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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 46.1911

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Heft 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.60742#0012
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OaTLuchfülMe
Mstllette stamilienreitung
l.kjeft. 1911.

Das rvogende Dicht.
I^omgn 3U5 den Kreisen der hohen Diplomatie.
Don e. o. Ddler5seld--6gllestrem.

iNachdruck verboten.)

Erster Bericht von Oliva v. Uhlenhus.

Rom, Via Sistina, November 19..

ch, Oliva v. Uhlenhus, war bisher der Meinung,
daß es für einen gewöhnlichen Sterblichen,
gleichviel welchen Geschlechts, nichts Törich-
teres geben kann, als ein Tagebuch zu führen.
Kurze Tagesnotizen genügen meiner Mei-
nung nach vollständig zur Auffrischung des Gedächt-
nisses; seine Gedanken nnd Empfindungen „all
Abend, bevor man zur Ruhe geht," dem Papiere


anzuvertrauen, ist mir allzeit sowohl zeitraubend wie
überflüssig erschienen, ganz abgesehen davon, daß
Tagebücher eine besondere Neigung haben, in un-
rechte Hände zu geraten, was der gerade Weg in
des Teufels Küche ist. Pate Olgard zwar hielt
daran fest, daß es einfach Pflicht wäre, in Rom ein
Tagebuch zu führen; wenn ich aber au das dachte,
das sie hier anno dazumal verfaßte und mir vor-
znlesen liebte, so wurde ich mir stets meiner Un-
zulänglichkeit bewußt, die ungedruckte Literatur

über einen Gegenstand zu bereichern, den die ge-
druckte viel klarer und besser behandelt. Was mich
ja nicht verhindert, meine eigenen Ansichten zu
haben und, wenn's nötig ist, auch auszusprechen.
Und nun sitze ich hier und schreibe trotz meiner
Überzeugung eine Art von Tagebuch — auf Ver-
anlassung eines Menschen, von dessen Existenz ich
vor vierundzwanzig Stunden noch keine blasse
Ahnung hatte!
Da es nun diesem Menschen genau ebenso
mit mir geht, so muß ick schon wohl oder übel damit
beginnen, zu sagen, wer ich bin und wie ich dazu
komme, in Rom zu seiu. Ich hoffe, es ist nicht
notwendig, mit Adam und Eva anzufangen oder
von den Taten meiner Vorfahren zu sprechen. Sie
waren brave Leute mit einem Stich ins „Sinnier-
liche", wie die Schweizer sagen; die nachdenk-
liche nnd poetische Ader hat bei ihnen noch weitere
Nahrung erhalten durch so manche eheliche Ver-
bindung, und wenn Pate Olgard noch gar meine
Mutter geworden wäre — doch das ist wieder eine
andere Geschichte.
Der Name Uhlenhus besagt, daß wir ans dem
Norden Holsteins stammen, von wo mein Großvater
nach Westdeutschland auswanderte. Er vergaß leider
nicht, den berühmten oder vielmehr berüchtigten
„Uhl" des bekannten Sprichworts mitzunehmen,
denn es ging der Familie nicht gerade glänzend.
Trotzdem hat's mein Vater noch zum General-

major a. D. gekrackt. Ich bin seine einzige Tochter,
heiße mit Vornamen Oliva, und das kam so. Ein
gewisses Fräulein Olgard Wiedmer faßte in ihrer
Jugend eine stille, rührende, sentimentale und —
unerwiderte Neigung zu meinem Vater, der, ganz
ahnungslos von dem Feuer, das er eutfacht hatte
— weil sein ritterlicher Sinn ihn trieb, mit dem
in die Ecke gedrückten, wenig hübschen Mauerblüm-
chen zu tanzen —, in der Folge eine schöne, froh-
mütige Rheinländerin heiratete. Vorher aber trat
er noch in freundschaftliche Beziehungen zu den
Wiedmers, und wenn auch Fräulein Olgard nie
wieder einen Ball besuchte, so vergaß sie meinem
Vater den erwiesenen Ritterdienst niemals und wid-
mete ihm dafür ihre rührende, heimliche Liebe.
Nach Jahren wurde mein Vater zurückversetzt
in die nämliche Stadt. Fräulein Wiedmer stand
nun allein, batte ein kleines Vermögen geerbt und
befand sich im Mittelpunkt der „Gesellschaft" der
kleinen Stadt, und nach Erneuerung der alten Be-
kanntschaft wurde bald eiue sehr herzliche Freund-
schaft zwischen ihr und meinen Eltern daraus. Als
ich dann zur Welt kam, wurde Olgard Wiedmer
meine Taufpate und gab mir dabei ihren Namen,
den meine Eltern aber nut ihrer strahlend gegebenen
Erlaubnis in Oliva latinisierten, denn sie waren
glücklicherweise der Meinung, daß sie's mir nicht
antnn konnten, mich mein Lebenlang als „Olkrüg-
lein" Herumlaufen zu lassen. Da damit aber immer


i. isir.

vurchgegangen. Nach einem SemZIde von jos. o. Brandt. (5. 7)
 
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