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Ephesos zwischen Orient und Okzident
Nach Strabon wurde sowohl eine Ama-
zone als auch ein Ortsteil von Ephesos
«Smyrna» benannt. Falls die Amazonen
tatsächlich eine Beziehung zu den Kim-
merern (s.u. 31) aufweisen, könnte es
sich dabei um ein von dieser Bevölke-
rungsgruppe bewohntes Dorf handeln.
Man glaubt jetzt, dieses unterhalb der
Agora der hellenistischen Stadt gefunden
zu haben.
Von Herostrat zu Lysimachos
Das Artemision fiel im Jahr 356 v. Chr.
durch die Brandstiftung eines gewissen
Herostrat in Schutt und Asche. Die Hin-
tergründe dieser Katastrophe bleiben
unklar, ein Neubau des Tempels scheint
jedenfalls schon wegen des stark anstei-
genden Grundwassers in dieser Zeit un-
umgänglich gewesen zu sein. Die Zerstö-
rung eines Heiligtums war, wie viele an-
dere Beispiele aus dem Altertum zeigen,
noch lange kein Grund, auch den Kult
einzustellen. Das Angebot Alexanders
des Großen, den Bau wiederherzustellen,
lehnten die Ephesier wohl aus der Furcht
heraus ab, dadurch ihre Unabhängigkeit
zu verlieren. Einem Gott wie Alexander
gezieme es sich nicht, einer anderen
Gottheit - gemeint ist die ephesische Ar-
temis - einen Tempel zu stiften: So lau-
tete ihre diplomatische Antwort auf eine
entsprechende Anfrage seitens des Make-
donenkönigs. Der dann doch mit eigenen
Mitteln neu errichtete Sakralbau soll mit
dem Gold der ephesischen Frauen finan-
ziert worden sein. Diese Überlieferung
ist insofern bemerkenswert, als sie das
Engagement der Frauen, die ja auch das
Kultpersonal stellten, für den Neubau des
Heiligtums bezeugt.
Nach dem Tod Alexanders ließ der
Diadoche Lysimachos die Stadt an ande-
rer Stelle wieder aufbauen. Er nannte
diese Siedlung nicht mehr «Ephesos»,
sondern nach seiner Frau «Arsinoe». Da
aber die hellenistische Neustadt zu nahe
an der älteren Siedlung lag, konnte sich
dieser Name nicht durchsetzen. Mit der
Neugründung der Polis sollte nicht nur
ein neues Zeitalter eingeleitet, sondern
auch ein ideologischer Neubeginn ge-
macht werden. Konsequenterweise wurde
auch die Gräberstraße aufgegeben. Die
Verlegung der Siedlung war auch durch
die besondere Umweltsituation bedingt:
Das Ansteigen des Meeresspiegels
scheint am Ende des 4. Jhs. v. Chr. dazu
geführt zu haben, daß die Ebene, in der
die alte Stadt lag, ständig überschwemmt
wurde. Strabon mutmaßt, daß die Was-
serkanäle, die den Abfluß regulierten,
absichtlich verstopft worden seien. Wie
auch immer es sei - es lag jedenfalls auf-
grund der steigenden Pegelstände nahe,
die Siedlung auf ein höher, auf und zwi-
schen den Bergen gelegenes Areal zu ver-
legen. Diese vom Meer etwas entfernte
Wohnstadt war besser gegen die Seeräu-
ber und gegen das Fieber geschützt. Die
hellenistische Neustadt umgab eine Ver-
teidigungsmauer, und sie besaß ein recht-
winkliges Straßensystem, das konsequent
auch über die Steilhänge des Geländes
gelegt wurde. Die zwischen den beiden
zentralen Plätzen der Polis gelegene tra-
ditionsreiche Gräber- und Prozessions-
straße wurde erst im späten 1. Jh. v. Chr.
reaktiviert. In der Antike bezeichnete
man sie als «Embolos», heute als «Kure-
tenstraße». Die Ausrichtung des neuen
Ephesos nahm aber nach wie vor auf das
zentrale Heiligtum, das Artemision, Be-
zug.
Lysimachos ließ sich offenbar an
einem nahe gelegenen, heute «Belevi»
genannten Ort ein Grabmal bauen, das
dem berühmten, als Weltwunder geprie-
senen Mausoleion, dem Grab des Karer-
fürsten Maussolos in Halikarnaß, nach-
empfunden ist. Der Diadoche wurde in
diesem Bau wohl nie bestattet, da er in
einer Schlacht ums Leben kam. Man ver-
mutet, daß der Grabbau von Belevi dem
246 v. Chr. in Ephesos verstorbenen
seleukidischen König Antiochos U. Theos
zur letzten Ruhestätte wurde.
