christlichen Kirche zu sagen.

Die alte Kirche wird von den alten Kirchenschriftstellern selber in drei Hauptabtheilungen geschieden,
in den Pronaos oder die Vorhalle (die auch mit dem Namen vuQ&rfe oder in der Mehrheit vao&rjxeg genannt
wird), in den Naos oder das Schiff und in das Bema oder den Chor. Der Pronaos war zum Aufenthalt für
die Büssenden und Excommunicirten, der Naos für die Gemeine, das Bema für die Priester bestimmt;
letzteres führte seinen Namen (jb ß^ua s. v. a. Bühne, Tribüne) daher, weil es um einige Stufen über dem
Boden des Schilfes erhoben war, und wurde als der für die Priester bestimmte Raum bei den römischen
Christen presbyterium genannt; in ihm befand sich der heilige Tisch oder der Altar mit seinem auf Säulen
ruhenden Schirmdache oder Ciborium darüber, der Synthronos oder die Sitze der höheren Geistlichen mit
der Kathedra oder dem Throne des Bischofs; es war das Allerheiligste, wo die uym %wv ayimv geschehen,
die heilige dem Nichtpriester unbetretbare Opferstätte Cd'voiaarrjQiov'), weshalb sie auch das Hierateion und
das Adyton genannt wird, nach ihrer runden Form und gewölbten sphärischen Decke aber auch Apsis und
Concha heisst.

Vor dieser Priestertribüne breitete sich eine andere minder hohe für die niedere Geistlichkeit aus, die
in Diaconen (Diener), in Subdiaconen, in Anagnosten oder Lectoren, in Hymnoden oder Cantoren, auch
Psaltae oder Psalmistae genannt, getheilt werden. Diese minder hohe Tribüne führte den Namen Solea,
ein Name, der mit dem lateinischen solum und solhvm zusammenhängend, sich aus der Sache erklärt; "'•')
wir können ihn füglich mit Unterchor übersetzen. Das höhere Bema war von der niedrigeren Solea durch
Schranken getrennt, die bei den Kirehenschriftstellern te^ao myalbdsg (die heiligen Schranken), zäyxelog tov
IsQarsiovj xayxsXog tov dvaiaoT^lov, eoy.og (Gehege), dovqpuxTa oder §Qv(puv.Toi, diaaroXui^ endlich auch mit Bezug
auf ihre Form xlovlu, r\xoi aTrjSea tu diooi&vra rb ß^fxa uno tov Xomov vaov („Kionien oder Säulenschranken,
die das Bema vom übrigen Schiff der Kirche trennen") beim Germanus, Patriarchen von Constantinopel
genannt werden, der ausserdem bemerkt, dass sie gewöhnlich in Erz gegossen waren. Sie waren häufig
mit Sculpturarbeiten und Statuen der Propheten, Christi und der Maria, der Apostel und Heiligen geschmückt,
und haben sich unter dem Namen der Ikonostaden noch in der griechischen Kirche erhalten. Diese Schranken
haben Thüren, die uyiai Svqcu, heilige Thüren und xayv.sXo'dvyideg genannt werden, weil sie den Priestern den
Zugang zum Altarraum gewährten und gegittert waren; durch Vorhänge an den Thüren (velothyra) wurde
das letztere dem Blick verschlossen.

In der Solea stand der Ambo, die Kanzel der alten Kirche. Das Wort ambo, griechisch a^ßoiv, bedeutet
einen erhöhten Ort und hängt wahrscheinlich mit uußaivsiv und avaßaivuv zusammen. Die Arnbonen waren
Lesepulte, die auf einer Tribüne befestigt waren, mehrere Stufen führten zu ihr hinauf. Der Ambo heisst
daher auch graduale, suggestum, analogium oder lectorium, pluteus und pulpitum, und Silentiarius nennt ihn
in der poetischen Beschreibung der Sophienkirche nvoyog, axTjQaGiovoiv anöxoiTog rj'-öecr^ ßißXmv („ein Thurm,
bestimmt zum heiligen Sitze der Bücher"). Der Ambo steht dem Bema gegenüber; der h. Germanus sagt:
b a^ßojv TtQo TTjg SvQug tov ßr'jfiuTog („Der Ambo vor der Thür des Bema"). Zuweilen sind auch in den
Kirchen zwei Ambonen vorhanden und stehen zu beiden Seiten des TJnterchores; alsdann war der linke
oder nördliche zur Lesung des Evangeliums, der rechte oder südliche zur Lesung der Epistel bestimmt.
Doch ist dies nicht immer ganz strenge beobachtet worden. *"*) Der Ambo hatte gewöhnlich zwei Treppen,
einen gradus ascensionis und descensionis, wie der Bibliothekar Anastasius sie nennt, auf der einen stieg der
Lector hinauf, auf der anderen herunter. Sind zwei Ambonen vorhanden, so unterscheidet sich der Epistel-

ambo von dem Evangelienambo dadurch, dass er nur eine Treppe hat.

Im Allgemeinen bot die Tribüne

des Ambo keinen grossen Baum dar, doch muss der Ambo der Sophienkirche in Constantinopel grösseren
dargeboten haben, da auf ihm Homilien gehalten wurden und die Krönung des Kaisers darauf statt fand.

*) Wir glauben in der Bestimmung dieses zweifelhaften Ausdrucks nicht zu irren; die Solea war eben nur etwas, etwa um
eine Stufe über dem Boden des Schiffs erhoben. Noch heute heisst bei den Italienern was etwas über dem Boden her-
vorragt söglia, wie schon Ducange beibringt. — Bei der byzantinischen S. Sophia wird noch eines Diaconicums erwähnt
und bezeugt, dass die kleine südlich gelegene Koncha im Osten der Kirche so genannt worden sei. Es war der Ort, der
für die Diaconen speziell bestimmt war, wodurch diese wieder vor den Subdiaconen und Lectoren, die die Solea einnah-
men — weshalb diese auch ßrjpa twv avayvcoGTOJV heisst — ausgezeichnet wurden. L. L.

**) In den Basiliken S. Maria in Gosmedin und in der sogenannten bocca clella veritä zu Rom steht der Epistelambo links und
der Evangelienambo rechts.

Denkmäler Anr Baukunst. XIV. Lieferung. ßethier b. SWngbal. Ä. 3« £roiK$ 1.

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