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Rasselinstrument mit dem Zeichen der
Hathor.

Das Plättchen dürfte das kleine Paneel
eines Kästchens gebildet haben, wie sie
in größerer Form bei assyrischen Möbeln
in Nimrud vorkommen. Ein fast identi-
sches Objekt (Abb. 101), allerdings aus
Elfenbein, wurde 1986 etwa 10 m östlich
des ersten bei der nördlichen Kultbasis
(vgl. o. S. 40) gefunden.

Für beide Darstellungen existieren
keine genauen Parallelen. Die Zusam-
menstellung der Attribute weist auf den
ägyptischen Typus der Göttin Bastet hin,
die in Ägypten selbst aber immer mit
einem Katzenkopf dargestellt wird. Für
den Phöniker, der die ephesischen Plätt-
chen dekorierte, dürfte die hier darge-
stellte Göttin - wie die ägyptische Bastet
- eine Göttin der Fruchtbarkeit, Mutter-
schaft und Geburt gewesen sei.

Auch bei den phönikischen Produkten
spielen Tiere eine besondere Rolle. Die
Elfenbeine dreier Greifen zeigen dabei
nordsyrisch-phönikischen Einfluß. Bei
dem ersten handelt es sich um eine Pro-
tome, bei dem zweiten um einen gela-
gerten vollplastischen Greifen (Abb. 104),
der dritte Greif ist in eine Elfenbeinplatte
geritzt (Abb. 105). Er trinkt aus einem
Lebensbaum, welcher ein spezielles De-
tail, nämlich die sogenannte «Paradies-
blume> aufweist, die sich auch auf ande-
ren Werken im Nahen Osten findet.

Unter den menschlichen Darstellungen
aus Elfenbein ist ein Kopf mit eingeleg-

Abb. 101 Beinplättchen von einem Käst-
chen mit der Darstellung einer phönikischen
Göttin der Fruchtbarkeit.

Abb. 102 Elfenbeinplättchen von einem
Kästchen mit fast identischer Darstellung
wie Abb. 101.

Abb. 103 Tridacnamuschel.

Abb. 104 Rundplastischer Elfenbeingreif.
Der Kopf mit aufgerissenem Maul ist ähn-
lich wie die Köpfe der griechischen Bronze-
greifen gestaltet. Auf jeder Seite des Halses
hängen zwei Locken herab, die Brust ist mit
Schuppen bedeckt, die an den Spitzen abge-
brochenen Flügel zeigen fächerförmig iiber-
einanderliegende Fedem.

Abb. 105 Elfenbeinplättchen mit orientali-
schem Greif und Lebensbaum. Der Greif ist
durch die lang herabfallende, flattemde
Stirnlocke charakterisiert.

Abb. 106 Elfenbeinkopf mit separat aus
einem anderen Material eingelegten Augen.
Die Schädelkalotte ist flach abgeschnitten,
die Nasenflügel sind deutlich betont.


105

tem Auge sicher orientalischen, vermut-
lich ebenfalls syrisch-phönikischen Ur-
sprungs (Abb. 106). Ehemals aus einem
anderen Material eingelegte Augen hatte
auch der Elfenbeinwidder mit hochge-
bundenem Bein (Abb. 27).

In diesem Zusammenhang soll auch
noch auf einige andere Kleinfunde hinge-
wiesen werden, die zu den Randgebieten
des nordsyrisch-phönikischen Kunstkrei-
ses gehören wie zum Beispiel Südana-
tolien und Zypern. Hierzu ist besonders
auf eine weibliche Figur, ähnlich dem
von Hogarth gefundenen sog. <Megaby-
zos> (persischer Priester), die als Griff
eines doppelschaligen Kultgerätes diente,
hinzuweisen (Abb. 88).

Mit Ausnahme eines Sandsteinköpf-
chens und einer Vogelkore fehlen bis
heute archäologische Spuren kyprischer
Herkunft im Artemision. Dies ist auffäl-
lig, da kyprische Handelsgüter sonst in
der Ägäis gut nachzuweisen sind. Auch
die festlandgriechische Keramik ist mit
Ausnahme der korinthischen im Artemi-
son nur schwach vertreten. Der Großteil
der Keramik scheint autochthon, nord-
ionisch, lydisch und karisch zu sein. Wir
wissen nicht, ob ausschließlich politische
Gründe für diese Bevorzugung des klein-
asiatischen Handels und Gewerbes maß-
geblich waren, aber es scheint immerhin
möglich, daß das lydische Königreich,
dessen Hafen Ephesos gewissermaßen
darstellte, politischen Druck ausgeübt
hat, um den bedeutenden lydischen
Händlern und Produzenten gewisse
Monopolstellungen zu ermöglichen.

Die nordsyrisch-phönikischen Produkte
werden vielfach durch Händler und Hand-

106

werker auf dem Landwege nach West-
kleinasien gekommen sein.

Der Fund einiger phönikischer kunst-
handwerklicher Produkte zeigt zwar, daß
. diese nach Ephesos gelangen konnten, sei
es durch phönikische oder griechische
Kaufleute oder Reisende, welche in den
Besitz dieser Objekte gelangt waren und
diese dann der Gottheit weihten, aber sie
sind kein Beleg für die Anwesenheit von
Phönikern selbst. Gibt es aber andere
Hinweise, welche die Anwesenheit von
Phönikern in Ephesos belegen könnten?

Eselsopfer - ein Indiz für phönikische
Kultpraktiken im Artemision?

Neben den Knochen der üblichen Haus-
tiere fanden sich auch die zerhackten
Knochen von gezähmten Tieren, die im
griechischen Opfer selten waren, näm-
lich Hunde, Pferde und Esel. Während
die Hundeopfer als lydisches, hethiti-
sches und babylonisches Ritual belegt
werden können, Pferdeopfer wahrschein-
lich in geometrischer Zeit nicht nur in
Prinias und Knossos auf Kreta nachge-
wiesen wurden, sondern auch in Salamis
auf Zypern, ist der Esel als Opfertier in
der griechischen Welt archäologisch nur
sehr selten belegt. Dagegen spielt der
Esel als Opfertier im westsemitischen
Raum in der Bronzezeit eine bedeutende
Rolle und in weiterer Folge auch bei dem
westsemitischen Volk der Hyksos, die
von Vorderasien ins Nildelta gewandert
sind. Archäologisch lassen sich Eselsop-
fer bzw. Eselsbestattungen vor dem 1. Jt.
v. Chr. (in vorphönikischer Zeit) vor
 
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