Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 46.1911

DOI Heft:
Heft 26
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.60742#0559
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DarLuchfülMe
ftlustnette ftamilienreitung
Sb. kjest. 1911.

vei' Medderkoog.
5chleswig-stolste!nscher lkomnn von
steni-ietle v. Meei-kieilTib.

(fovsetiung >

(Nachdmck verboten.)

raf Reventlow legte den Arm fest um die
erschrocken vor ihm zurückweichende Ge-
stalt der Tochter. „Ich hab's schon lange
gemerkt. Ich war nur zu schwach und
zu mitleidig. Das alte, kränkliche Geschöpf
dauerte mich. Aber es gibt ein Mitleid, das mehr
schadet als nützt. Sophie muß aus dem Hause,
und zwar heute noch, ehe Rantzau kommt."
„Aber Vater!"


„Hier im Hause ist nicht gut sein für einen ent-
flohenen Gefangenen, solange sie da ist. Noch haben
wir keinen Frieden. Wer kann wissen, ob nicht, so-
bald Nantzan eintftfft, eine heimliche Botschaft nach
Fridericia geht, und man uns von dort ein paar
dänische Halunken auf den Hals schickt, um ihn wieder
zu holen? Ich glanb's zwar nicht, weil sie kurz
vor dem Waffenstillstand sich nickt viel um einen

entlaufenen Gefangenen scheren werden, aber mög-
lich wär's doch, weil's gerade mein Haus ist, in dem
er Zuflucht suchte. Mein Haus! Das ist ihnen ein
Dorn im Auge, und wenn sie mir was am Zeuge
flicken können, so tun sie's nur zu gern. Nein —
ehe nicht Waffenstillstand ist, darf keiner wissen, daß
Rantzau hier ist. Siehst du das ein, Lisa?"
„Gewiß, Vater. Aber wenn ich Tante Fiekchen
bitte, verrät sie sicher nichts."
„Und holt dabei heimlich deine Briefe unter
dem Kopfkissen fort?" lachte Graf Reventlow scharf
auf. „Seien wir nicht allzu vertrauensselig, mein
Kind!"
„Hätte ich dir nur lieber nichts davon gesagt,
Vater. Vielleicht tun wir Tante Fiekchen doch
unrecht!"
„Denke an die Briefgeschichte mit Karin. Schon
damals hätte ich Tante Sophie aus dem Hause
weisen sollen. Wer einmal unehrenhaft handelt, tut
es immer wieder. — Was hast du deiner Mutter
gesagt wegen des vorbereiteten Gastzimmers?"
„Ich sagte, du glaubest, daß wir bald wieder
Einquartierung bekämen."
„Gut. Deine Mutter mag wissen, daß ein Ver-

wundeter bei uns liegt. Aber wer das ist, das soll
sie erst erfahren, wenn die Auswechslung der Ge-
fangenen dicht bevorsteht. Du, ich und der alte
Jensen übernehmen die Pflege."
„Mama wird es trotzdem merken, gerade weil
wir es ihr verbergen wollen."
„Mit deiner Mutter werde ich schon fertig wer-
den, wenn erst die Gehilfin aller dieser Heimlich-
keiten und Spionagen fort ist."
Lisa senkte den Kopf. „Wohin soll denn Tante
Fiekchen aber gehen, Vater?"
„Nach dem Medderkoog — in Christians alte
Wohnung." Zum ersten Male seit Monaten sprach
Graf Reventlow den Namen des Sohnes aus. „Dort
ist sie isoliert genug, um keinen Schaden mehr an-
richten zu können. — Bleib nur hier, Lisa. Ich
will die Tänte allein sprechen."
Vorsatz und Ausführung standen bei dem Grafen
stets auf einem Blatt. Wenige Minuten, nachdem
er seiner Tochter seinen Entschluß ausgesprochen
hatte, klopfte er mit hartem Finger an Tante Fiek-
chens Tür. „Ich bin's, Sophie!" rief er.
Fräulein v. Webern fuhr erschrocken auf, als sie
die hohe Gestalt des Schwagers so unerwartet in


ltlarm. Nach einem Semslde von M plinrner. (5. 570)

XXVI. I4II.
 
Annotationen