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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 46.1911

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Heft 8
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https://doi.org/10.11588/diglit.60742#0176
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Var Luch MMe
Illustnette stamilienreitung
S.kjest. 19U.

V35 rvogende Dicht.
Doman aus den Kreisen der hohen Diplomatie.
Don e. r>. Ddierzfeld-Daliestrem.
(rorlseliung.) — (Nachdruli! verboten.)
liva!" schallte es in dem wohlklingenden
Organ, das ich an Lady Desmond bisher
allein gekannt hatte, hinter mir, als ich
eben das Portal erreichte.
Ich drehte mich nicht gerade erbaut
um. Mich nach dem Vorangegangenen noch beim
Vornamen zu rufen, das stieß dem Faß den Bo-
den aus.
„Mylady befehlen?" fragte ich, den Titel be-
sonders betonend. Wir Uhlenhus können so gräßlich
von oben herab, so stocksteif sein, wenn — wenn wir
dazu gereizt werden.
„Ich bitte Sie, näher zu treten," erwiderte Lady
Desmond so liebenswürdig und gewinnend, daß ich
mich unwillkürlich fragte, ob ich vorher nicht ge-
träumt hatte, als eine Furie auf mich losfuhr.
Ich kehrte um und trat vor die alte, jetzt ganz
zusammengesunkene Frau.


„Soll ich mich vor Ihnen entschuldigen?" sagte
sie schwach. „Gut. Ich tue es. Sie konnten nicht
wissen, daß ich eine wahre Idiosynkrasie gegen das
Photographiertwerden habe. Ich kenne mich nicht,
wenn jemand mir zumutet, vor die Linse zu sollen.
Sie können es nennen, wie Sie wollen — ich habe
solch eine Aversion dagegen, daß ich meine ganze
Selbstbeherrschung verliere, sobald ich vor die bloße
Möglichkeit gestellt werde. — Nun, ist diese Ent-
schuldigung Ihnen noch nicht genügend?" fügte sie
hinzu, als ich im Augenblick keine Erwiderung fand.
„Mylady haben überhaupt nicht nötig, sich zu
entschuldigen, Sie sind in Ihrem Hause und in
einem Alter, dem man das Vorrecht zugesteht,
nach Belieben zu verfahren und zu reden," entgegnete
ich steif. „Aber da Sie es tun, so muß mir auch eine
kürzere Erklärung nicht nur genügen, sondern auch
das Borangegangene völlig auslöschen. Ich kann von
meiner Seite nur sagen, daß ich meine Frage in
völliger Harmlosigkeit tat, und bitte, mich zu ent-
schuldigen, Ihren — Unwillen damit herausgefordert
zu haben."
„Aber nein — Sie sind unschuldig an meiner
Heftigkeit wie ein neugeborenes Kind!" rief Lady
Desmond, die Hände aufhebend, und weil die kost-
baren Brillantringe daran so blitzten, fiel mir's auf,

wie schön diese Hände sind, die ich bisher nur in ihren
Filet- oder Spitzenhalbhandschuhen gesehen habe,
Hände, die über das Alter gesiegt hatten, so weiß
und glatt und zart, so wunderbar geformt waren
sie. „So, und nun zeigen Sie mir, daß Sie nicht
nachtragen, und photographieren Sie jene male-
rische Ecke dort, wo aus den Zitronen die verwitterte
Panherme hervorsieht, und die Fontäne und was
Ihnen sonst geeignet scheint — nur mich nicht,
Oliva, mich nicht!"
Hätte ich jetzt oder vorhin schon sagen müssen,
daß das bereits geschehen war? Ja, wozu sie damit
noch einmal aufregen, wenn sie doch diese Idiosyn-
krasie hat? lind — unter uns — welcher Triumph
für einen Amateurphotographen, solch ein Unikum,
wie gerade dieses Bild eines ist, zu besitzen! Ich
kenne übrigens noch andere, die auch so vor dem
Photographen Reißaus nehmen — nur werden sie
nicht gleich so unerhört heftig wie Lady Desmond.
Aber sie hatte sich so rasch gefaßt und so liebens-
würdig entschuldigt, daß ich anstandshalber nicht
anders konnte, als ihr willfahren, und ein paar
Aufnahmen machte, an deren Gelingen mir, auf-
geregt, wie ich war, nichts weiter lag, denn während
ich die bezeichneten Punkte visierte, stieg in mir der
Entschluß auf, jedenfalls heute noch meine Kündi-


vop^rigbt 1Y0S vij lottegroin.

VIII. 1MI.

yenngssischer im 5trei1. Nach einem öemälde von N. lattegrain. (5. 174)
 
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