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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0093
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Die Kirche des heiligen Ilotolph zu Boston.

Die Pfarrkirche von Boston in der Grafschaft Lincoln ist lange berühmt durch ihre Grösse, durch
die sie alle anderen Kirchen ähnlichen Styls in England übertrifft; sie ist ferner nicht minder bewunderns-
werth wegen ihres prächtigen Glockenturms, der sich mitten in der Ebene, in der die Stadt liegt, mit
wahrhaft seltener Majestät und Zierlichkeit erhebt. Die Kirche ist dem heiligen Botolph geweiht, jenem
berühmten Abt des VII Jahrhunderts, dessen Andenken die Engländer grosse Verehrung zollen, wie die
zahlreichen frommen Stiftungen beweisen, die seinen Namen tragen. Es gab vor Alters zu Boston eine dem
heiligen Johannes geweihte Kirche, von der die des Sanct Botolph nur ein Anhängsel (a chapel of ease)
war. Die Kirche Sanct Johannes besteht schon seit langer Zeit nicht mehr, aber der zu ihr gehörige
Begräbnissplatz besteht noch immer; zur Zeit Leland's, im XVI Jahrhunderte, stand sie noch, aber wie
er selbst sagt, die Grösse und der reiche Schmuck der Sanct Botolphs Kirche machte diese zur ersten
Kirche der Stadt.

Die St. Botolphs Kirche wurde der grossen Marieen-Abtei zu York von dem Grafen von Bretagne
Alan Rufus unter der Regierung Wilhelms des Eroberers geschenkt, und blieb unter dem Patronat des
Abtes und des Klosters bis zur Regierung Eduards IV, wo die Mönche sie als theilweisen Ersatz für
einen gewissen Grundzins, den sie an das Herzogthum Lancastre zu zahlen verpflichtet waren, cedirten.
Die Johanniter-Ritter von Jerusalem erhielten sie bald nach diesem Könige für einige in der Grafschaft
Leicester belegenen Ländereien; dieselben erlangten auch, dass die Pfarrei verpflichtet wurde für die
schweren Lasten aufzukommen, die sie ursprünglich selber zu tragen hatten, als das Gastrecht gegen
Reisende zu üben, die Conventualkirche mit ihrem Glockenturme in gutem baulichen Stande zu erhalten,
die verschiedenen Priester und Cleriker zur Celebrirung des Gottesdienstes zu unterhalten, u. s. w. Man
gründete zu diesem Ende ein Vicariat mit einer Rente von fünfzig Mark, das auch den Niessbrauch des
nahe bei der Kirche gelegenen Hauses oder Presbyteriums erhielt, das früher zur Pfarrei gehörte. Jetzt
ist die Bürgerschaft und der Magistrat Patron der Kirche und auf ihn ist zur Zeit der Aullösung der
Klöster das Recht übergegangen die Geistlichen zu wählen.

Der grösste Theil der Schriftsteller, die von der Kirche zu Boston gesprochen haben, haben nach
Stukeley folgende, auf die Gründung des Glockenturmes bezügliche Stelle citirt, die auf einem von
W. Stennitt dem Jüngeren gefertigten Kupferstiche aus dem Jahre 1715 copirt, authentisch sein soll:
„Westliche Ansicht der Kirche und des Glockenthurmes zu Boston. Die Grundarbeiten wurden am
Montag nach Palmarum 1309, im dritten Jahre der Regierung Eduards II, mit einer grossen Zahl von
Erdarbeitern begonnen und bis zur Mitte des folgenden Sommers fortgesetzt, wo die Arbeiten eine um
fünf Fuss grössere Tiefe, als der Hafen hat, erreicht hatten. Man fand damals ein Steinlager auf einer
Sandschicht, und zuletzt ein Thonlager, dessen Dicke nicht bestimmt werden konnte. Am Montag nach
St. Joannis, des Täufers, Tag wurde der Grundstein durch Frau Margery Tilney gelegt, worauf sie fünf
Pfund Sterling zum Bau schenkte. Sir John Truetdale, damals Pfarrer zu Boston, gab auch vier Pfund,
und Richard Wevenson schenkte fünf Pfund dazu her, und dies waren alle Gaben, die damals zu dem
Kirchenbau gemacht worden."

Leland spricht zu wiederholten Malen von der adligen Familie der Tilney als den Hauptwohlthätern
der Kirche St. Botolph und bestätigt insbesondere den Umstand, dass der Grundstein durch eine Frau
dieses Hauses gelegt wurde, nur giebt er derselben einen anderen Taufnamen. Man vermuthet, dass ein
grosser Theil der enormen Kosten, die der Bau der Kirche machen musste, von den Kaulleuten zusammen-
gebracht wurde, die nach Leland „von allen Seiten ostwärts kamen und sich nach Boston zu begeben
pflegten; die Mönche, setzt er hinzu, betrachteten dieselben in gewisser Art als die Gründer ihres Klosters,"
(Itin., vol. VI, fol. 59.). Gewiss ist, dass der Baustyl der Kirche mindestens um ein halbes Jahrhundert
jünger ist als das oben genannte Datum; möglich, dass die Bauarbeiten sich in die Länge zogen, wie
dies oft bei so bedeutenden Bauten der Fall war.

Die Geringfügigkeit der ersten Gaben lässt uns dies

um so eher glauben.

Der Thurm ist nicht viel älter als die Mitte des XV Jahrhunderts, und es ist noch zu bezweifeln ob

er selbst dieser Zeit angehört.

In seiner zierlichen Anordnung der verschiedenen Stockwerke gleicht er

sehr dem Thurme der Kirche von Louth, der aber minder gross und imposant ist. Das untere Stockwerk
des Thurmes communicirt mit dem Schiff der Kirche durch eine grosse Bogenöffnung, der die Höhe der
Fenster der anderen Facaden des Thurmes erreicht. QM. s. den Durchschnitt). Eine Holzdecke befindet
sich jetzt etwas über diesen Fenstern, und verhindert dass man nicht von unten die Fenster des oberen
Stockwerks sieht, was vollständig die ergreifende Wirkung stört, die die ursprüngliche Anlage hervor-
zubringen bezweckte. Das zweite Stockwerk, in der sich jetzt die Glocken belinden, ist im Innern mit

Denkmäler der Baukunst. LXXXYI. Lieferung.
 
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