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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 46.1911

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Heft 12
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https://doi.org/10.11588/diglit.60742#0263
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Var Luch fül-We
sllustnette?smil'ienreitung
12. kiest. 1911.

Der wilde Wussow.
l^omari von stosst stodemei-.

lvottseftung > -1^77-— lvzchdruck verboten.)
^^^^insilbig saßen sich Vater und Tochter beim
Abendbrot gegenüber, blickten aneinander
und atmeten beide erleichtert auf,
als es endlich Zeit wurde, sich zu er-
Der Major hielt Grete die Wange zum Kuß hin.
„Gute Nacht, mein Kind, uns ist wohl der Kopf
heute reichlich voll, da bleibt jedes am besten für
sich allein!"
Sie sagte kein Wort, half den: Mädchen mecha-
nisch beim Abräumen, und Dankersbach lief wieder
in seinem Arbeitszimmer herum.
Wenn er nur klar sähe, aber er kannte seine Grete,
aus der war jetzt nichts herauszubringen, und wohl
auch nichts über Jahr und Tag. Diese impulsive
Entschlossenheit war sonst gar nicht ihre Art. Sie
erwog immer reichlich lange — und hatte noch immer
den Nagel auf den Kopf getroffen. Deshalb hatte
er ihr seine Sorgen nie verheimlicht, sie sprachen
sich in Ruhe aus uud waren einander Stab und

Stütze gewesen. Und nun auf einmal dieser über-
schnelle Entschluß! ... Wenn nur seine Frau noch
gelebt hätte! Die war ihm an Verstand immer ein
paar Pferdelängen voraus gewesen. Und in dieser
Beziehung waren, Gott sei Dank, die Kinder nach
ihr geschlagen. ... Ja, da stand er nun vor dem
neuen Scheunentor und wußte nicht, ob er hinein-
gehen sollte! Aber tat et's nicht, trieb man ihn
einfach hinein. . . . Und schließlich, sein Mädel war
versorgt, und er rettete für seine Kinder das Gut....
Natürlich, man würde die Nase rümpfen und sagen:
Die Grete Dankersbach hat den Joachim Blottstedt
„auf Abbruch" geheiratet! Na ja — und dem Wussow
dabei eine Nase gedreht, weil er sie hat sitzen lassen!
Mochte die Bande reden! Wenn er von Süderlohe
Hütte herunter müssen, keiner hätt' ihm mehr ge-
geben als ein gutes Wort. ... Aber sein taufrisches
Mädel und der Todkranke! ... Ein eisiger Schauer
jagte ihm über den breiten Rücken — da war das
Rätselhafte! War's purer, blanker Haß auf den
Wussow Blottstedt? War's ein verzweifelter Ent-
schluß, um ihn und seine Jungen zu retten? War's
Mitleid mit dem armen reichen Joachim Blott-
stedt? ... Das war nicht unmöglich, und wenn Mit-
leid wirklich ihr Herz zu dem Entschluß gebracht hatte,
na, dann war alles übrige zu ertragen. Der Joachim

war ein vornehmer Kerl vom Scheitel bis zur Sohle.
Da's wußte Grete, und das war ein Punkt, der nicht
übersehen werden durfte.
Seiner Weisheit letzter Schluß war: „Ich lass'
die dreißig Tausender im Schreibtisch liegen, bis ich
klar sehe, und wenn ich merke, das Opfer ist zu
unmenschlich, dann geb' ich das Geld zurück und
trenne die beiden mit eiserner Hand!" —
Grete v. Dankersbach saß in ihrem einfachen,
freundlichen Mädchenzimmer. Mit Hellem, blumi-
gem Cretonne waren die Möbel überzogen, die Vor-
hänge waren von gleichem Stoff. Sie starrte hin-
aus in die hereinbrechende Dämmerung, unwillkür-
lich flüsterten ihre Lippen: „Wussow, warum mußtest
du mir das antun?"
Ihre Gestalt streckte sich auf im Sessel, die
schmalen Hände krampften sich um die dicken Arm-
lehnen. Was half das alles? Sie mußte ihrem
Vater, den Brüdern das Opfer bringen! Und sie
würde ihr Schicksal tragen können! Frauen sind zäh,
und der, der ihre Hand erbat, hieß Joachim v. Blott-
stedt — der Inbegriff eines vornehmen Mannes,
der sie nur an sich binden wollte, um ihre Zukunft
zu sichern. War das nicht ein großer Beweis seiner
Liebe? Und wenn schon ein einsamer Mensch, dessen
Tage gezählt sind, sie bat, ihm seine letzten Stunden


XU. INI.

Vie heiligen drei Könige. Unch einem Semslde von U. stutschenreuther. (5. 26Z)
 
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