Von Sulla zu Marc Aurel
133 v. Chr. fiel Ephesos an Rom und
avancierte zur Hauptstadt der Provincia
Asia. Auch unter römischer Herrschaft
wurde das neue Stadtgebiet durchgehend
besiedelt. Politisch kämpften die Römer
im 1. Jh. v. Chr. aber immer noch mit
Schwierigkeiten, die sich in Aufständen
gegen die Zentralmacht entluden. Der
Diktator Sulla schlug die Revolten zwar
gewaltsam nieder, doch wirkten diese
Unruhen noch Jahrzehnte später im Be-
wußtsein der Römer als Trauma nach,
wie sich dem Denkmal für den Sulla-
Enkel Gaius Memmius entnehmen läßt.
Auch das Artemision wurde in die Wir-
ren der römischen Bürgerkriege hinein-
gezogen. Marc Anton, der Liebhaber der
Kleopatra, ließ - um sich bei den Ephe-
siern einzuschmeicheln - die Asylzone
um das Artemision erweitern, was später
von Kaiser Augustus wieder rückgängig
gemacht wurde. Kleopatra war für die
Ermordung ihrer Schwester Arsinoe ver-
antwortlich. Diese ptolemäische Prinzes-
sin wurde vielleicht in einem prunkvol-
len Grab, dem sogenannten Oktogon, an
der Kuretenstraße beigesetzt.
Die römischen Kaiser bzw. deren
Beamte, die über die Provinz herrschen-
den Proconsuln, waren darauf bedacht,
entlang der Hauptstraßen prunkvolle Bau-
werke, wie etwa Brunnen oder Bibliothe-
ken, zu errichten. Einen Großteil des
Bauvolumens nahmen Gymnasien und
Thermen ein, deren Unterhalt aber zu
einem Raubbau an den natürlichen Res-
sourcen, wie etwa Wasser und Baustof-
fen, führte. Gleichwohl erlebte Ephesos
im 2. Jh. n. Chr. eine Zeit wirtschaft-
licher und kultureller Blüte. Etwa 200 000
Einwohner waren damals hier ansässig.
Einen künstlerischen Höhepunkt bildete
die Errichtung eines Altares anläßlich des
Sieges des Lucius Verus in den Parther-
kriegen.
Die Stadt der Maria und des
Johannes
Die öffentliche Bautätigkeit ging in
Ephesos während des 3. Jhs. n. Chr.
spürbar zurück. Das Artemision wurde
263 n. Chr. durch den Einfall der Goten
stark beschädigt. Deswegen bezeichnete
man in der Wissenschaft früher die Spät-
antike als eine Phase des Niederganges
von Ephesos. Diese Epoche ist aber nach
jüngeren Forschungsergebnissen eher als
eine Zeit der Umstrukturierung denn des
Verfalls zu verstehen. Maßgeblich ist,
daß Bauprojekte und künstlerische Pro-
duktion nicht mehr von öffentlicher
Hand, sondern von privaten Financiers
getragen wurden. Anstelle der Erweite-
rung von Stadtteilen trat damals eine Art
«Recycling» ein, d. h., ganze Quartiere
wurden unter Verwendung älterer Bau-
teile saniert. Dieser Prozeß verstärkte
sich besonders nach 400 n. Chr., als
das Christentum offizielle Staatsreligion
wurde, die heidnischen Heiligtümer säku-
larisiert wurden und in den Besitz des
Klerus übergingen. Eine der ersten
Kirchen, die im Zuge dieses Prozesses
innerhalb des alten Artemis-Heiligtums
errichtet wurden, entstand durch die Ein-
deckung des ursprünglich offenen Tem-
pelhofes.
Die reichhaltigsten Baubefunde von
Ephesos datieren jedoch in die christ-
liche Ära: Die Johannesbasilika auf dem
Ayasoluk-Hügel, die Kirche des Konzils
von 431 n. Chr. in der Hafenebene und der
Komplex der Siebenschläfergrotte sind
einige Beispiele. Aber auch im gesamten
Stadtgebiet lassen sich Zu- und Umbau-
ten der christlichen Epoche an vielen und
auffälligen Stellen beobachten.
