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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 13.1874

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Frauen nur selten fehlen, so erkennen wir, dass auch sie sich des Weines erfreuten
mit Sinn und Mass. Das und mehr noch lehrt uns die nähere Betrachtung dieser
zierlichen Gläser. Sie sind nicht für trüben Meth und Bier bestimmt, nicht für ein
Getränke, das nur mit dem Schlunde vertilgt, sondern mit den edlern Organen des
Geschmackes, des Geruches und des Gesichtes genossen werden und beim Anstoss auch
dem Ohr einen ermunternden Klang zubringen sollte. Sie die kaum einen \4 Litter
halten, sind offenbar zu klein für Bier, und zu fein und dünn für den Humor den
Bier erweckt; ein plumper unvorsichtiger Griff würde sie zerdrücken, ein derbes
Niedersetzen sie zertrümmern, sie wollen mit fühlender Hand gefasst, sinnig und dank-
bar dem Auge zur Freude dem Lichte entgegen gehalten, ehe sie zum Munde ge-
führt werden. Ihre Form ist nicht ihren Inhalt auszuschütten, sondern ihn den
schlürfenden Lippen zu gewähren. Fein und sinnreich sind sie erdacht und gestaltet,
dem würdigen Zecher den ganzen Genuss der süssesten Gabe, mit welcher die Olym-
pischen den Sterblichen beglückt, zu bieten. Allen diesen Formen ist die Dünne und
Feinheit gemein, die wir jetzt an Bordeauxgläsern lieben, so wohl den Halbkugeln
mit eingezogenem Rande, der Stammmutter unserer Römer, den Schalen mit ausge-
schweiftem Rande, den feinen Spitzgläsern den Urbildern der Champagnergläser, als
solchen die köcherförmig sich unten zur Halbkugel erweitern, wie den Trinkhömern,
die denen der Auerochsen nachgebildet sind. Allen fehlt der Fuss auf den sie ge-
stellt werden könnten, sie sind unten rund oder spitz, um damit auszusprechen, dass
man das Glass fromm in der Hand halten oder brüderlich und schwesterlich von
Hand zu Hand reichen soll. Wir besitzen Gläser, welche in mehreren Reihen rings
umgeben sind mit sackförmigen Anhängseln, die sich mit Wein füllen, und zumal mit
rothem Wein gefüllt aussehen, als ob dem edlen Gefässe selbst die Adern schwellten. —
Beim Austrinken leeren sie sich nur allmälig, um dem Verständigen zuletzt noch
tropfenweis zur Würdigung der ganzen Süssigkeit, des geistigen Gehaltes, des duf-
tenden Bouquets Gelegenheit zu geben. Es sind diese Ansätze, selbst der Gestalt
nach, wie bei Blumen die Nectarien, in welchen der süsse Honig und der aetherische
Duft ihren Sitz haben. — In diesem scheinbaren Zierwerk ist die Einladung ausge-
sprochen das Glas wieder zu füllen, denn wie es den letzten Tropfen nur zögernd
hergiebt, so erschwert es das Gelingen der Nagelprobe. Und doch gestattet es kein
Uebermass; trunkene rohe Gesellen würden bald fertig mit dem Wein, und noch
früher mit den Gläsern.
Wie wäre man beim Bier auf so feine Constructionen gekommen! die nur den
Wein im Auge haben konnten. Uns aber dienen sie dazu, nicht nur den Weinbau
in unserer Gegend mehrere Jahrhunderte vor Karl dem Grossen, die Güte des Ge-
wächses , und im Anhalt an obige Schädelbetrachtung auch die glückliche, geistige und
sittliche Begabung unserer Urahnen zu beweisen.
3. Römischer VFartthurm. Im Jahre 1860 hat der Alterthumsverein auf
dem Winterberg, gegenüber Bad Ems, einen dicht hinter dem Pfahlgraben gelegenen
römischen Wartthum, ausgraben lassen. Allein da es unmöglich ist ein Mauerwerk,
das so lange mit der feuchten Erde bedeckt war zu erhalten, wenn es nicht durch
Aufbau einiger wasserdichten Schichten beschwert und vor dem Eindringen der Nieder-
schläge geschützt wird, so war, da dies nicht geschehen, auch dies Mauerwerk durch
die vereinten Unbilde durch Nässe, Frost und Menschen in eine Verfassung gekom-
men , worin bald die letzten Spuren verschwinden mussten. Durch die Anregung des
Herrn Landrath Nasse, so wie die Thätigkeit des Herrn Aug. Vogelsberger in
Ems, denen die Opferwilligkeit der Emser Bürger entgegenkam und denen auch der
Alterthumsverein einen Beitrag zollte, wurde dieser Wartthurm im Laufe des Sommers
 
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