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Es handelte sich also vor Allem darum, diesen

dagegen auch

Harry Gras »an Arnim. Nach der neuesten Photographischen Aufnahme. (S, 126.)

gar keinen Erfolg; man konnte weder die geschlossenen
Thurm öffnen, noch ohne Lebensgefahr sich aus den
Fenstern herablassen — die ältere Dame wenigstens
wäre solcher Wagnisse nicht fähig gewesen — und zwei-
fellos fehlte es auch nicht an scharfer Bewachung.
Nach dem reiflichsten Nachdenken Josephas in dieser
schlaflosen Nacht gelangte sie zu der Ueberzeugung, daß
es nur darauf ankäme, Doktor Dorn Nachricht von ihrem
Aufenthalte zu geben, damit derselbe die Hilfe der Be-
hörden in Anspruch nehmen könnte, und für diese Mit-
theilung gab es wieder nur eine einzige Person, den so
barsch auftretenden Kerkermeister Jan, der aber doch nicht
gänzlich unempfänglich für Drohungen oder Versprechungen

erschien. Es handelte sich also vor Allen: darum, diesen
Menschen zu gewinnen, und Josepha ließ sich dies gleich
vom nächsten Morgen ab angelegen sein.
Glücklicherweise wurde- sie in den nächsten Tagen
keineswegs gestört durch Graf Anton und Gregor, 'die
geduldig eine andere Erklärung von ihr abwarten zu
wollen schienen. Jan brachte Alles, dessen sie bedurften,
auf die Zimmer der Damen, und dieselben hegten dabei
nur eine heimliche Angst, die sie einander nicht zu ge-
stehen wagten, daß man ihnen nämlich in den Speisen
Gift reichen könnte.
Was Jan anbetraf, so ging er über alles Erwarten
leicht auf die Freundlichkeit, mit der Josepha ihn behan-
delte und wobei sie zuweilen auch
eine ernste Warnung einfließen ließ,
ein, denn er haßte feinen Lösen
Herrn, wie er ihn fürchtete.
Nach einigen Tagen schon sprach
er sich darüber auch ganz aufrichtig
zu Josepha aus und war nahe
daran, Thränen zu vergießen, als sie
ihn so weit, Ivie es erforderlich er-
schien, von ihren Verhältnissen in
Kenntnis; setzte und ihn: ihr Leid
klagte; dazu versicherte sie ihn auch
ihres wärmsten Dankes, wenn er ihr
und Fräulein Krüger zur Flucht
behilflich sein wollte.
Ein solch großes Wagniß mochte
der gute Jan aber doch nicht auf
sich nehmen und hatte auch nicht
Unrecht, wenn er stark an dem Gelin-
gen zweifelte, wofür er auch feine
Gründe ans einander setzte. Mit
seiner Hilfe wäre es schon möglich
gewesen, aus dem Hause zu gelangen,
denn die großen Hunde, welche dasselbe
zur Nachtzeit als Wächter umkreisten,
waren gute Bekannte von ihm; aber
wie sollte man in dieser Einöde die
Flucht fortsetzen ohne die Gewißheit,
bald wieder von den Verfolgern ein-
geholt zu werden? —
Dagegen wurde sein Blick Heller,
als die Comtesse ihm einen anderen
Vorschlag machte, den er schließlich
auch ganz annehmbar fand. Reichlich
mit Geld, das sie ihm geben konnte,
versehen, sollte er von dein Gute ent-
weichen, was er sich selbst ja schon
längst gewünscht hatte, und in Opatow
Doktor Dorn benachrichtigen.
Das ließ sich machen und Jan
war bereit dazu; sein Gesicht strahlte
vor Freude, zumal ihn: auch die
weitere Zukunft in den Diensten der
jungen Gräfin Olinska in: rosigsten
Lichte erschien.
In der nächstfolgenden Nacht führte
er feinen Vorsatz auS, nachdem Jo-
sepha und Fräulein Krüger einen

Die Erbin.
Roman
von
Stanislaus Graf Grabowski.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Josepha hatte die Gefahr, welche sic selbst lief, voll-
kommen erkannt; ihr angeblicher Bruder — jetzt war sie
ebenso fest überzeugt wie Doktor Dorn, daß man in
diesem Gregor eine fremde, gänzlich unberechtigte Person
vorgeschoben habe — hatte ja genügend die schlimmsten
Absichten verrathen, und wie Graf Anton
scheinbar protcstiren mochte, ließ sich
doch kaum an seinen: Einverständnisse
zweifeln; bot er nicht schm: jetzt
allzu bereitwillig die Hand zu einen:
Verbrechen, und mußte er sich nicht
dieser schweren Verantwortung schließ-
lich auf jede Weise zu entledige»
suchen? —
Bei dem Josepha angeborenen
Edelmuthe dürfte es nicht zu ver-
wundern sein, daß sie in dieser großen
Gefahr nicht weniger an das arme
Fräulein Krüger dachte wie an sich
selbst. Gern würde sie auf den
einzigen augenblicklichen Trost, deren
Gesellschaft, verzichtet haben, wäre
es nur denkbar gewesen, daß man /
Jene frei ziehen lasse; dies war aber F
nicht möglich, da Fräulein Krüger //
schwerlich unterlassen haben würde,
die geschehenen Gewaltthaten auf-
zudecken.
Die Arme hatte während der Ab-
wesenheit ihrer jungen Freundin eine
angstvolle Stunde zngebracht, und
da sie diese, deren Erregung ihr nicht
verborgen bleiben konnte, nun mit
Fragen bestürmte, mußte Josepha
sich schon ganz offen anssprechen; sic
trat dann wieder in die Rolle der
Tröstenden und allein zum Handeln
Bereiten.
Der nächste Gedanke blieb natür-
lich, die Flucht zu versuchen, denn
zu einer gütlichen Einigung, wie sic
Graf Anton und Gregor verlangten,
vermochte auch Fräulein Krüger, bei
aller ihrer Zaghaftigkeit, um so
weniger zu rathen, als sich sicher
annehmcn ließ, Jene würden ihre
Versprechungen dennoch nicht halten;
was konnte ihnen die beste Urkunde
nützen, wenn Josepha später erklärte,
sie sei durch Gewalt zur Unterzeich-
nung gezwungen worden? — Ein
Fluchtversuch, wenu er nicht von
außergewöhnlich günstigen Umstünden
unterstützt wurde, versprach hier aber
 
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