Ephesos zwischen Orient und Okzident
Nach Strabon wurde sowohl eine Ama-
zone als auch ein Ortsteil von Ephesos
«Smyrna» benannt. Falls die Amazonen
tatsächlich eine Beziehung zu den Kim-
merern (s.u. 31) aufweisen, könnte es
sich dabei um ein von dieser Bevölke-
rungsgruppe bewohntes Dorf handeln.
Man glaubt jetzt, dieses unterhalb der
Agora der hellenistischen Stadt gefunden
zu haben.
Von Herostrat zu Lysimachos
Das Artemision fiel im Jahr 356 v. Chr.
durch die Brandstiftung eines gewissen
Herostrat in Schutt und Asche. Die Hin-
tergründe dieser Katastrophe bleiben
unklar, ein Neubau des Tempels scheint
jedenfalls schon wegen des stark anstei-
genden Grundwassers in dieser Zeit un-
umgänglich gewesen zu sein. Die Zerstö-
rung eines Heiligtums war, wie viele an-
dere Beispiele aus dem Altertum zeigen,
noch lange kein Grund, auch den Kult
einzustellen. Das Angebot Alexanders
des Großen, den Bau wiederherzustellen,
lehnten die Ephesier wohl aus der Furcht
heraus ab, dadurch ihre Unabhängigkeit
zu verlieren. Einem Gott wie Alexander
gezieme es sich nicht, einer anderen
Gottheit - gemeint ist die ephesische Ar-
temis - einen Tempel zu stiften: So lau-
tete ihre diplomatische Antwort auf eine
entsprechende Anfrage seitens des Make-
donenkönigs. Der dann doch mit eigenen
Mitteln neu errichtete Sakralbau soll mit
dem Gold der ephesischen Frauen finan-
ziert worden sein. Diese Überlieferung
ist insofern bemerkenswert, als sie das
Engagement der Frauen, die ja auch das
Kultpersonal stellten, für den Neubau des
Heiligtums bezeugt.
Nach dem Tod Alexanders ließ der
Diadoche Lysimachos die Stadt an ande-
rer Stelle wieder aufbauen. Er nannte
diese Siedlung nicht mehr «Ephesos»,
sondern nach seiner Frau «Arsinoe». Da
aber die hellenistische Neustadt zu nahe
an der älteren Siedlung lag, konnte sich
dieser Name nicht durchsetzen. Mit der
Neugründung der Polis sollte nicht nur
ein neues Zeitalter eingeleitet, sondern
auch ein ideologischer Neubeginn ge-
macht werden. Konsequenterweise wurde
auch die Gräberstraße aufgegeben. Die
Verlegung der Siedlung war auch durch
die besondere Umweltsituation bedingt:
Das Ansteigen des Meeresspiegels
scheint am Ende des 4. Jhs. v. Chr. dazu
geführt zu haben, daß die Ebene, in der
die alte Stadt lag, ständig überschwemmt
wurde. Strabon mutmaßt, daß die Was-
serkanäle, die den Abfluß regulierten,
absichtlich verstopft worden seien. Wie
auch immer es sei - es lag jedenfalls auf-
grund der steigenden Pegelstände nahe,
die Siedlung auf ein höher, auf und zwi-
schen den Bergen gelegenes Areal zu ver-
legen. Diese vom Meer etwas entfernte
Wohnstadt war besser gegen die Seeräu-
ber und gegen das Fieber geschützt. Die
hellenistische Neustadt umgab eine Ver-
teidigungsmauer, und sie besaß ein recht-
winkliges Straßensystem, das konsequent
auch über die Steilhänge des Geländes
gelegt wurde. Die zwischen den beiden
zentralen Plätzen der Polis gelegene tra-
ditionsreiche Gräber- und Prozessions-
straße wurde erst im späten 1. Jh. v. Chr.
reaktiviert. In der Antike bezeichnete
man sie als «Embolos», heute als «Kure-
tenstraße». Die Ausrichtung des neuen
Ephesos nahm aber nach wie vor auf das
zentrale Heiligtum, das Artemision, Be-
zug.
Lysimachos ließ sich offenbar an
einem nahe gelegenen, heute «Belevi»
genannten Ort ein Grabmal bauen, das
dem berühmten, als Weltwunder geprie-
senen Mausoleion, dem Grab des Karer-
fürsten Maussolos in Halikarnaß, nach-
empfunden ist. Der Diadoche wurde in
diesem Bau wohl nie bestattet, da er in
einer Schlacht ums Leben kam. Man ver-
mutet, daß der Grabbau von Belevi dem
246 v. Chr. in Ephesos verstorbenen
seleukidischen König Antiochos U. Theos
zur letzten Ruhestätte wurde.
