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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 46.1911

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Heft 28
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https://doi.org/10.11588/diglit.60742#0602
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Var Luch MMe
Illustrierte stamilienreitung
28. liest. 1911.

Der Medderkoog.
5chleswig-ljolsteinscher Noman von
Henriette o. Meersteimd.
cror^ung und 5chlus?.) - (Nachdruck mrboicn.',
als Graf Halm mit Lotte eintrat, gab
Torp Karin frei.
Sie strich sich das Haar aus dem heißen
Gesicht und sah ihren Vater verwirrt an.
Torp erzählte in wenigen knappen
Worten den schrecklichen Tod des jungen Reventlow.
Graf Holm war zwar erschüttert, aber eine gewisse
Erleichterung konnte er trotzdem nicht ganz ver-
bergen.
Nur Lotte war ehrlich betrübt. Sie mochte
Reventlow viel lieber als Torp, obgleich der sie mit
Blumen und Näschereien überschüttete.
„Wo willst du hin, Karin?" fragte Graf Holm
besorgt, als das junge Mädchen ausstand und zur
Tür schritt.
Sie wandte ihm ihr erblaßtes Gesicht zn. „Mich
umziehen will ich. Dies gelbe Kleid schreit mich
förmlich an. Und nach Johannisberg muß ich auch
schreiben."
Dagegen ließ sich nichts einwenden, so gern Torp
dies auch getan hätte. „Morgen muß ich schon
wieder fort," sagte er. „Aber ich gedenke bald
wiederzukommen. Und bis dahin ist dann das
Trauerkleid abgelegt."
Karin antwortete nicht. Sie glitt aus der Tür.
Lotte wollte ihr folgen, aber Graf Holm rief
sie zurück.
„Lassen wir sie
heute in Ruhe,"
beschwichtigte er
Torp. „Es ist
natürlich, daß sie
vollkommen ver-
stört ist durch
diese entsetzliche
Nachricht. Aber
ihr Schmerz wird
wohl nicht zu
lange dauern."
„Das hoffe ich
auch." Torp warf
sich auf den Ses-
sel zurück, den sie
eben verlassen,
und drückte eine
Sekunde tiefat-
mend sein Gesicht
gegen die Pol-
ster. Ein leiser
Veilchenduft hing
noch an den wei-
chen Seidenkissen
und rief ihm die
Nähe des schönen
Mädchens zurück.
Nach einer
Weile richtete er
sich straff auf.
„Graf Holm, ich
muß notwendig
mit Ihnen allein
reden."
„Laß uns allein,
Lotte!" befahl
Graf Holm.
Lotte zog ein
beleidigtes Ge-
sicht. „Ich bin

doch jetzt endlich erwachsen und kann alles hören!"
meinte sie verdrießlich. Doch ging sie zur Tür. Daß
Torp aufsprang, sie ihr öffnete und sich mit einem
Handkuß von ihr verabschiedete wie von einer wirklich
großen Dame, versöhnte sie etwas.
„Jetzt stehe ich ganz zu Ihren Diensten, lieber
Torp." Graf Holm wandte sich mit verbindlichem
Lächeln an den Rittmeister, in dessen Gesicht er eine
finstere Entschlossenheit las, die ihn ein wenig be-
sorgt machte. Da Torp nicht sogleich antwortete,
sing er an, nochmals von dem traurigen Tode des
jungen Reventlow zu sprechen.
Torp machte eine abwehrende Handbewegung.
„Reden wir uns nichts vor, lieber Graf," unterbrach
er ihn. „Ich hätte dem Verunglückten einen ehr-
lichen Soldatentod gegönnt. Sein Ende war furcht-
bar, wenn auch ganz selbstverschuldet. Für Sie,
mich und Karin ist es ein Glück. Reventlow hätte
nie einen festen Entschluß gefaßt und war auch nicht
großdenkend genug, um das Mädchen, das er zu
lieben vorgab, freizulassen."
„Ich Hütte schon selbst ein Ende gemacht," warf
Graf Holm ein. „Mein Brief an den alten Revent-
low, in dem ich die Verlobung auflöse, ist bereits
geschrieben. Nun brauche ich ihn wohl nicht ab-
znsenden."
„Schicken Sie das Schreiben nur ab. Der Brief
kann sich ja mit der Todesnachricht gekreuzt haben.
Es ist besser, wenn Graf Reventlow weiß, daß die
Verlobung jedenfalls gelöst werden sollte. Er wird
sich dann nicht wundern, wenn Karin und ich schon
in einigen Wochen heiraten."
„Wollen Sie Karin wirklich zu einer so baldigen

Heirat drängen? Einige Monate sollte meine Tochter
doch wenigstens trauern!"
„Die Zeit ist zu knapp. In wenigen Monaten
wird der Waffenstillstand zu Ende sein und ein neuer
Krieg anfangen. Vor dem Ausbruch desselben muß
Karin meine Fran sein, damit sie die Erbin meines
Vermögens ist. Sind wir nur verlobt und falle ich
in der Schlacht, so steht sie so gut wie mittellos da
— das will ich nicht."
„Sie sind sehr großmütig, Herr v. Torp."
„Nur ungeduldig. Der Grund, den ich eben an-
führte, wird aber wohl auch Ihnen als ein aus-
schlaggebender erscheinen müssen, Graf Holm?"
„Jedenfalls kann ich ihn von Ihrem Standpunkt
aus versieben und muß die sorgende Liebe für mein
Kind dankbar anerkennen. Überhaupt habe ich viel
Grund, Ihnen zu danken, Baron Torp."
Torp schlug mit dem Taschentuch durch die Luft,
als ob er eine lästige Fliege wegwedeln wolle. „Bitte,
erwähnen Sie die Lappalie doch nicht, lieber Graf.
Wenn Sie Karin bewegen, sich meinem Wunsch zu
fügen, so ist der Dank nur noch auf meiner Seite."
"„Ich werde alles versuchen, was in meinen
Krästen steht --- und, offen gestanden, ich zweifle
nicht am Erfolge. Karin war die Hinzerrerei mit
Reventlow längst überdrüssig. — Glauben Sie aber
wirklich fest an die Fortsetzung des Krieges?
Oder benützen Sie dies nur, um Karin gefügig zu
machen?"
„Ein neuer Krieg ist unvermeidlich, denn wäh-
rend des Waffenstillstandes werden sich bereits höchst
peinliche Zustände in Schleswig-Holstein entwickeln,
da unsere Regierung sehr scharfe Maßregeln plant.
Die Bundesar-
meerücktab. Die
Preußen folgen
sicher bald nach.
Dann ist Schles-
wig-Holstein
allein — und mit
ihm haben wir
leichtes Spiel."
„Und dann?"
Torps Augen
glänzten. „Dann
kümmert mich
das Schicksal
Schleswig-Hol-
steins und des
ganzen dänischen
Staates eine
Zeitlang nicht so
viel mehr." Er
schnippte mit den
Fingern. „Dann
gehe ich für ein
paar Monate mit
meiner jungen
Frau fort. Mit
meiner Jacht se-
geln wir nach In-
dien. Unter Pal-
men und Rosen
soll sie liegen und
in meinen Armen
das graue Elend
ihrer Verlobung
mit Reventlow
vergessen."
Ersah verzückt
ins Weite, als
atme er schon die
schwüle Tropen-
luft, höre die Wo-
gen des Ozeans

originelle Wegweiser bei warmdrunn Schlesien). Nach Photographien von r. Mielert in Zprottau. s5. btä)
 
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