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Die Frau des Arbeiters.
Roman
von
Friedrich Friedrich.
(Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)
„Wir haben noch hinlänglich Zeit/' bemerkte Hassel.
„Es ist mir lieb, daß ich Sie vorher getroffen habe.
Sie wissen, daß ich heute Abend nicht gern gegen Sie
auftrete, und doch kann ich mit Ihrer Ansicht, daß es
noch zu früh sei, um in Fröbel's Fabrik die Arbeit ein-
zustellcn, wenn er nicht einen höheren Lohn zahle, nicht
übereinstimmen."
„Sie wissen, weshalb ich jetzt dagegen bin," gab
Wenzel zur Antwort. „Einem solchen Schritte müssen
Alle beitretcn, sonst verliert er an Wirkung, und die
Anzahl Derjenigen, welche dagegen sind, ist nicht gering."
„Sie werden sich fügen, sobald der Be-
schluß gefaßt ist, und ich werde alle meine
Kraft aufbieten, um sie dazu zu bereden, ich
habe ja jetzt Zeit," warf Hassel ein. „Durch
allzu langes Zögern werden Sie aber auch
die Entschlossenen erlahmen machen. Ich
habe vor Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten
die größte Achtung, dennoch glaube ich, daß
ich die Menschen besser kenne als Sic. Wer
ans die Arbeiter rechnen will, muß schnell
beschließen und schnell handeln."
„Sie hegen gegen Fröbel einen Groll, des-
halb drängen Sie zu den: Schritte," bemerkte
Wenzel.
„Nein, wahrhaftig nicht deshalb!" rief
der frühere Buchhalter'lachend. „Sie meinen,
weil ich die Stelle bei ihm verloren habe!
Haha! Sie sind im Jrrthum! Ich könnte
Fröbel eher zu Danke verpflichtet sein, denn
mir ist bereits eine viel bessere Stelle ange-
boten, allein ich will mich nicht wieder bin-
den, weil ich meine Zeit besser benutzen
kann. Ich meine es ehrlich mit den Ar-
beitern. Als Buchhalter habe ich einen
Blick in Fröbel's Bücher und in sein Ge-
schäft gethan, ich weiß, wie viel er jährlich
verdient. Ihm bleibt immer noch eine an-
ständige Summe, wenn er die Hälfte feines
Gewinnes feinen Arbeitern gibt, durch deren
Mühen er reich geworden ist. Deshalb bin
ich dafür, deshalb dränge ich! Ich habe ja
keinen Gewinn dadurch, allein das Gefühl
der Gerechtigkeit leitet mich!"
Wenzel schwieg. Die Worte des früheren
Buchhalters, welche so aufrichtig klangen,
blieben nicht ohne Eindruck auf ihn. Es
war wahr, daß Hassel keinen Geivinn dadurch
hatte und daß es ihn: bei seinen Fähig-
keiten nicht schwer werden konnte, eine
Stelle zu finden. Wovon derselbe jetzt lebte,
wußte er nicht, allein cs kümmerte ihn
auch nicht.
„Glauben Sie, daß Fröbel auf die For-

derung eines höheren Lohnes eingehen wird?" fragte er
nach einer Weile.
Hassel zuckte ausweichend mit der Schulter.
„Nein, ich glaube es nicht," sprach er dann. „Seit
langen Jahren haben die Arbeiter sich stets nach seinen:
Willen richten müssen, er wird es deshalb nicht ertragen,
wenn das Entgegengesetzte an ihn herantritt. Die Herren
glauben noch immer im Rechte zu sein, er wird deshalb
Ihre gerechte Forderung zurückweisen."
„Dann werden so und so viele ohne Arbeit sein,"
bemerkte Wenzel.
„Haben Sie für den Fall nicht bereits eine Kasse
gebildet? Sie werden auch von anderen Vereinen unter-
stützt werden, denn was Sie erstreben, wird allen Ar-
beitern zu Gute kommen."
„Unsere Kasse wird bald erschöpft sein," sprach
Wenzel, in den: so manche Bedenken aufstiegen. „Wohl
nur wenige von Fröbel's Arbeitern haben sich etwas

erspart, tritt die Noth an sie heran, dann werden sie
unter jeder Bedingung zur Arbeit zurückkehren."
„Wie ängstlich Sie sind!" rief Hassel lachend.
„Sprechen Sie dies in der Versammlung nicht aus,
sonst verlieren die Meisten das Vertrauen zn Ihnen,
nnd doch müssen Sie der Führer sein und bleiben, weil
Sie allein die Fähigkeit dazu besitzen. Eine Versicherung
glaube ich Ihnen jedoch geben zu können. Wenn Fröbel
sich auch anfangs weigert, auf Ihre Forderung einzu-
gehen, so wird er es doch sehr bald thun, denn er ist
ein zu kluger Kopf, als daß er nicht berechnen sollte,
wie viel er verliert, wenn seine Fabrik ganz still steht."
„Nun, mag es kommen wie es will, ich bin zum
Aeußersten entschlossen!" rief Wenzel. Er dachte daran,
daß er durch nichts so viel verlieren könne, als er an
diesem Abende verloren hatte — Johanua's Liebe.
Sie traten in die Versammlung ein.
Ilm den in ihm zehrenden Schmerz zu betäuben und
sich Fassung zu erringen, trank er schnell
mehrere Glas Bier. Zahlreiche Arbeiter hatten
sich bereits in dem Saale versammelt, es
ging laut her, allein er hörte das Durcheill-
ander vieler Stimmen kaum, in ihm tönten
selbst jetzt noch Johanna's Worte wieder.
Nur an sie dachte er. War das Band,
welches sie verband, nicht bereits zerrissen,
wenn sie so zn ihm sprechen konnte? Er
befand sich in einer verzweiflungsvollm
Stimmung.
Brand trat zu ihn: und forderte ihn auf,
die Versammlung zu eröffnen, ehe die allge-
meine Erregung noch größer werde.
„Thun Sie es," entgegnete Wenzel.
„Wozu? Sie werden doch zum Präsi-
denten gewählt werden," warf Brand ein.
„Nein, heute nehme ich diese Wahl nicht
an, ich tauge heute nicht dazu — ich bin
zerstreut und außerdem will ich auch sprechen
— übernehmen Sie heute diese Aufgabe,
ich werde Sie zum Präsidenten Vorschlägen."
Brand las in Wenzel's Augen seine innere
Erregung.
„Gut, ich bin damit einverstanden!" ent-
gegnete er.
Diese Worte erinnerten Wenzel an die,
welche Johanna gesprochen hatte. Sollte
Brand sie gehört haben? Das Blut schoß
ihn: in die Wangen und heftig erfaßte er
den Arm des kleinen Gelehrten.
„Wie sagen Sie?" rief er. „Wieder-
holen Sie die Worte noch einmal!"
Erstaunt blickte Brand ihn an, denn er
begriff diese Aufregung nicht.
„Was wollen Sie?" fragte er. „Ich
füge mich ja nur Ihrem eigenen Wunsche."
„Sie haben Recht," sprach Wenzel, dessen
Hand wie ermattet niedersank. „Ich — ich
hatte Sie falsch verstanden."
Brand eröffnete die Versammlung und
wurde auf Wenzells Vorschlag zum Vorsitzen-
dell gewählt, und er war auch der geeignete

LanlS Joseph Bussel. (T, 488.)
 
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