Von Sulla zu Marc Aurel
133 v. Chr. fiel Ephesos an Rom und
avancierte zur Hauptstadt der Provincia
Asia. Auch unter römischer Herrschaft
wurde das neue Stadtgebiet durchgehend
besiedelt. Politisch kämpften die Römer
im 1. Jh. v. Chr. aber immer noch mit
Schwierigkeiten, die sich in Aufständen
gegen die Zentralmacht entluden. Der
Diktator Sulla schlug die Revolten zwar
gewaltsam nieder, doch wirkten diese
Unruhen noch Jahrzehnte später im Be-
wußtsein der Römer als Trauma nach,
wie sich dem Denkmal für den Sulla-
Enkel Gaius Memmius entnehmen läßt.
Auch das Artemision wurde in die Wir-
ren der römischen Bürgerkriege hinein-
gezogen. Marc Anton, der Liebhaber der
Kleopatra, ließ - um sich bei den Ephe-
siern einzuschmeicheln - die Asylzone
um das Artemision erweitern, was später
von Kaiser Augustus wieder rückgängig
gemacht wurde. Kleopatra war für die
Ermordung ihrer Schwester Arsinoe ver-
antwortlich. Diese ptolemäische Prinzes-
sin wurde vielleicht in einem prunkvol-
len Grab, dem sogenannten Oktogon, an
der Kuretenstraße beigesetzt.
Die römischen Kaiser bzw. deren
Beamte, die über die Provinz herrschen-
den Proconsuln, waren darauf bedacht,
entlang der Hauptstraßen prunkvolle Bau-
werke, wie etwa Brunnen oder Bibliothe-
ken, zu errichten. Einen Großteil des
Bauvolumens nahmen Gymnasien und
Thermen ein, deren Unterhalt aber zu
einem Raubbau an den natürlichen Res-
sourcen, wie etwa Wasser und Baustof-
fen, führte. Gleichwohl erlebte Ephesos
im 2. Jh. n. Chr. eine Zeit wirtschaft-
licher und kultureller Blüte. Etwa 200 000
Einwohner waren damals hier ansässig.
Einen künstlerischen Höhepunkt bildete
die Errichtung eines Altares anläßlich des
Sieges des Lucius Verus in den Parther-
kriegen.
Die Stadt der Maria und des
Johannes
Die öffentliche Bautätigkeit ging in
Ephesos während des 3. Jhs. n. Chr.
spürbar zurück. Das Artemision wurde
263 n. Chr. durch den Einfall der Goten
stark beschädigt. Deswegen bezeichnete
man in der Wissenschaft früher die Spät-
antike als eine Phase des Niederganges
von Ephesos. Diese Epoche ist aber nach
jüngeren Forschungsergebnissen eher als
eine Zeit der Umstrukturierung denn des
Verfalls zu verstehen. Maßgeblich ist,
daß Bauprojekte und künstlerische Pro-
duktion nicht mehr von öffentlicher
Hand, sondern von privaten Financiers
getragen wurden. Anstelle der Erweite-
rung von Stadtteilen trat damals eine Art
«Recycling» ein, d. h., ganze Quartiere
wurden unter Verwendung älterer Bau-
teile saniert. Dieser Prozeß verstärkte
sich besonders nach 400 n. Chr., als
das Christentum offizielle Staatsreligion
wurde, die heidnischen Heiligtümer säku-
larisiert wurden und in den Besitz des
Klerus übergingen. Eine der ersten
Kirchen, die im Zuge dieses Prozesses
innerhalb des alten Artemis-Heiligtums
errichtet wurden, entstand durch die Ein-
deckung des ursprünglich offenen Tem-
pelhofes.
Die reichhaltigsten Baubefunde von
Ephesos datieren jedoch in die christ-
liche Ära: Die Johannesbasilika auf dem
Ayasoluk-Hügel, die Kirche des Konzils
von 431 n. Chr. in der Hafenebene und der
Komplex der Siebenschläfergrotte sind
einige Beispiele. Aber auch im gesamten
Stadtgebiet lassen sich Zu- und Umbau-
ten der christlichen Epoche an vielen und
auffälligen Stellen beobachten.