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D i e

Das Glück dieses Wiederfindens,
besonders zu so entscheidender Stunde,
war auch sür Dorn zu groß, als daß
davor das Rachegefühl nicht zurücktreten
sollte: überzeugt, daß ihm die Verbre-
cher doch nicht entgehen würden, um-
armte er Josepha, die jetzt vor Freude
weinte, und suchte die in so hohem
Grade Aufgeregte zu beruhigen.
Bis jetzt war er auch noch gar
nicht im Klaren darüber, was hier

hier zum Werkzeuge einer Schandthat dienen sollen, die
Sie selbst verurtheilen müssen. Haben Sie nicht ver-
nommen, daß diese Dame laut um Schutz gegen ver-
brecherische Gewalt fleht? — Und was mich und meine
Leute anbetrifft, die wir im Dienste der souveränen Na-
tionalregierung Polens stehen, so erfüllen wir nur die
Befehle unseres Vorgesetzten, wie Ihnen diese Ordre und
Vollmacht des Diktators beweisen wird."
Er zog dabei eines der Papiere, das sich unter denen
Dorn's befunden hatte, hervor nnd überreichte es mit
einer ehrfurchtsvollen Verbeugung dem Geistlichen, der
durch diese ruhige Auseinandersetzung sichtlich sehr be-
stürzt geworden war. Jetzt dachte er jedenfalls nur noch
daran, sich selbst zu salvircn, und warf Graf Anton
einen Blick zu, der gleichsam sagte: „Nun, ich kann beim
besten Willen nicht mehr anders." Dann stellte er das
Kruzifix aus der Hand nnd entfaltete langsam das
Papier. .

Die Insurgenten hatten sich in Folge des sicheren
Auftretens ihres Führers nun auch schon mehr gefaßt,
und erhoben sich Einer nach dem Anderen, um sich wie-
der auf ihre Waffen zu stützen.
Noch herrschte ein erwartungsvolles Schweigen, und
Aller Blicke waren auf den Priester gerichtet, der beim
Lesen vermuthlich für sich selbst Zeit gewinnen wollte.
Endlich sagte er, das Papier zurückgebend:
„Es ist richtig," — die katholischen Priester hatten am
allerwenigsten Grund und Lust, es mit den Russen zu
halten und mit den Insurgenten zu verderben — „Sie
Haben Ihre Vollmacht, in dieses Haus einzudringcn.
Aber ich begreife nicht das Benehmen dieser Dame, die
sich vor Kurzem noch ganz bereit erklärte — wie mich
auch Graf Jazierski ihrer Einwilligung versicherte —
den Segen der Kirche über ihre eheliche Verbindung mit
Herrn v. Koslowski in Anspruch zu nehmen."
„Mit Herrn v. Koslowski?" rief eine laute Stimme
dazwischen. „Wo ist dieser Elende, der
sich diese Einwilligung nur mit List
nnd Betrug verschafft haben kann?"
Mit diesen Worten trat rasch Doktor
Dorn, welcher die letzten Worte des
Geistlichen vernommen hatte, in das
Zimmer, gefolgt von Jan, Liep Aaron
nnd einigen Insurgenten.
Bereits hatte Gregor dem sauberen
Kumpan, der an allen Gliedern zitterte,
einen heimlichen Wink gegeben, seinem
Beispiele zu folgen. Er' sah voraus,
daß sich an dieser Stelle nichts mehr
mit Gewalt thun lasse und daß es ihnen
wohl scharf an den Hals gehen könnte;
deshalb benützte er den noch günstigen
Zeitpunkt, sich langsam einer anderen
noch nicht besetzten Thüre zu nähern,
nnd der edle Koslowski schlich ihn:
wohlweislich nach.
Nun, als auch noch Dorn auftrat,
war es gänzlich vorbei mit ihrem
'x Muthe; Gregor riß die Thüre auf
und verschwand wie der Blitz, Koslowski
blieb ihm dicht auf den Fersen und ent-
schlüpfte ebenfalls, doch hatte Dorn ihn

Erbi n.
Roman
von
Stanislaus Gras Grabowski.
(Fortsetzung.) «Nachdruck verboten.)
Josepha übersah dies Alles mit einem Blicke, denn
das neue unerwartete Ereigniß brach urplötzlich wieder
den geistigen Starrkrampf, der sie befallen hatte; der
sichtliche Schrecken ihrer Gegner machte ihr verständlich,
daß die Eindringendcn denselben schwerlich zu Hilfe kamen
und sie selbst nicht neue Feinde zu erwarten haben möge.
Sie Ivars die Feder wieder fort, sprang auf und eilte auf
den jungen Hauptmann, der gar nicht wie der Ches von
Räubern, sondern vielmehr recht anständig und Vortheil-
haft ausfäh, mit dem Rufe zu:
„O, retten Sie mich vor der abscheulichsten, verbre-
cherischen Gewalt! — Wer Sic auch
seien, mein Herr, ich rufe Ihre Ehre
sür den Schutz einer schwerbedrängten
Unglücklichen an!"
Der Anblick des verzweiflungsvollen
schönen Mädchens erweckte die volle
Thcilnahme des Hauptmanns und seiner
Leute; cs schien, daß die letzteren sich
am liebsten sogleich auf die Männer,
die sic hier antrafen, gestürzt haben
würden, doch der Priester, der schon seinen
Ornat angelegt hatte, mochte ihnen den
Respekt einflößcn, welcher den Landleuten
dortiger Gegend so sehr angewöhnt ist.
Dies bemerkte der schlaue Pfaffe, der
sich hier in böse Netze verstrickt hatte,
auch sogleich und suchte daraus Vortheil
zu ziehen. Er eilte zu dem improvisirten
Altar, ergriff das Kruzifix und trat da-
mit in feierlicher Haltung den Leuten
entgegen.
„Wer wagt es," rief er wie in hei-
liger Entrüstung, „gewaltsam nnd lär-
mend in diesen Raum einzudringen, den
das Bild des Herrn und meine An-
wesenheit jetzt zum Tempel geweiht
haben? — Auf die Kniee, ihr Unse-
ligen , damit ich nicht den Fluch und I
Blitzstrahl des Himmels ans Euch schleu-
dern muß!"
Diese großartige Apostrophe verfehlte
nicht ihre Wirkung; die Insurgenten
wurden bestürzt und sanken wirklich in
.die Kniee vor dem zürnenden Diener-
Gottes; nur der junge Hauptmann be-
gnügte sich mit einer formellen Knie-
beugung nnd erwiederte ruhig:
„Ehrwürdiger Vater! es liegt uns
sehr fern, Ihre unantastbare Würde zu
verletzen und Sie in der Verrichtung
Ihrer heiligen Amtshandlungen stören zu
wollen; aber es scheint, daß man Sie
zu täuschen gewußt hat nnd daß Sie

Emerich Robert. Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (L. 174.)
 
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