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deutschen Reiche nur noch diejenigen in Preußen, Sachsen,
Braunschweig und Hamburg und in den preußischen Pro-
vinzialstädten Osnabrück und Frankfurt a. M. (letztere beide
auf den Aussterbe-Elat gesetzt), und von außerdeutschen nnr
noch die in den Niederlanden und in einigen Schweizerkantonen.
In England ist die Rlassen-Lotterie seit 1826, im Großherzog-
thum Hessen seit 1832 aufgehoben. Betrieb und Verwaltung
geschehen auf Rechnung des Staats und das Prinzip ist fol-
gendes : aus eine bestimmte Anzahl Loose (in Preußen 95,000)
kommt eine bestimmte Anzahl von Gewinnen und Freiloosen
(in Preußen beziehungsweise 43,000 und 15,000); die Gewinne
werden in mehreren Abtheilungen (Klassen) gezogen, welche in
kurzen Zwischenrämnen auf einander folgen; die nicht aus der
Urne gezogenen Nummern sind die Nieten. Der ziemlich hohe
Einsatz wird auf die verschiedenen Klassen verthcilt, und um
auch den minder wohlhabenden Klassen die Bethcitigung zu
erleichtern, sind die Loose in Halbe und Viertel (in Sachsen
sogar in Achtel) getheilt. Von jedem Geivinn beziehen der
Staat und die Lotterie-Einnehmer und Kollekteure einen Abzug.
Jährlich haben zwei Ziehungen nnt je vier oder fünf Klassen
statt, und die Chancen bei der Klassen-Lotterie sind so hohe
zu Gunsten des Uuternehiners, daß man den jährlichen Rein-
gewinn des Staats aus der Lotterie in Preußen durch-
schnittlich auf 1,300,000 Thlr., in Sachsen auf 300,000 Thlr.
berechnet.
Tas Zahlenlotto oder die (genuesische) Zahlen-Lotterie
bietet dem Unternehmer noch weit günstigere Chancen als die
Klassen-Lotterie. Die Spieler besetzen beliebige von den Num-
mern 1—90 mit einem beliebigen Geldbetrag und unter ver-
schiedenen Bedingungen (entweder auf die allfällige Ziehung
einer einzelnen oder diejenige von zwei, drei, vier und fünf
Nummern (Ambe, Tcrne, Quaterne, Qninternc) u. dergl.;
die Ziehungen finden alle 14 Tage statt, und die Spieler er-
halten bei allfälliger Ziehung ihrer Nummern für eine ein-
zelne, bei bestimmte»! Auszug, den 57-, sür eine Ambe dcu
240-, eiue Terue den 4800-, eine Quaterne den 19,200-, eine
Quinterne den 48,000fachen Betrag des Einsatzes. Die Zahlen-
lottos sind nun im ganzen deutschen Reiche aufgehoben (in
Bayern seit 1861), bestehen aber noch in Oesterreich in elf
Lotterie-Anstalten: in Wien, Linz, Prag, Brünn, Innsbruck,
Graz, Ofen, Temeswar, Lemberg, Hermannstadt und Triest,
und tragen dem Kaiserstaate einen jährlichen Reingewinn von
nahezu 6 Millionen Gulden ein. Aus diesem Ziffern kann
man auf die Höhe der Gesammtsummen schließen, welche durch
das Lotto alljährlich den produktiven Geschäften entzogen und
den minder bemittelten Ständen, die ja vorzugsweise diesem
Hazardspicle mit wahrer Leidenschaft sröhnen, entzogen werden.
Die Gemcinschüdlichkeit des Lotto ist um so größer, als sür
die Mehrzahl der Spieler nur unvermeidliche Verluste ent-
stehen, die kleinen Gewinne wieder dem Lotto zugcwandt, die
großen meist leichtsinnig vergeudet werden. Da "die Leute dcu
Werth des leichtverdieuteu Geldes nicht mehr schützen lernen
und es leichtsinnig und hartnäckig für die trügerische Aussicht
auf einen mühelosen Geldgewinn hingeben, so wird im Volke
nur die Begierde genährt, ohne Mühe reich zu werden und
sein Glück auf unbestimmbare Glücksfälle anstatt auf Fleiß,
Einsicht und Genügsamkeit zu bauen. Die Folgen davon sind
Immoralität, Trägheit, Gleichgiltigkeit, Aberglauben, die sich
bis zur gewissenlosesten Verwahrlosung aller Pflichten und bis
zu Verbrechen steigern.
