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Die Phöniker in Ephesos

allem in Palästina und im Nildelta, aber
auch in Mesopotamien nachweisen.
Während aber die getöteten Esel im Nil-
delta nicht zerhackt sind, also nicht ver-
zehrt wurden, fehlen ihnen in Palästina
meist die Läufe und Schenkel, was darauf
schließen läßt, daß ihr Fleisch auch ge-
gessen wurde.

Da die Bevölkerung Phönikiens so-
wohl vor dem 1. als auch im 1. Jt. v. Chr.
Kanaaniter waren, kann man davon aus-
gehen, daß auch sie diesem Brauch noch
huldigten. Die Phöniker können natürlich
nur als Händler nach Ephesos gelangt
sein, sie müssen aber immerhin so in die
Gesellschaft integriert gewesen sein, daß
sie an einem wichtigen Kultplatz am
Ritual teilnehmen konnten. Offenbar stand
man sowohl den über dem Landweg als
auch auf dem Seeweg kommenden Orien-
talen offen gegenüber, interessierte sich
für ihre Kulturgüter und war auch auf
religiösem Gebiet dazu bereit, fremde
Bräuche, wie das Eselsopfer, zu akzep-
tieren.

Aegyptiaca und Produkte ephesischer
Handwerker

Viele der Aegyptiaca aus Fayence gehö-
ren als Amulette zum Hortfund bei der
Baldachinbasis und damit zum Kultbild

selbst (vgl. S. 78): So die Darstellung
einer thronenden Isis und eines Bes sowie
die Plakette mit der Darstellung eines
Pferdes oder Esels (Abb. 107). Auch
Skarabäen gehören zum Hortfund. Die
beiden Frauenväschen mit der Darstel-
lung der <Nilgöttin>, deren Inhalt das
fruchtbarkeitspendende Wasser des Nils
war, sind Produkte aus Fayence, als
deren Herstellungsort häufig auch Rho-
dos genannt wird (Abb. 109). Zuletzt sei
unter den Aegyptiaca ein Oberkörper aus
Bernstein genannt (Abb. 108). Abgese-
hen von Objekten der hier besprochenen
Art dürfte der Großteil der Votive und
des Schmuckes in Ephesos selbst herge-
stellt worden sein, auch wenn orientali-
sche und andere auswärtige Motive ver-
arbeitet sind. Es gab wahrscheinlich in
Ephesos eine Handwerkerschaft, welche
fähig und bereit war, auf die multikultu-
rellen Ansprüche der Auftraggeber ein-
zugehen.

Diese Handwerker mußten dazu im-
stande sein, auch sehr kleine Objekte an-
zufertigen. Deshalb ist zu überlegen, ob
die hyperbolischen Kristalle (Abb. 110),
die zahlreich im Artemision gefunden
wurden, nicht optische Hilfen darstellen.
Sie verkleinern zwar, aber wenn man
eine Flüssigkeit in die konvexe Deckflä-
che einfüllt, wirken sie auch wie eine
Vergrößerungslinse.

Ahh. 107 Drei ägyptisierende Funde aus
Fayence, die ursprünglich türkisfarbene
Glasur ist nicht erhalten. Bes, Isis und links
ein Esel oder Pferd. Bes ist ein zwergenhaf-
ter ägyptischer Schutzgott, Abwehrer der
bösen Mächte. Die Darstellung zeigt ihn
hockend, mit breitem halbtierischem Gesicht
und Federkrone. Er ist auch bekannt als
Beschützer bei der Geburt und Spender von
Geschlechtskraft. Die Figurin derMitte stellt
die ägyptische Göttin Isis dar, auf einem
Thron sitzend mit Kind im Schoß, dem sie die
Brust reicht.

Abb. 108 Agyptisierender oder phöniki-
scher, wahrscheinlich männlicher Oberkör-
per aus Bernstein. Dies ist die größte erhal-
tene menschliche Darstellung aus Bernstein
aus dem Artemision.

Abb. 109 Fragmente weiblicher Figuren in
Form kleiner Vasen. In diesen Gefdßen, wel-
che Göttinnen symbolisieren, wurde das
fruchtbarkeitspendende Wasserdes Nils auf-
bewahrt, welches im Altertum einen weitver-
breiteten Exportartikel darstellte.

Abb. 110 Bergkristalle in Linsenform, die
vielleicht als optische Instrumente Verwen-
dung fanden und sowohl vergrößern als
auch verkleinern konnten. Wenn es sich bei
den Kristallen tatsächlich um Linsen, also
Arbeitsgeräte handelte, so hätten wir damit
frühe Weihungen von Handwerkern voruns.
 
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