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Nie Frau des Arbeiters.
R o ui a n
von Friedrich Friedrich.
1- (Nachdruck verboten.)
Auf der Terrasse eines reizend gelegenen und schon
ans der Ferne durch seinen leichten und geschmackvollen
Styl auffallenden Landhauses
gingen zwei junge Mädchen Arm
in Arm langsam aus rind ab.
Sie schienen in gleichem Alter
zn sein und konnten höchstens
achtzehn Jahre zahlen. Beide
waren hübsch und eS würde
einein Richter in der That schwer
geworden sein, zu entscheiden,
welcher er den Preis ertheilen
solle.
Ina, die Tochter des reichen
Kaufmanns Plat en er, dem
das Landhaus gehörte, war
eine jener Blondinen, die auf den
ersten Blick durch die Weichheit
und Milde ihrer Züge fesseln,
aus deren Augen die volle
Weiblichkeit leuchtet, die eiuer
Blume gleichen, welche ängstlich
gehütet und gepflegt ist, über
die noch kein rauher Windhauch
hingcfahren. Ina hatte in ihrem
Leben kaum etwas anderes als
Glück, Entgegenkommen und
Liebe kennen gelernt. Wohl
hatte sie ihre Mutter verloren,
allein damals war sic noch ein
Kind gewesen und in dem jugend-
lichen Herzen war diese Wunde
schnell vernarbt, da ihr Bater
sinne ganze Liebe dem einzigen
Kinde zugewandt und es mit
all' den Freuden, die sein Reich-
thnm gestattete, umgeben hatte.
Sic war heiter und unbe-
fangen, das Glück, welches das
Leben ihr bieten konnte, genoß
sie, denn seit wenigen Wochen
Ivar sie mit dein Lieutenant
Rudolph v. Brankow, den
sie innig liebte, verlobt, und
daß das Leben auch trübe Tage
bringen könne, vermochte sie
nicht zu begreifen, da der
Himmel über ihr stets heiter
gewesen Ivar.
Die Gesichtszüge ihrer Freun-
din und Begleiterin, I ohan n a
M v sen, waren vielleicht weni-
ger hübsch, allein ihre großen
dunklen Augen gaben dem gan-
zen Gesichte einen geistigen Äus-
drnck, bei aller Milde sprach

doch ein ruhiger und fester Sinn ans ihren Zügen. Sie
hatte bereits mehr als Eine Bitterkeit und Härte des
Lebens erfahren, wenn auch nie eine Klage über ihre
Lippen gekommen war.
Ihr Bater war Hausdiener bei Jna's Bater gewesen,
die beiden Mädchen waren zusammen ausgewachsen und
als Ptosen vor zwei Jahren gestorben Ivar, hatte Plate-

ner die Jugendgespielin seiner Tochter ganz zu sich ge-
nommen, um Ina eine treue Freundin und Stühe zu
geben, obschon Johanna nicht älter war. Er kannte des
Mädchens ruhigen und festen Sinn und wußte, daß der
besonnene Charakter desselben den Jahren vorausgeeilt
war, und eine bessere Freundin hätte Ina nie finden
können, eine Freundin, die nie vergaß, daß all' die Liebe,
welche sie genoß, nur ein Ge-
schenk war.
„Wo nur Rudolph heute
bleibt!" rief Ina, während ihre
Augen über den nach der nahen
Stadt führenden Weg hinglit-
ten. „Er hat mir versprochen,
heute früher zu kommen als
gewöhnlich und doch ist die
Stunde, in der er hieher zu
eilen Pflegt, bereits da."
„Er wird Abhaltüüg gehabt
haben," bemerkte Johanna be-
ruhigend.
„Er darf sich nicht abhalten
lassen, wenn er mir ein Ber-
sprechen gegeben hat!" entgeg-
nete Ina mit dem Trohe eines
Kindes, welches gewohnt ist,
stets seinen Wunsch erfüllt zu
sehen. „Weiß er doch, daß ich
ihn erwarte."
„Und wenn er nun durch den
Dienst gehindert ist?" warf
Johanna ein.
„Johanna, Du nimmst ihn
immer in Schutz!" fuhr das
blonde Mädchen lächelnd fort,
denn sie vermochte dem Gelieb-
ten nicht zu zürnen. „Weißt
Du, ehe Rudolph mir gestan-
den hatte, daß er mich liebe,
war ich eifersüchtig auf Dich,
denn ich glaubte, er liebe Dich
mehr als mich!"
Johanna wandte den Kopf
zur Seite, denn dunkle Röthe
ergoß sich über ihre Wangen;
absichtlich ließ sie ihr Tuch
fallen, nur um für einen Augen-
blick, während sie dasselbe auf-
hob, den Arm der Freundin
loszulassen. Ina durfte nicht
fühlen, wie schnell ihr Herz
bei den Worten schlug, sie
durfte auch nicht sehen, wie
gewaltsam das Blut sich auf
ihre Wangen drängte. In der
nächsten Minute hatte ' sie sich
bereits wieder gefaßt.
„Wie hätte er dazu kommen
sollen mich zu lieben?" sprach
sie ruhig, ohne daß es ihr jedoch
gelang, einen leise schmerzlichen

Friederike Bremer. (S. 24S.)
 
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