Die Ziehungen des Zahlenlotto in den verschiedenen ge-
nannten Städten der österreichischen Monarchie, besonders aber
in Wien, liesern den schlagendsten Beweis für die vorstehende
Behauptung von den verderblichen Folgen des Lotto für
Sittlichkeit und Volkswohlstand, und die reichste Ausbeute für
den Genremaler, dcu Psychologen und den Physioguomiker.
Wir führen auf unsere»! Bilde S. 53 die Scene einer der-
artigen Ziehung im Lottosale, im Erdgeschosse des Staatsschul-
dcnzahlungskassen-Gebäudes in der Siugerstraße zu Wien, vor.
Bei jeder Ziehung füllen sich das niedrige unscheinbare Lokal
und der davor befindliche Gang mit Hunderten von Leuten
aus dein Volk, welche der Ziehung der sünf vcrhüuguißvollen
Nummern mit fieberhafter Spannung entgegensetzen und die,
bevor sie ihre sauer verdienten und schier unentbehrlichen
Zehuerl ans gewisse Nummern setzten, zuvor dem furchtbarste»
Aberglauben gehuldigt, Traumbücher, Kartenlegerinnen und
Wahrsagerinnen, besonders die speziell hiesür bekannten Si-
byllen nm „Juugferubrünnel" bei Sievering über die zu be-
setzenden Nummern befragt haben. Unser Bild zeigt den nut
nthemloser Erwartung herbeigesehnten Moment, wo der auf
dein Stuhl stehende Knabe aus dem städtischen Waiseuhausc
in das Glücksrad greift, um die erste der fünf Nummern zu
ziehen. Alles horcht und schaut; aus den meisten Lippen der
Zuschauer schwebt ein Stoßgebet oder ein Gelübde für den
Fall des Erfolgs. Allein die launenhafte Glücksgöttin lenkt
die Hand des Waisenknaben ans fünf Nummern, welche Nie-
manden einen Gewinn verschaffen. Die in ihren Erwartungen
getäuschten Spieler gehen unter Verwünschungen und Flüchen
hinweg, geloben sich nie wieder zu sehen, — schieben aber
dann den Mißerfolg nur der falschen Auslegung ihrer Träume
oder dein Jrrthum der Zahlenprophetinnen bei, beschließen,
fortan es mit einem andern Traumbuch oder einer andern
Libylle am Jungfernbrünnel zu versuchen, und — spielen
sthon beim nächsten Lotto wieder mit, unbekümmert um den
Ruin ihres Hauswesens und die tragischen Vorfälle, welche
sich in Folge dieser Spielwuth in nur allzu vielen Familien
zutragen.

Der „fliegende Mann" in London.
lSiehe daS Bild aus Seite 57.)
Seit den ersten mechanischen Versuchen des Menschen machte
sich bei erfinderischen Köpfen der Drang geltend, eine Flug-
uiaschine zu erfinden, welche es dem an die Scholle gebundenen
vernunftbegabten Vierhänder Mensch erlauben würde, gleich !
der Taube oder dem Wandervogel sich in den Lüsten zu
wi'geu und nach Belieben durch den weiten klaren Aether zu
reisen. Wie oft aber auch diese Aufgabe in Angriff genommen
ward, gelöst hat das Problem der Fliigmaschine bis zur

Das Buch für Alle.
Stunde noch Keiner, und beinahe jedes derartige Unternehmen
endete entweder komisch niit einem ungeheuren Fiasko, wie bei
dem bekannten „Schneider von Ulm", oder in tragischer Weise
mit einem Unfall wie bei dem jüngsten Versuche des hollän-
dischen Lustjchiffers de Groof, der am 9. Juli 1874 iu Cre-
morue-Gardeus iu Loudon in seiner Flugmaschine elendiglich
umknm. Weitaus die meisten Techniker aber, welche Flug-
maschinen erfunden zu haben behaupteten und zn erbauen ver-
suchten, endeten im — Jrrenhause, gleich denjenigen, welche
die Quadratur des Zirkels erfinden oder ein 1'orpetuuiu mo-
bil« Herstellen wollten. Seit Düdalus und Ikarus siud alle
verunglückt, welche sich mit ihren Flugmaschinen in die Lüfte
erheben wollten: der Schlosser Besnier aus Snbl« iu Frank-
reich 1787, der Uhrmacher Deger in Wien 1809 u. A. in.
