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Dorn wollte nur einen oder zwei Tage in Radom
bleiben und sich an den Präsidenten des Gerichts in Jo-
sepha's Angelegenheiten wenden, aber es kam anders.
Der Präsident war so schnell nicht zu sprechen, und
noch am Tage seines Eintreffens citirte man ihn vor die
Polizei, welche ihm den Borwurf machte, daß er in
Skaryszow einen Insurgenten, welcher von den kaiser-
lichen Truppen verwundet worden, ärztlich behandelt
habe, ohne davon Anzeige zu erstatten. Wiewohl er ver-
sicherte, daß er es sür seine Pflicht halte, jedem Hilfs-
bedürftigen beizustehen, ohne sich nur die äußere Ver-
anlassung von dessen Leiden zu bekümmern, schien die
Sache doch bedenklich werden zu können; der Verwundete
oder dessen Weib brauchten blos auszusagen, welchen
Verdacht er selbst vor ihnen geäußert hatte, der Dragoner-
offizier anzugeben, daß er ihm Mittheilungen über einen
Zusammenstoß mit Aufständischen gemacht, und man

Karl Friedrich v. Gerber, königlich sächsischer Kultusminister. (S. 78.)
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb.

Würde nicht ermangeln, seine Thal wo möglich zum Hoch-
verrathe zu stempeln; wenn sich dazu noch die Jntri-
guen persönlicher Feinde fanden, so ließen sich die schlim-
men Folgen gar nicht absehen.
Der Pölizeibeamte, der ihn zu Protokoll nahm und
ein wohlwollender Mann zu sein schien, verhehlte ihm
dies auch nicht und rieth ihm vertraulich, Radom so
schnell wie möglich zu verlassen.
„Es macht dann mehr Umstünde, Sie noch einmal
vorzufordern," sagte er, „und die Sache geräth darüber
vermuthlich in Vergessenheit, zumal wir jetzt so viel zu
thun haben. Bleiben Sie hier, so riskiren Sic einen
Verhaftsbefehl, und dann können Sie vielleicht Wochen
oder Monate lang auf Entscheidung warten."
Dorn sah ein, daß er Recht hatte, und versprach,
seinem Rathe zu folgen, so ungern er auch die Stadt
wieder verließ, ohne bisher im Stande gewesen zu sein,
etwas für seine Zwecke zu thun. Auch
Roman drängte ihn dazu und besorgte
Alles, daß er nach Einbruch der Dunkel-
heit wieder absährcn konnte.
Die beiden Freunde nahmen dieses
Mal einen recht trüben, ahnungsvollen
Abschied, war Roman Solkowitsch doch
entschlossen, ebenfalls schon am nächsten
Tage abzureifen, um das Corps des
Langiewicz aufzusuchen, dem er sich an-
schließen wollte; er würde Dorn gern
sogleich begleitet haben, indessen konnten
sich die Gefahren für den Letzteren dadurch
vermehren. Roman anderen Sinnes zu
machen, war dem Doktor nicht möglich
x gewesen.
M Dorn fuhr also Abends ab und wußte
M-.. es so cinzurichten, daß er auf der Post
in Skaryszow nicht erkannt wurde; wahr-
schcinlich war der Postmeister auch mehr
oder weniger bei der von dort ausgcgan-
gcnen Denunciation betheiligt. Ain an-
deren Vormittage bei guter Zeit langte er
wieder in Opatow an.
Hier hatte sich gerade das Gerücht
verbreitet, daß das Langiewicz'schc Corps
sich der Stadt nähere, die zur Zeit nicht
einmal eine Garnison besaß, und es herrschte
die lebhafteste Unruhe vor; selbst die Freunde
der Insurgenten befürchteten, daß hier ein
Kampfschauplah werden könne.
Sehr bestürzt war aber der Doktor,
v als er von seiner Mutter erfuhr, Josepha
habe Tags vorher durch einen Kurier von
Gräfin Valeska einen Brief mit der sehr
dringenden Einladung, unverzüglich nach
v, , Opalin zu kommen, erhalten und sei dcr-
selben in Begleitung Fräulein Krüger's
gefolgt, bisher auch noch nicht zurückgekehrt.
. Die Gräfin hatte ihr geschrieben, daß
Gerichtsbeamte aus Radom angekommcn
seien, die ein Protokoll aufnehmen wollten,
daß Josepha's Anwesenheit dabei uner-
läßlich wäre und Jene sich nicht länger wie

Die Cröin.
Roman
von
Stanislaus Graf Grabowski.
(Fortsetzung.)
6.
Roman wurde von seinem Freunde, den er herzlichst
begrüßte, in sehr erregter Stimmung angetroffcn. Nicht
allein, daß er in Beziehung auf den Aufstand die von
Dorn befürchteten Ideen hegte, sondern er war durch
einen eigcnthümlichen Umstand auch beinahe genöthigt,
sie zur Ausführung zu bringen.
Wie er Dorn in seinem Briefe schon angcdcutct,
hatten die Lpalincr alle Minen in Bewegung gesetzt,
um ihrem Prozesse gegen Josepha den günstigsten Ver-
lauf zu geben, und ein Zufall Roman
entdeckt, daß derselbe Rath, welcher da-
mals das Testament des verstorbenen
Grafen Gregor eröffnete, ihren Bestrebun-
gen durch bedeutende Geldsummen nicht
unzugänglich sei; dieser Mensch wagte es
darnach noch, als er sich entdeckt sah,
Roman in seine eigennützigen Interessen
ziehen zu wollen, und als er auf eine
entschiedene Weigerung stieß, überhäufte
er ihn mit Drohungen, die er nur zu
leicht währ machen konnte.
Der junge Sekretär begriff, daß es
fortan um seine amtliche Stellung ge-
schehen sei, und wenn er, bei Verlust
derselben, auch vor materiellen Sorgen s
durch sein Vermögen geschützt blieb, so
Wurde sie ihm doch auf das Aeußerste
verhaßt — ein ehrlicher Mann kann wohl
dem Rechte dienen, aber niemals der Will-
kür — und er sah voraus, daß gerade
in dieser Zeit man die verderblichsten
Dciu.inciationen mit Erfolg gegen ihn in
Anwendung bringen würde. So fand er
sich zwischen zwei Feuer gestellt und ent-
schloß sich, nicht dem vielleicht gefährlich-
stcn, sondern dem entgegen zu gehen, dem
er mit würdiger Uebcrzeuguug trotzen i HWsW
konnte; er war im Begriffe, zu den In-
surgenten, den Kindern seines Vatcrlan- - -UWUM
deS, zu gehen, anstatt sich von dessen MW
Machthabern in die Soldatenjacke stecken lxvxMWM
ZU lassen. " MUDM
Nachdem Roman, der dabei seine / j -MW
gewöhnliche Leidenschaftlichkeit nicht ver-
leugnen konnte, diese zwingenden Ver- . MsKW
hältnisse seinem Freunde offen und klar UW
auseinander gesetzt hatte, war derselbe vMvM
auch kaum noch im Stande, ihm zu wider- d ' s > f '
sprechen. Wenn er in bester vorsorglicher
Absicht noch Einwendungen erhob, so ahnte
er schwerlich, daß seine eigenen Verhält-
nisse ihn bald auf denselben Punkt treiben
konnten.
 
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