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Die Fran des Arbeiters
Roman
von
Friedrich Friedrich.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
„Das ist mir lieb!" rief Brand. „Nun sind wir keine
Fremde mehr und werden uns um so leichter verstän-
digen, denn Sic wissen jetzt, daß ich fest auf der Seite
der Arbeiter stehe, daß ich zu ihnen halte unter allen
Fällen! Diese Arbeit hat mir viel Freude gemacht und
viel Feinde gebracht! Sic sind nicht der Erste aus dein
Kreise der Arbeiter, der stc gelesen hat und mir offen
beistimmt. Meine Gegner haben mich deshalb scharf
und gehässig angegriffen, sie haben mir den Vorwurf
gemacht, daß ich die Verhältnisse nicht kenne und auf
meiner Studierstnbe auch keine Gelegenheit habe, sie ken-
nen zu lernen. Sie irren sich, denn
an jeder Frage, welche die Arbeiter be-
wegt, nehme sch den innigsten Antheil,
ich besuche ihre Versammlungen, ich
gehe Abends in Restaurationen, wo sie
Verkehren, um ihre Ansichten kennen zu
lernen. Ich habe auf alle die An-
griffe bis jetzt noch nicht geantwortet,
allein hier — hier liegt die Antwort!"
Er sprang auf und zeigte mit der
Rechten auf ein dickes Mannscript.
„Dies Werk über die ganze sociale
Frage der Gegenwart, welche die Arbeiter
— welche alle Kreise so mächtig und
erschütternd bewegt, soll ihnen die Ant-
wort geben," fuhr er lebhaft erregt fort.
„Aus ihm sollen sie die Wahrheit
lernen. Ich beschränke mich nicht darauf,
mich zu vcrthcidigcn, sondern ich greife
meine Gegner an, scharf, stürmisch,
mit überlegenen Waffen ! Wer angrcift,
ist stets im Northeil, denn er kann nach
einem bestimmten Schlachtplane handeln
und seine Kräfte geschickt Vertheilen.
Ich greife an und ich hoffe die ganze
Schaar meiner Gegner über den Haufen
zn werfen. Und ich verwende nicht ein-
mal alle meine Kräfte zum Angriffe.
Ein kluger Feldherr hat Reserve, die er
nicht mit in die Schlacht sendet, deren
Kräfte er schont, nm sie mit voller
Gewalt auf den fliehenden Feind zu
werfen und diesen ganz zu vernichten.
Sehen Sie hier diese beiden Mannscripte
— sie sind meine Reserve. Wenn ich
meine Gegner geworfen habe, dann sende
ich ihnen diese beiden Broschüren nach,
um sie ganz zu vernichten, ehe sie wie-
der Zeit gewinnen, sich zu erheben.
Dem Feinde gegenüber kenne ich kein
Mitleid, ich gebe keinen Pardon! Mit
ruhigem Blute versetze ich ihm den Todes-
streich, denn was uns cntgegentritt,

das hindert uns, und wer ein großes Ziel verfolgt,
muß Alles, was ihm entgegentritt, über den Haufen
werfen!"
Wie ein Feldherr stand der kleine Mann da. Kampf-
gerüstet hatte er die Rechte ausgestreckt, als ob er einen
Befehl ertheilen wolle, als ob es nur eines Zeichens von
ihm' bedürfe, um alle seine Truppen auf den Feind rücken
zu lassen.
Nicht ohne Bewunderung blickte Wenzel auf ihn.
„Diese Mannscripte hier sind das Werk mehrerer
Jahre," begann Brand aus's Neue. „Sie ahnen nicht,
welche Arbeit in ihnen verborgen liegt. Die Arbeiter-
schlagen die Geistesarbeit gewöhnlich viel zu gering an,
weil sie dieselbe nicht kennen, weil sie nicht wissen, wie
gewaltig dieselbe aufreibt. Wenn Sie des Abends nach
der Arbeit heimkehrcn, dann gehört der Abend und die
Nacht Ihnen, Ihr Arm hat Zeit sich auszuruhcn; mögen
Sic still daheim sein oder mit Freunden bei einem Glase

Bier -sitzen, Sie gedenken der Arbeit des Tages nicht
weiter, es ist für Sie etwas Abgethanes. Das kenne ich
nicht. Wie manche Nacht habe ich hier an: Schreibtische
zugcbracht! Wenn ich des Abends fortgehe, nm Erholung
zn suchen, dann arbeitet der Geist unablässig weiter,
denn eine Idee, welche Einen beschäftigt, läßt sich nicht
wie ein Handwerkszeug zur Seite legen. Immer und
immer wieder" taucht sie auf, sie rüttelt wach und wenn
die Augen noch so sehr ermüdet sind!"
„Dafür ist es auch Ihr Werk, an dem Sie arbeiten
und die Arbeit selbst wird Ihnen Freude machen," warf
Wenzel ein.
„Ja, wir arbeiten für Andere, aber das Werk selbst
ist unser Eigenthum, deshalb arbeite ich gerne und bringe
freudig meiner Aufgabe die größten Opfer."
„Sind Sie verheirathet?" fragte Wenzel, ohne daran
zu denken, daß eine weibliche Hand mehr Ordnung in
dem Zimmer halten würde.
„Ich verheirathct?" wiederholte dcr
kleine Gelehrte erstaunt. „Mein Freund,
für mich ist nicht Weib nnd Familie,
sie würden mich in der Erreichung
meines Zieles hindern. Wer sich eine
große Aufgabe gestellt hat, muß sich
frei halten und frei fühlen, nicht andere
Sorgen dürfen sich hemmend an. seine
Ferse heften. Hütte ich eine Frau nnd
Familie, so hätte ich auch die Ver-
pflichtung, für sie zu sorgen, ich müßte
arbeiten, um sie zu erhalten. Jetzt ar-
beite ich nur, um meine Aufgabe zu er-
reichen, um die gerechte Sache der Ar-
beiter zu vcrtheidigen und zum Siege
zu bringen. Was thut es, wenn ich
selbst oft darbe, nur mein eigener Körper
könnte mich deshalb anklagen und der
ist sehr genügsam! Ich klage nicht und
rechne auch nie auf äußeren Lohn, denn
meine einzige Genugthuung suche ich in
der Durchführung nnd Geltendmachung
meiner Idee. Ich sehe mich als den
Apostel der Arbeiter an, meine Aufgabe
ist, sie anfzurütteln, damit sie ihre
Kraft und Macht erkennen, damit sie
anfhören, Maschinen nnd Werkzeug in
den Händen Anderer zu sein. Blicken
Sie mich nicht so befremdend an, denn
Sie sind zu klug, als daß Sie mich
nicht verstehen sollten. Durch die ganze
Natur geht ein Kümpfen nnd Ringen.
Was sind Gesetze? Der Wille der-
jenigen, welche die Macht haben, mehr
nicht, denn der Mächtigste kann den
Anderen vorschrciben, wie sie leben sollen.
Die Arbeiter klagen, daß sie ein unter-
drückter Stand sind, daß sie von den
Reichen in Knechtschaft gehalten werden.
Haha! Wer freiwillig Sklave ist, ist
nicht zu bedauern nnd die Arbciter
bengen sich freiwillig, weil sie ihre
Kraft nicht kennen, weil sic nicht

l>r. K. L, K, Shdotv. Nach einer Photographie gezeichnet von C, Kolb. (S. 415.)
 
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