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Zeitschrift für christliche Kunst — 27.1914

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Pantle, Rudolf: Friedhofkunst: Zur Ausstellung für Friedhofkunst im Hoppenlau-Friedhof in Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.4362#0071

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Nr. 4. ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. 57

FRIEDHOFKUNST.

ZUR AUSSTELLUNG FÜR FRIEDHOFKUNST IM HOPPENLAU-
FRIEDHOF IN STUTTGART.

Mit 16 Abbildungen.

Unter lichtgrünen, alten Trauerweiden und unter hohen, ernsten Tannen
wuchert üppiges Gebüsch. Dichter Efeu überspinnt den hügeligen Grund,
rankt sich an den Stämmen empor und verwirrt sich mit Geäst und Blatt-
werk zu einem stimmungsvollen Märchengarten. Schmale bemooste Wegchen
laufen dazwischen durch und führen zu verwitterten und halbverfallenen Grab-
malen, von denen nur wenige noch von alten, treuen Famihenghedern der Dahin-
geschiedenen gepflegt werden. — So fanden wir noch vor kurzem den alten
Stuttgarter Hoppenlau-Friedhof, der inmitten der Stadt in friedlicher Stille
schlummert. Die ältesten Grabmale zeigen die späten Barock- und früheren
Empireformen des ausgehenden XVIII. Jahrh. Während es ja vor dieser Zeit
fast allerorts ein Vorrecht der Adels- und Patrizieraristokratie und der Geist-
lichkeit war, auf steinernem Grabmal der Nachwelt überliefert zu werden,
hielt es um diese Zeit der, zu neuer, höherer sozialer Stellung gelangte
Bürgerstand für ziemlich, seine überlieferten Holz- und Eisenkreuze ebenfalls
durch Steingrabmale zu ersetzen. Nur in ländlichen Gemeinden erhielten sich
diese alten, bürgerlichen Grabmaltypen noch bis in die 60er Jahre des XIX.
Jahrh. Die Steine, die bis dahin als Reliefplastiken fast ausnahmslos an
Friedhofmauern und Kirchenwänden Aufstellung gefunden hatten, breiteten sich
nun über den Gottesacker aus, wurden freistehend und damit zu Vollplastiken.
Die alten Grabplatten- und Epitaphtypen mußten neuen Formen weichen,
und da die Zeit ohnehin ihre Blicke wieder der antiken Kunst zuwandte,
suchte und fand sie auch dort die Form, die den Forderungen des nunmeh-
rigen Standortes entgegenkam. Die bürgerliche Neuzeit griff zurück in die
Tradition der bürgerlichen Antike. So wurden Urnensteine, altar-, säulen- und
pyramidenförmige Aufbauten, Sarkophage und figürliche Plastiken mit antiken
Motiven die ersten freistehenden Grabmalformen, die zusammen mit Stein-
kreuzen (die ihre Form den alten Holzkreuzen entlehnten) den Charakter der
bürgerlichen Friedhöfe bestimmten. Und da in dieser Zeit das Handwerk
noch in guter Blüte stand und da der Bürgersinn noch schlicht und traditionell
war, wurden diese Formen in echtem, heimischem Material in handwerklich
guter, sinngemäßer Ausführung hergestellt- Sie hielten sich in angemessenem
Maßstab und gaben bei aller persönlichen Formfreiheit im einzelnen, zusammen
betrachtet, ein Bild von einheitlichem Stil- und Zeitempfinden. Das ging so
bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts, aber je weiter wir mit der Zeit schreiten,
desto oberflächlicher und schablonenhafter zeigt sich diese Grabmalkunst, und
dann kommt jene Zeit, an die wir nicht ohne schamvolles Erröten denken können.
Zuvor aber schloß die Geschichte der Friedhofkunst auf dem Stuttgarter Hoppen-
lau-Friedhof ab. Die neuen Totenfelder kamen vor die Stadt hinaus. Damit
wurde jegliche Tradition vollends abgeschnitten. Eine völlig neue Zeit brach
herauf. Aus den Tiefen des Lebens drängten mit eruptiver Gewalt neue Kräfte,
die den alten Kulturring durchbrachen, um sich zu einem weiteren, höheren
 
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