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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 46.1911

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Heft 25
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https://doi.org/10.11588/diglit.60742#0538
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Dar Luch MMe
Illustnette fgmllienreitung
25. Heft. 1Y11.


(roUscstung)

MM dessen Arin er imn
Holm schüttelte
— zu meiner Toclx


Der kluffchneider. Nach einem Semälde von v. 5chivett. (5. sqz)

Wenn er sie nicht rasch weggezogen hätte, würde
sie dieselbe geküßt haben.
„Ich danke Ihnen!" schluchzte sie auf. „Nein
-— es gibt keine Worte, um das auszudrücken, was
ich für Ihre Heldentat empfinde ! Sie haben meinen
Vater gerettet — mit Einsetzung Ihres eigenen
Lebens.— Mein Vater! Ohne den hätte ich auch
nicht mehr leben können!"
Graf Holm drückte die Tochter wortlos an sich.
Torp versuchte die ganze Sache als eine Bagatelle
hinzustellen.
Aber Karin schüttelte den Kopf. „Sic werden
mir nie ausreden, daß ich Ihnen gegenüber eine
unendliche Dankesschuld trage, Herr v. Torp."
Er belächelte zwar ihre exaltierte Dankbarkeit,
aber sie tat ihm doch wohl. Der Blick ihrer mit
enthusiastischer Bewunderung auf ihn gehefteten
Augen ging ihm wie ein Feuerstrom durch die Adern.
Graf Reventlow begrüßte 'beide Herren etwas
steif. Auch der Glückwunsch, den er Graf Holm zu
seiner Rettung, Torp zu seinem schneidigen Ein-
greifen aussprach, klang ein wenig gezwungen. „Ta
ich Karin jetzt in väterlichem Schutz weiß, Exzellenz,
möchte ich gleich ins Hotel übersiedeln, wo meine
Freunde und Kommissionsmitglieder wohnen,"
meinte er.
„Verehrter Graf, in diesem Augenblick ist cs noch
nicht ratsam, durch die Straßen von Kopenhagen
zu fahren," mischte Torp sich ein. „Das Volk rottet
sich gewiß noch an allen Ecken und Enden zusammen.

Und wenn Ihnen auch voraussichtlich nichts Schlim-
mes passiert, so könnten Sie doch unangenehm be-
lästigt werden. Vor allem, wenn man an Ihrer
Sprache errät, daß Sie Deutscher sind. Denn diesen
ganzen Putsch heute zettelten nur die fanatischen
Deutschhasscr, die Eiderdänen, an."
Graf Reventlow überlegte. Wenn er in irgend
einer Weise Aufsehen erregte, so konnte das seiner
Sache nur schaden. Er gab darum nach, erst am
kommenden Tage ins Hotel zu ziehen. „Werden
Sie Seine Majestät morgen früh sehen?" wandte
er sich an Holm. „Können Sie uns eine Audienz
verschaffen? Wir haben dem König eine Petition,
die fünf Bedingungen enthält, vorzulegen."
„Seine Majestät wird keine schleswig-holstein-
schen Kommissionsmitglieder empfangen, keine Pe-
tition auch nur lesen," antwortete Graf Holm ent-
schieden. „Orla Lehmann regiert jetzt in Kopen-
hagen und wird jede Anbahnnng einer Verständigung
mit Schleswig schroff zurückweisen."
Graf Reventlow sah finster vor sich hin. „Wenn
wir nicht einmal empfangen werden, so ist das solche
Beleidigung für unser ganzes Vaterland, daß Schles-
wig-Holstein darauf nur mit einer Kriegserklärung
antworten kann," entgegnete er scharf.
Graf Holm zuckte die Achseln. „Das können Sie
halten, wie Sie wollen. Ich sage Ihnen eine ab-
schlägige Antwort voraus. Die Reise hierher konnte
die Kommission sich sparen. Seien Sie froh, wenn
Sre bei dem aufgepeitschten Deutschenhaß mit heiler
Haut hier wieder hin-
auskommen."
„Es war vonvorn-
herein meine Ansicht,
daß nur Kränkung,
Arger und Zeitverlust
die Folgen dieser Reise
sein würden," stimmte
Graf Reventlow mit
einem ärgerlichen
Seufzer bei.
„Ihr Sohn ist im-
mer noch auf dem
Medderkoog?" fragte
Holm statt aller Ant-
wort.
„Ja — und da soll
er auch bleiben," ent-
gegnete Reventlow
kurz.
„Ob das wohl
klug gehandelt ist?"
Graf Holm blickte mit
vielsagendem Lächeln
auf Torp, der mit
Karin unter den Pal-
men im Nebenzim-
mer stand.
Karin sah mit
strahlenden Augen zu
dem Rittmeister auf,
und er mit einem
triumphierend zärt-
lichen Lächeln zu ihr
herunter.
„Ihr Sohn täte
gut, bald herzukom-
men," fuhr Graf Holm
fort. „Bei diesen krie-
gerischen Aussichten
erwartet man eigent-
lich die freiwillige
Rückkehr eines beur-
laubten dänischen
Offiziers."

Der Medderkoog.
5chleswig-kjolsteinscher Nomem von
Henriette o. MeerHeimb.
— (Nachdruck verboten.)
l ollen Sie ins Palais zurück, Exzellenz?"
s fragte Torp. Er stützte den Grafen,
dessen Arm er immer noch festhielt.
" ' ' s.. ) den Kopf. „Nein
zu meiner Tochter!"
„Ich bringe Sie hin."
„Kommen Sie einen Augenblick mit herauf,
Torp! Karin wird Ihnen danken wollen."
„Wofür?"
„Zuerst für meine Rettung. Was wäre aus mir
geworden ohne Ihre tatkräftige Entschlossenheit?
Und dann haben Sie doch auch mit wahrhaft könig-
licher Verschwendung Karin —"
„Die Rettung Euer Exzellenz war ein glücklicher
Zufall. Ich ritt gerade mit meinen Husaren in den
Schloßhof ein, als dieser Messerheld Sie bedrohte.
Es machte mir großen Spaß, den frechen Burschen
für einige Zeit unschädlich zu machen. — Schade,
daß es nicht zum Schießen kam! Tas wäre eine
gute Vorübung gewesen!"
„Dem König graut davor, das Blut seines Volkes
zu vergießen."
Torp lachte höhnisch. „Was liegt daran? Erlen-
holz und Pöbelblut
wächst alle Tage wie-
der."
„Sagen Sie so
etwas jetzt nicht laut.
Ein neues Ministe-
rium kommt unter
Orla Lehmann ans
Ruder. Er wird Mi-
nister ohne Porte-
feuille. Die Herr-
schaft des Volkes, ge-
leitet von den fanati-
schen Eiderdänen, steht
uns bevor."
„Nicht auf lange,"
entgegnete Torp ge-
lassen. „Wollen wir
wetten, daß bereits
in wenigemMonaten
dieses Ministerium wie
eine Seifenblase zer-
platzt und wir die
schönste Reaktion ha-
ben — hier und in
Preußen ebenfalls?"
Graf Holm ant-
wortete nicht. Er
stützte sich schwer auf
Torps Arm. Jetzt,
nachdem die Gefahr
vorüber war, fühlte
er erst, was er seit
Stunden durchge-
macht hatte.
Karin stürzte ihnen
im Eingang des Hau-
ses entgegen. Vom
Fenster aus hatte sie
jede Einzelheit der
schrecklichen Vorgänge
und Torps energisches
Eingreifenbeobachtet.
Sie griff stürmisch
nach seiner Hand.

x.xv. ISN.
 
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