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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0147
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Das Hans des Jacpes Coeur in Bonrges.

Zu den hervorragendsten Persönlichkeiten des fünfzehnten Jahrhunderts gehört Jacques Coeur, ein
Bürger von niedriger Herkunft, der durch sein Verdienst zu den höchsten Staatsämtern emporstieg, und
dies zu einer Zeit, wo vornehme Geburt allein dazu berechtigte. Dieser geistvolle Mann erschuf den
Seehandel Frankreichs und wusste dabei auf ehrenvolle Weise ein so beträchtliches Vermögen zu erwerben,
dass er zur Befreiung seines Vaterlandes beitragen konnte, indem er auf seine Kosten vier Armeen zu
gleicher Zeit erhielt. Die Nachkommen sind nicht gerecht gegen diesen berühmten Emporkömmling ge-
wesen, sie hätten ihn unmittelbar hinter Jeanne d'Arc setzen müssen, denn das Schwert der Jungfrau von
Domremy wäre vielleicht machtlos gewesen, die Engländer von dem Boden Frankreichs zu vertreiben,
ohne die weise Sparsamkeit und die patriotischen Opfer dieses Mannes, den später Karl VII mit derselben
Undankbarkeit, die er gegen die heilige Befreierin seines Volkes bewiesen hatte, der Raubgier seiner
Höflinge überliess.

Jacques Coeur war der Sohn eines Kürschners oder nach Andern eines Goldschmieds in Bourges.
Er betrieb ohne Zweifel Handelsgeschäfte wie sein Vater, als seine Einsicht und Talente die Aufmerk-
samkeit Karls VII erregten, der vor den Eroberungen der Engländer sich in die Hauptstadt Berry's hatte
flüchten müssen. Dieser Fürst stellte ihn bei der Münze an, deren Director er sodann wurde; zuletzt
machte er ihn zum argentier der königlichen Gelder, ein Titel, der dem eines Oberintendanten der Finanzen
etwa gleichkommt. Coeur hörte in seiner neuen und glänzenden Stellung nicht auf Handelsgeschäfte zu
betreiben, denen er „sein Glück verdankte; seine Schiffe durchzogen nach wie vor die Meere und drei-
hundert Factore halfen ihm die Produkte Europa's gegen die Seide und Gewürze des Orients aus-
tauschen. Immer glücklich in seinen Unternehmungen wurde er vom Könige im Jahre 1440 in den Adelstand
erhoben'-) und zu mehreren wichtigen politischen Missionen verwendet. Vermuthlich ergriff Jacques Coeur
auch jener Schwindel der Macht, dem selten die entrinnen, die aus niederem Stande sich zu hohen Wür-
den erheben. Er entwickelte in seinem Haushalt eine ausserordentliche Pracht, die den Stolz der Herren
des Hofes verletzte, ihren Hass aufregte und Coeurs Fall herbeiführte.

Die grossen Dienste, die Coeur in der That dem Lande erwiesen — er hatte z. B. dem Könige zur
Zeit des Feldzuges in der Normandie ein Geschenk mit zweimal hundert Tausend Thalern in Golde ge-
macht — brachten diese Herren wenig in Anschlag, sie sahen in dem glänzenden Argentier des Königs
nur einen unwürdigen Emporkömmling, der zu ihrem Vortheil seiner grossen Reichthümer beraubt werden
müsse.*") Man fädelte zu diesem Zwecke eine Intrigue ein. Coeur wurde einer Menge von Verbrechen
angeklagt: er sollte Agnes SoreL die ihn zu ihrem Testamentsvollstrecker ernannt hatte, vergiftet, er sollte
Münzen verfälscht und sich Erpressungen erlaubt haben; auch wurde er angeklagt, dass er den Türken
Waffen geliefert habe, endlich suchte man noch seine Beziehungen zu dem Dauphin, dem nachmaligen
Ludwig XI, dem Könige verdächtig zu machen. Letzterer ernannte ihn zu richten eine Specialcommission,
die aus den Feinden des unglücklichen Argentiers zusammengesetzt war. Sein Prozess ist einer von den
Schandflecken, deren die Geschichte der Justiz viele aufzuweisen hat. Man verweigerte ihm die Verthei-
diger und gestattete ihm nicht einmal, dass die von ihm erwählten Zeugen gehört wurden. Davon, dass
er an dem Tode der Agnes Sorel keine Schuld habe, wusste er sich zu reinigen, musste sich aber bei
der Unmöglichkeit, in die man ihn versetzt hatte, für die übrigen Anklagen Beweise seiner Unschuld bei-
zubringen und bei der Drohung, dass man bei ihm die Folter anwenden würde, der Discretion seiner
Richter überlassen. Am 19. März 1453 wurde er für schuldig erklärt, welche Erklärung die Todesstrafe
in sich schloss. Der König aber erliess ihm dieselbe auf Bitten des Pabstes, und verurtheilte ihn zu
einer ansehnlichen Geldstrafe, zur Confiscation seiner Güter und zu ewiger Verbannung. Jacques Coeur
musste an den königlichen Schatz 400,000 Thaler in Gold zahlen, seine Güter wurden confiscirt und
wanderten zum grossen Theil in die Hände des Marquis von Chabannes und in die eines anderen Elenden,
der die Seele des Complotts gewesen war. Der Rest seines Vermögens aber wurde unter seine Richter
vertheilt.

Das Urtheil wurde nicht vollständig an Jacques Coeur vollzogen; er wurde nicht verbannt, sondern
in das Franziskanerkloster zu Beaucaire eingesperrt. Mit Hülfe eines seiner Handlungsgehülfen, Jean de
Village's, der seine Nichte geheirathet hatte, gelang ihm die Flucht nach Rom, wo Pabst Calixtus III

*) Coeurs Wappen gehört zu denen, die man sprechende nennt; es hatte im blauen Felde eine goldene Binde mit drei gol-
denen Muscheln, als Anspielung auf seinen Schutzpatron, den H. Jakob den Pilger, und drei rothe Herzen als Anspielung
auf seinen Namen.

'*) Jacques Coeur's Reichthum war sprüchwörtlich, man sagte: „Reich wie Jacques Coeur."

Denkmäler der Baukunst. CXXXV. Lieferung.
 
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