Auch iu Ulm hatte ein Schuciderlein eine Flugmaschine aus
Eisen, Fischbein und Taffet koustruirt, mit welcher er sich iu
Sälen und geschlossenen Lokalen bis an die Decke zu erheben
vermochte und daher eines Tags vermaß, vom Thurm des
Ulmer Münsters aus eine Luftfahrt anzutreteu. Als aber der
Tag der Ausführung kam, modisicirte das Schueiderlein sein
Programm dahin, daß er von einem Gerüst ausflicgen wollte,
das neben der Douaubrücke angebracht war; allein auch er
iiiußte erfahren, daß die menschliche Muskelkraft trotz aller
mechanischen Apparate nicht hinreicht, um die Körpcrschwere
des Individuums aufzuheben und dieses zum Schweben und
zur Fortbewegung in den Lüften zu befähigen. Bevor unser
Schneiderlein seine künstlichen Schwingen ein Dutzend Male
geregt hatte, plumpte er mit denselben in die Donan, wurde
mit Mühe herausgefischt uud war auf Lebenszeit mit dem
Fluch der Lächerlichkeit behaftet. — Herr de Groof, dessen
furchtbares Schicksal unser Bild S. 57 darstellt, war ein
junger, kräftiger uud talentvoller Mechaniker aus den Nieder-
landen ; die von ihm erfundene Flugmaschine bestand aus zwei
breiten Flügeln und eine»! keilförmigen Steuerflügel aus stäh-
lernen Federn mit solide»! Kautschukbezugc. Die bewegende
Kraft dieser Maschine war eine Art Schaukel, und der Er-
finder vermaß sich mit einem Luftballon aufzusteigeu und von
demselben aus die Möglichkeit des freiwill'gcu Fluges darzu-
thim. Die kompetentesten Mechaniker, welche seine Maschine
untersucht, hatten ihr das Verdienst einer wirklich sinnreichen
Kombination ertheilt und die Ansicht ausgesprochen, daß die
beiden beweglichen Flügel, welche die Stelle der Schwingen
eines Vogels vertreten, wie der Steuerflügcl diejenige des
Schwanzes, zum mindesten dein kühnen Luftschiffer als Fall-
schirm dienen uud ein Unglück verhüten würden. Herr de
Groof soll auch bei einem Versuch, den er im Glaspalaste
zu Sydenham angestcllt, den Beweis geliefert haben, daß seine
Flugmaschine sungire. Als er aber am 9. Juli mit dem
Luftballon Czar aufgestiegcn war und sich kaum von dem-
selben losgemacht hatte, stürzte de Groof aus einer Höhe von
etwa 400 Nieter herunter uud ward samint seiner Maschine
elendiglich zerschmettert. Irgend ein Theil des Apparats mochte
gebrochen sein, so daß derselbe nicht mehr fungiren konnte und
so das Unglück erfolgen mußte.
Die Mlmkier in Panama.
Historische Skizze
von
Felix Lilla.
In den ersten Jahrzehnten deZ 17. Jahrhunderts
verließen einige abenteuerlustige Franzosen, angeführt von
dem Sieur d'Anambuc, einem Edelmann aus der Nor-
mandie, ihr Vaterland nnd begaben sich nach Westindicn,
um auf eigene Fanst gegen die Caraiben und hauptsäch-
lich gegen die Spanier Krieg zu führen. Zuerst hatten
sic ihren Hanptsitz ans der Insel St. Christoph, später
an der Nordwestküste von St. Domingo und auf der
benachbarten kleinen Insel Tortue (spanisch Tortuga:
Schildkrötcninsel). Die kriegerischen Unternehmungen
dieser Leute, zn denen sich bald verwegenes Gesindel aus
aller Herren Länder — ausgenommen Spanien, welches
als gemeinschaftlicher Feind betrachtet wurde — gesellte,
bildeten den eigentlichen Ursprung des Flibustierthums.
