36 R. dueMmLer, Zwei felsinschriften von amorgos
]ectiven Gefühlsergüssen verzierten1, ist bekannt genug und
bereits Gegenstand einer Speciallitteratur ; die Sitte, die Wände
zu beschmieren, die uns aus Aristophanes bekannt ist2, tritt
uns Jahrhunderte später in Pompeji lebendig entgegen 3, und
es ist vielleicht kein Zufall, wenn sich für die amorginische
Inschrift, wie ich sie deute, die beste Erläuterung nächst
Theokrits Pharmakeutriai in Lukians Hetärengesprächen
findet4.
Ähnliche Ergüsse schon früh auf Felswänden zu finden darf
nicht befremden ; die Hauswände werden damals für diesen
Zweck noch unbequemer gewesen sein, als der gewachsene
Fels. Am wenigsten darf uns diese Erscheinung auf den ioni-
sehen Inseln Wunder nehmen, der Heimat des lambos5. Aber
auch unter den theräischen Felsinschriften gehört das Prä-
dicat auf Nr. 455 nicht unter die nomina magistratuum und
bei einer Revision von Nr. 406 und 4 67 müsste man die
Möglichkeit einer ganz persönlichen Gefühlsäusserung ins Auge
fassen.
Wenn meine Lesung richtig ist, so würden beide Inschrif-
ten in der Bezeichnung der e- Baute sich der von Dittenberger
festgestellten Orthographie der Kykladen anschliessen. Ob es
ratsam ist, auf Grund der unzureichenden Nachrichten über
die Bevölkerung von Amorgos, die Inschriften der Insel als
Anhang zu den navischen und den samischen zu behandeln,
wie es Bechtel thut, ist mir fraglich.
Basel 29. Januar 1893.
FERDINAND DÜMMLER
1 Das bedenklichste Beispiel der Art ist besprochen Berliner philol. Wo-
chenschrift 1891 S. 469.
2 O. Jahn, Vasensammlung König Ludwigs S. CXXII.
3 O. Jahn, Leipziger Berichte 1857 S. 191 ff.
^ Für die Pharniakeia vgl. Dial. mer. 1, für Liebesintriguen durch Wand-
inschriften 4 und namentlich 10. Lukians Vorbilder sind dem Herondas
verwandter gewesen, als Theokrit oder der νέα κωμωδία.
5 Auch die Inschrift von Arkesine Bull, cle corr. hell. VI S. 189 (Bechtel
Nr. 30 S. 41), die mit Καφώι άνδρί beginnt, scheint irgend eine persönliche
Verwünschung zu enthalten.
]ectiven Gefühlsergüssen verzierten1, ist bekannt genug und
bereits Gegenstand einer Speciallitteratur ; die Sitte, die Wände
zu beschmieren, die uns aus Aristophanes bekannt ist2, tritt
uns Jahrhunderte später in Pompeji lebendig entgegen 3, und
es ist vielleicht kein Zufall, wenn sich für die amorginische
Inschrift, wie ich sie deute, die beste Erläuterung nächst
Theokrits Pharmakeutriai in Lukians Hetärengesprächen
findet4.
Ähnliche Ergüsse schon früh auf Felswänden zu finden darf
nicht befremden ; die Hauswände werden damals für diesen
Zweck noch unbequemer gewesen sein, als der gewachsene
Fels. Am wenigsten darf uns diese Erscheinung auf den ioni-
sehen Inseln Wunder nehmen, der Heimat des lambos5. Aber
auch unter den theräischen Felsinschriften gehört das Prä-
dicat auf Nr. 455 nicht unter die nomina magistratuum und
bei einer Revision von Nr. 406 und 4 67 müsste man die
Möglichkeit einer ganz persönlichen Gefühlsäusserung ins Auge
fassen.
Wenn meine Lesung richtig ist, so würden beide Inschrif-
ten in der Bezeichnung der e- Baute sich der von Dittenberger
festgestellten Orthographie der Kykladen anschliessen. Ob es
ratsam ist, auf Grund der unzureichenden Nachrichten über
die Bevölkerung von Amorgos, die Inschriften der Insel als
Anhang zu den navischen und den samischen zu behandeln,
wie es Bechtel thut, ist mir fraglich.
Basel 29. Januar 1893.
FERDINAND DÜMMLER
1 Das bedenklichste Beispiel der Art ist besprochen Berliner philol. Wo-
chenschrift 1891 S. 469.
2 O. Jahn, Vasensammlung König Ludwigs S. CXXII.
3 O. Jahn, Leipziger Berichte 1857 S. 191 ff.
^ Für die Pharniakeia vgl. Dial. mer. 1, für Liebesintriguen durch Wand-
inschriften 4 und namentlich 10. Lukians Vorbilder sind dem Herondas
verwandter gewesen, als Theokrit oder der νέα κωμωδία.
5 Auch die Inschrift von Arkesine Bull, cle corr. hell. VI S. 189 (Bechtel
Nr. 30 S. 41), die mit Καφώι άνδρί beginnt, scheint irgend eine persönliche
Verwünschung zu enthalten.