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Die Erbin.
Roman
von
Stanislaus Graf Grabowski.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verdaten.)
Doktor Dorn bemerkte recht gilt, daß der schlaue Jude,
ein Mann in schon vorgerückten Jahren mit dem aus-
geprägtesten Gesichtstypus seines Bottes und verschmitzten
klugen Angen, sofort erkannt habe, daß es sich bei die-
sem Besuche um ganz besondere Absichten handle, und
hielt es daher für das Beste, sich mit ihm alsbald in
das Klare zu setzen. Einen etwas hohen, doch freund-
lichen Ton annehmend, ersuchte er ihn um eine Unter-
redung unter vier oder vielmehr sechs Augen, denn Jan
wurde ebenfalls hinzugezogen; Liep Äaron stimmte
demüthig zu.
Der Doktor begann damit, sein Quartier im Voraus
für acht Tage zu bezahlen, d. h. er zählte eine Anzahl
Goldstücke auf den Tisch und schob sie
dem Alten zu, dessen -lugen vor Freude
und Begierde zu strahlen begannen. Dann
erkundigte er sich nach Graf Anton Jazierski
und dessen Hause, und es war ersichtlich,
daß Liep Aaron nicht das Mindeste von
der Anwesenheit von Frauen daselbst wußte,
doch spitzte er die Ohre», als Jan sich
mit Sicherheit darüber aussprach, und
erklärte sich bereit, dem Herrn in jeder
Beziehung zu Diensten zu sein.
„Ich thu's um so lieber," setzte er
hinzu, „wenn es dem alten Grafen einen
Streich zu spielen gilt, denn, wie Jan
Ihnen bestätigen kann, Herr, hat er mich
vor einiger Zeit, als ich dort Geschäfte zu
machen suchte und er gerade sehr betrunken
Ivar, abscheulich geprügelt und hinaus-
geworfen. Seitdem schicke ich auch nur
mein Weib Sarah dahin, denn gänzlich
kann man das Geschäft doch nicht abbre-
chen; — wenn's aber durchaus noth-
wendig wäre —"
Aaron strich sich mit der einen Hand
über den Buckel und verzog das eine -luge
beinahe weinerlich, während er mit dem
anderen vergnügt auf das Gold blinzelte
und cs mit der anderen Hand einstcckte.
Dorn hielt cs noch nicht für noth-
wendig, ihm die Vollmachten Langiewicz's
vorzülegen, aber gab doch Andeutungen,
daß er bei seinem Unternehmen auf
mächtigen Schutz rechnen könne, und
Aaron schien anch dies zu verstehen, denn
er wurde noch viel respektvoller.
Es blieb nun nichts übrig, als sich
ziemlich offen anszusprechcn,' und der
Jude hatte schnell seinen Plan bei der
Hand. .
Er wisse seit längerer Zeit nichts da-
von, wie es in Graf Antons Hause zugehe,

sagte er, doch solle seine Sarah mit ihrem Tabuletkram
morgen sogleich hinüber und den letzteren so einrichten,
daß er besonders den Bedürfnissen von Damen ent-
spräche; sie sei eine kluge Frau und man könne sich
vollkommen auf sie verlassen. Er bat um die Erlaubniß,
sie dem „gnädigen Herrn" sogleich vorzustellen, und ging
dann, sie zu holen.
Frau Sara h, die alsbald wieder mit ihrem Gatten
erschien, machte gar keinen Übeln Eindruck. Sie mochte
kaum über die Vierzig hinaus sein, besaß eine hübsche,
runde Figur, volles schwarzes Haar, angenehme, wenn
auch etwas scharfe Gesichtszüge und das Talent, sich mit
großer Zungenfertigkeit auf schmeichlerisch liebenswürdige
Weise auszusprechen.
Dorn mußte auch sie iu das Geheimnis; ziehen, so-
weit er dies eben nothwendig befand, und sie schlug vor
Entsetzen die Hände zusammen über die Gewaltthat Graf
Antons, den sie wegen der ihrem Manne widerfahrenen
Beleidigung auch bitter zu hassen schien.

Abneigung gegen Graf Anton war motivirt, die Begierde,
Geld zu verdienen, nicht zu verkennen, und Dorn trat
so sicher auf, daß es von ihnen Wohl gewagt gewesen
wäre, ihn betrügen zu wollen.
Sarah führte den Vorschlag ihres Mannes noch wei-
ter aus. Sie versicherte, daß sie nut Geschicklichkeit schon
zu den Damen gelangen würde, und erbot sich, der Einen
von ihnen ein Billetchcn Dorn's zuznstecken, was freilich
unumgänglich nothwendig Ivar, um eine Uebcreinstim-
mung in den zu ergreifenden Entschlüssen zu erlangen.
Am nächsten Morgen war die gute Frau reisefertig.
Sie hatte einige Maaren znsammengepackt, die Graf
Anton angenehm sein konnten, wie Tabak, Cigarren u. s. w.,
sich hauptsächlich jedoch mit feinen Seifen, Parfümerieen
u. dgl. versehen, was Damen angenehm und unentbehr-
lich ist. Geschickt versteckte sie in eines der letzteren
Schächtelchen das kleine Billet, das ihr Dorn an Josepha
mitgab.
Er hatte derselben darin geschrieben, daß er mit Hilfe
des getreuen Jans jetzt erst ihren Aufenthalt ermittelt
und zu ihrer Rettung sofort herbcigceilt
sei; sie möge sich nicht der Verzweiflung
hiugeben, denn er habe den festen Willen',
nothigenfalls sein Leben an ihre Befreiung
zu setzen, und hoffe, daß ihm im Nothfalle
manche günstige Umstünde zu Hilfe kom-
men würden. Sie möge ihn nur durch
die Ueberbringerin wissen lassen, was und
wann es sich, ihrer Einsicht nach, thun
lasse.
Mit klopfendem Herzen sah er Frau
Sarah ihren Gang antreten.
Diese ging zu Fuß, wie sie es ge-
wöhnt war, und traf noch in den Vor-
mittagsstunden bei dem gräflichen Haust-
ein, Ivo sic Jedermann kannte und freund-
lich begrüßte.
Für die Landleute, die in einsamer
Abgeschlossenheit leben, besonders das weib-
liche Geschlecht, wird das unerwartete
Erscheinen eines Tabuletkrämers immer zu
einem großen Ereignisse; die manchmal
herzlich schlechte Waare, wenn sic. nur
äußerlich glänzt, erregt schon ihre Begierde,
und der Handel darum hat seinen eigenen
Reiz.
Sarah wurde deshalb schon im Dorfe
bestürmt, verkaufte auch einige bunte Tücher
recht Preiswürdig, aber au die feinen
^oilettensachcu wagten sich die Dvrfschönen
doch nicht. Vergeblich suchte sie zu er-
fahren, ob sie im „Schlosse" dafür wohl
Absatz finden möchte; die Leute wußten
wirklich nichts von der Anwesenheit der
Damen oder waren durch Drohungen ein
geschüchtert, dieselbe nicht zu verrathen.
Sarah setzte getrost ihren Weg fort
und fand Graf Anton, Gregor und Herrn
v. Koslowski bei den Weinflaschen und
gerade in bester Laune. -Rau empfing sie
hier mit Scherzen, die sehr iu das Spöttische

Die Leute mochten sich wirklich nicht verstellen; ihre

vr. Friedrich Leiter.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. I5Ü.)
 
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