Als die spanische Bevölkerung St. Domingo's durch große
Treibjagden auf den weiten Savannen im Norden der
Insel die Bisons oder wilden Ochsen nnd Wildschweine
ansgcrottet hatte, vereinigten sich auch die auf solche Art
aus ihrem Gewerbe geworfenen Bukaniers oder Stierjäger,
meistens Franzosen, welche sich bisher noch von der
Seeräuberei fern gehalten, init den Flibustiern, nnd von
der Zeit ab wurden diese erst recht furchtbar. Ihre
Verwegenheit grenzte an das Unglaubliche. In offenen
Booten überfielen sie auf hoher See große wohlarmirte
und an Mannschaften weit überlegene spanische Kriegs-
schiffe und eroberten sie in der Regel. „Sieg oder Tod!"
war ihre Losung und nach gewonnenem Sieg das mög-
lichst schnelle Verprassen der reichen Beute ihre einzige
Lust.
Die in Luxus und Weichlichkeit erschlafften Nach-
kömmlinge der heldenhaften Conquistadoren, der gepan-
zerten streitbaren Hidalgos, welche einst Pizarro's nnd
Cortez' siegreichen Fahnen gefolgt waren, mußten nun
schwer die Sünden ihrer Väter büßen. Die anderthalb
Jahrhunderte zuvor geschehenen greulichen Niedcrmctze-
lungen der Eingeborenen Peru's und Mcxiko's dienten
den Flibustiern als willkommener Vorwand, die Spanier
immer von Neuem anzugreifen und zu berauben, ihre
Städte zu verbrennen und sie selber mit grausamer Wuth
zu tödten. Insgeheim waren auch die Mächte Europa's,
vornehmlich England und Frankreich, es Wohl zufrieden,
wenn die damals noch fnrchtgebietende Großmacht Spa-
nien geschwächt wurde. Sie unterstützten und begünstigten

Hcsi 3.
deshalb durch lange Jahre heimlich das Flibustierthum
und achteten in Friedenszeiten trotz aller feierlichen Ver-
träge wenig auf die heftigen Beschwerden des Madrider
Kabinets, welches sich über die englischen und französischen
Seeräuber beklagte, die häufig nicht nur unter der rvthcn
Piratenflagge, sondern auch unter ihren hcimathlichcn
Nationalbannern segelten und sich nicht kümmerten um
Friedenstraktate und Völkerrecht.
Die bedeutendste Unternehmung der Flibustier wurde
im Jahre 1671 ausgeführt unter dem Kommando von
Henry Morgan, ihrem geschickten und verwegenen An-
führer, der mit seinen Schaarcn über die Landenge von
Daricn zog und Panama angriff.
Dieser berühmteste aller Freibeuter war um das
Jahr 1630 in Wales geboren und kam in seinen Jüng-
lingsjahren als Matrose nach Barbadoes, wo er das
Unglück hatte, als weißer Sklave verkauft zu werden.
Doch sein ungestümer Muth, der vor Mordthaten nicht
zurückschrak, erlöste ihn bald aus dem Sklavcnelend. Er
schloß sich den Piraten an, zunächst dem Kapitän Mans-
field, mit dem er Cuba in mehreren Plünderungszügen
hciinsuchte. Auch an dem berüchtigten Raubzuge des
Franzosen L'Olonois nahm er Theil. Er half demselben
im Jahre 1666 die Stadt Maracaibo Plündern und er-
warb sich unter diesem schändlichsten aller Freibeuter-
häuptlinge eine gräßliche Geschicklichkeit im Foltern von
Gefangenen, um Angaben über versteckte Schätze heraus
zu pressen. Bald jedoch machte er sich ganz selbstständig,
und da das Glück an seine Flagge sich heftete, so strömten
ihm bald in Menge die tapferen Abenteurer zu.
