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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 3): Denkmäler des Mittelalters, sechste Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3503#0057
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Die St. Lorenzkirche in Nürnberg.

Blech belegt: die Vergoldung kostete 900 Gulden: die Spitze des jüngeren südlichen Thurmes wurde 1680
gerüstet und auf's Neue mit zinnernen Platten belegt. Die Kirche wurde im Laufe der Zeit mehrere Male
reparirt, so in den Jahren 1514, 1568 und 1659. Im Jahre 1690 wurde sie aussen herum am Fusse so
wie auch der Stern ausgebessert. Auch in neuester Zeit hat sie unter Heideloff's Leitung eine Reparatur
und Reinigung erfahren.

Dies wären die historischen Daten, die sich über den Bau der St. Lorenzkirche aufgezeichnet finden.
Wir wollen jetzt zur Betrachtung des Baues selber übergehen.

Die St. Lorenzkirche ist eine dreischiffige Basilika ohne Ouersehiff, von 301 Rheinl. Fuss Länge und
101 Fuss Breite, deren über die Seitenschiffe emporsteigendes Mittelschiff auf 26 Pfeilern ruht. Der Chor
ist nach sieben Seiten eines regelmässigen Vierzehnecks geschlossen und erhebt sich noch höher als das
Mittelschiff, das sich wieder über die Nebenschiffe bedeutend erhebt; die Strebepfeiler der letzteren sind
nicht nach aussen, sondern nach innen gelegt; die St. Lorenzkirche hat diese Eigenthümlichkeit mit der
Katharinen Kirche in Oppenheim und mit der Katharinen Kirche in Brandenburg gemein. Diese Strebe-
pfeiler erheben sich über das Dach der Seitenschiffe und wölben sich in leichten Bögen zu der Höhe des
Mittelschiffs hinüber, an dem die Strebepfeiler nicht weiter markirt sind. Die Vorderseite der Kirche hat
108 Rheinl. Fuss Breite. Zwei schlanke, sehr einfach gehaltene viereckige Thürme, die noch ganz an
die des deutsch-romanischen Baustyls erinnern, flankiren dieselbe; sie sind auf die Axen der Seitenschiffe
gerichtet und erheben sich in sechs Stockwerken, die nur durch einfache Gurtgesimse getrennt sind; in
den drei untersten Stockwerken sind die Ecken durch Strebepfeiler in der Richtung der Umfangswände
armirt; diese Strebepfeiler schiessen im dritten Stockwerk in Thürmchen aus, deren pyramidale mit Kanten-
blättern verzierte Spitzen sich bis zur Mitte des vierten Stockwerks erheben. Jedes Stockwerk hat an
den Ecken breite Lissenen^ die durch Spitzbogenfriese unter den Gurtgesimsen verbunden sind und an
jeder Seite ein kleines im Spitzbogen geschlossenes Fenster, mit Ausnahme des obersten sechsten Stock-
werks, das an jeder Seite sechs schmale im Spitzbogen geschlossene sehr schlanke öeffnungen hat, die
nur durch dünne Pfeilerchen gleich Fensterstöcken von einander getrennt sind; hinter diesen zurückgesetzt
befindet sich an jeder Seite des Thurmes eine andere von zwei Spitzbogenfenstern durchbrochene Wand,
die die Stütze für das oberste siebente achteckige Stockwerk des Thurmes bildet. Dieses letzte acht-
eckige Stockwerk des Thurmes ist stark eingezogen und wird von einer Plattform umgeben, die einen
Umgang um das Octogon gewährt; dasselbe ist von einem zierlich durchbrochenen Geländer, das auf den
Wänden des viereckigen Theiles des Thurmes ruht, umgeben. Jede Seite dieses achteckigen Aufsatzes
des Thurmes hat ein kleines Spitzbogenfenster und geht in einen Spitzgiebel aus, deren Dächer den Fagen
der schlanken achtseitigen Thurmspitze anfallen.

Diese beiden Thürme schliessen nun den Portalbau ein, der vorzugsweise in unserem Werke zur
Darstellung gewählt und ohne Zweifel der interessanteste Theil des ganzen Bauwerks ist. Derselbe

hat eine Breite von 43^ Rheinl. Fuss und erhebt sich, bis zur Spitze des mittleren Glockenthürmchens
gerechnet, auf beinah 148 Rheinl. Fuss. Dieser Portalbau theilt sich der Höhe nach in drei Abtheilungen,
die unterste enthält das Portal, die mittlere die grosse Fensterrose, die oberste wird durch den Giebel
gebildet. Wir wollen sie der Reihe nach betrachten; zuerst also das Portal. Die grosse Eingangsthür
ist 27 Rheinl. Fuss breit und 444 Fuss hoch, ihre Eintiefung in die Mauer beträgt nicht volle 6 Fuss.
Die Tbüre selber ist 15^ Fuss breit und 141 Fuss hoch, sie wird in der Mitte durch einen Pfosten in
zwei Flügel geschieden; über jedem derselben befindet sich ein von einem Spitzbogen eingeschlossenes
Figurenfeld. Die Darstellungen derselben sind dem Leben Christi entnommen: über dem Flügel links die
Geburt des Heilands und darunter die Beschenkung der heiligen drei Könige; über dem Flügel rechts:
der Bethlehemitische Kindermord, darunter die Darstellung Christi im Tempel und die Flucht nach Aegypten.
Zur Seite dieser Darstellungen in den von den Spitzbogen und ihrer rechtwinkligen Einrahmung gebildeten
Winkeln die vier grossen Propheten. Ueber diesen Scenen aus dem Kinderleben Jesu befinden sich in
dem grossen Tympanon des Spitzbogens des Portals noch folgende andere Darstellungen aus dem Leben
Christi: zuunterst die Leidensseschichte des Heilands. Wir verfolgen dieselbe von der Linken zur Rechten.

Zuerst Christus vor Pilatus

sodann die Geisselung, drittens ein

Ecce homo, viertens die Kreuztragung,

in der Mitte, sehr in die Augen fallend, Christus am Kreuz; davon zur Rechten die Abnahme vom Kreuz,
die Grablegung und die Auferstehung. Darüber und von der Passion durch einen kleinen Spitzbogengurt
getrennt wird der Heiland in seinem jenseitigen Wirken dargestellt. Zuoberst der thronende Christus als
Richter des Manschengeschlechts; sein Thron ist gleichsam der Himmel selbst, Wolken und Sonne und
Mond über ihnen sind seiner Füsse Schemel. Zu beiden Seiten Christi knieen Maria und Johannes als
 
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