Im Jahre 1670 befehligte er eine Flotte von 37
Fahrzeugen und mehr als 2000 der kühnsten Männer,
welche die Welt je gesehen. Eine größere Streitmacht
hatten die Flibustier noch niemals in der westindischen
See entfaltet. Es verstand sich somit von selbst, daß
das Ziel der Unternehmung diesmal ein großes sein
müsse. Morgan bezeichnete als solches die Plünderung
von Panama, welche Stadt dainals die größte und reichste
der neuen Welt war.
Dort befand sich der große Stapelplatz der Edel-
metalle aus den mexikanischen nnd peruanischen Berg-
werken. Alljährlich wurden zu bestimmten Zeiten zum
weiteren Versandt nach Spanien durch große Maulesel-
karawanen ungeheure Quantitäten Gold und Silber über
die Landenge nach Portobello transportirt, welche Stadt
Morgan bereits im Jahre 1668 einmal gründlich aus-
geplündert hatte. Auch segelten jährlich einige große
Gallionen — die sogenannten „Silberschiffe" — westlich
durch den Archipel der Philippinen, Manilla anlaufend,
nach Spanien und bildeten den Gegenstand der eifrigsten
Aufmerksamkeit vieler Piraten, die gierig auf die reiche
Beute lauerten. Zu einer Zeit als die Städte im Nor-
den, die englischen Ansiedelungen, fast nur aus schlechten
Blockhäusern bestanden, wohnten die Panamesen in mas-
siven Steingcbäuden, die mit prächtiger Ornamentik ver-
ziert und im Innern luxuriös ausgestattet waren mit
kostbaren Möbeln, Gemälden, Skulpturen und Tapeten.
Luxus und UePPigkeit herrschten im höchsten Grade.
Die reichen Kaufleute hatten außer ihren Stadtpalästen
auch reizende Villen auf deu kleinen paradiesischen Inseln
im Golf, welche nian „die Gärten von Panama" nannte.
Die Stadt war Sitz eines Bischofs, hatte acht Klöster
von ungeheurem Umfang und zwei herrliche Kirchen,
darunter die nach italienischer Art gebaute majestätische
Kathedrale. 7000 Häuser enthielt Panama, von denen
2000 als Paläste bezeichnet werden konnten. Der Gon-
vcrueur Don Juan Perez de Guzinan war zugleich
Generalkapitän aller Truppen des Königreichs Peru.
Gewiß mußte es als ein ziemlich tolles Unternehmen
erscheinen, als ein zusammengewürfelter Flibusticrhaufen
sich die Aufgabe stellte, eine solche große volkreiche uud
noch dazu durch Battericen und sonstige Verschanzungen
wohlbefestigte Stadt zu erobern. Morgan selbst hegte
einige Bedenken, nicht über den Erfolg seines Plans,
Wohl aber über die möglichen gefährlichen Folgen, welche
die Nachricht von dein Raubzug iu Europa für ihu
heraufbeschwören konnte. Es war mit Sicherheit voraus
zu sehen, daß der spanische Gesandte in London im Auf-
trage seiner Regierung alles in Bewegung setzen werde,
um Genugthuung zu erhalten und für die Flibustier
eine gründliche Züchtigung Seitens der Kriegsflotte
Karls 11. herbei zu führen. Er beschloß daher, sieh zu-
vor der Insel St. Katharina zu bemächtigen, um einen
festen Punkt zu gewinnen, von welchem aus er unter
Umständen nicht nur Spanien, sondern auch England
und Frankreich trotzen könne. Die Errichtung eines
unabhängigen Flibustierreiches in Wcstindien war augen-
scheinlich sein Gedanke. Um jedoch einen Passenden Vor-
wand für sein Vorhaben zu erlangen, vereinigte er sich
mit seinem Freunde, dem gewissenlosen englischen Gou-
verneur von Jamaika, Sir Thomas Madiford, dessen
Unterstützung er durch große Geschenke von seinen geraub-
ten Reichthümern erkaufte, und diese Beiden schmiedeten
daun die Lüge zusammen, daß der Gouverneur von Pa-
nama die Absicht habe, Jamaika anzugreifen, welcher
Gefahr inan zuvorkommen müsse. Don Juan Perez de
Guzman, ein durchaus pflichttreuer Beamter, dachte im
tiefen Frieden nicht an die Ausführung solcher Waffen-
 
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