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DasDuchfürAlle

DasBuchsüvAlle

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Raumachie (Darstellung einer Seeschlacht im alten Rom).

Die beiden Weiber löffelten in ihrer Milchsuppe und erwider-
ten sein „Grüß Gott" nicht ermunternd.
„So, so!" begann der Weidbruckbauer unbehaglich. „Hat s'
ihren Zins schon 'zahlt fürs Übernachten?" Dabei deutete er
auf die Milchsuppe in der Schüssel.
„Was für ein' Zins?" fragte Kathrin unwirsch.

fremden Tier hin, und da das Euter voll war, holte sie den Eimer
und das Hockerl und begann zu melken.
Bald danach stellte sie eine Milchsuppe auf den Tisch, an der
die Mutter verwundert herumschnupperte.
„Dös is doch ka Goaßmilch?" fragte sie endlich.
Kathrin schmunzelte. „Dann wird's halt Kuhmilch sein!"
„Ja, wo kommt die her?"
„Aus'm Stall! Du hast's
doch selber g'sagt: Vielleicht
hat uns aner über Nacht a
Kuh 'bracht!"
„Red' nit so dumm da-
her!" sagte die Alte.
In demselben Augenblick
brummte im Stall die Kuh.
Wie eine Junge lief die
Matterin hinaus, um mit
eigenen Augen das Wunder
zu schauen. Wie oft hatte sie
sich gewünscht, eine Kuh im
Stall zu haben! Wie oft
hatte sie darum gebetet! Aber
so fleißig sie auch ihr Leben
lang gewesen war, derWunsch
sollte nicht erfüllt werden.
Die Matterin glaubte zu-
nächst an ein Wunder. „Die
hatunsderHimmelg'schenkt."
Ihre Tochter lachte. „A
Himmelskuh! Dös wär' a
ganz neue Rass'!"
„Ja, woher soll sie sein?"
„Es wird sie einer in der
Nacht'kauft haben! Am Weg
sind ihm die Finanzer auf
die Spur g'raten, und er hat
s' schnell irgendwo verstecken
müssen!"
Die Matterin gab ihren
Wunderglauben nicht gern
auf. Aber es dauerte nicht
lange, da hörte man Schritte.
Es rüttelte jemand Einlaß
suchend am Stall, und da er
versperrt war, klopfte es gleich
darauf an der Türe, und her-
ein trat der Weidbruckbauer.
Aber Kathrins Gesicht
flog ein Schein von Schaden-
freude und Trotz.
„Dem gehört s'!" raunte
sie ihrer Mutter zu. „Jetzt paß
auf." Sie freute sich darauf,
den Weidbrucker ein bißchen
schwitzen zu sehen; sicher war
es ihm nicht wohl zumute.
Der Weidbruckbauer war
den Weg zu der verjagten
Dirn nicht gern gegangen,
aber es war ihm nichts andres
übriggeblieben. Verfolgt von
der Polizei, hatte er, ohne
lang überlegen zu können,
die schwarz erhandelte Kuh
im nächstbesten Stadel ein-
stellen müssen, und da war
der Geißstall der Matterin
der nächste Schlupfwinlel jge-
wesen, der zum Glück nicht
versperrt war.

Rach einem Gemälde von U. Checa.

denn beim Rauchen kamen ihm sonst immer die besten Gedanken.
Daß die Geschichte nicht ganz kampflos abgehen würde, merkte
er schon an dem verdruckten lauernden Wesen Kathrins.
„I komm' heut nacht und hol' die Kuh. Ihr seid doch da-
heim?" Er paffte befriedigt, daß er das Richtige gefunden hatte.
Dann schallte er gegen die braune Balkendecke.
„Was für a Kuh?" fragte
-dasMädchen. „Wirhabendoch
ka Kuh von euch im Stall."
„I mein' die Kuh, wo
hellt früh in euerm Stall
g'wes'n is."
„Sonst bist g'suud? Sonst
fehlt dir nir?" spottete Ka-
thrin, legte die Blechlöffel in
den leeren Milchhafen und
ging an den Herd zum Spülen.
„Halt dein frech's Maul!"
brauste der Bauer auf.
„Da bin i daham!" rief
das Mädel, und die Matterin
ging aus der Stube. Ihr war
unbehaglich zumute.
„Denkst 'leicht, eure Geiß
hat s' über Nacht g'worfen, oder
ein Hendel hat s' aus'brüt'?"
„Der Herrgott wird's wis-
sen, wie er uns dazu verholfen
hat!" sagte Kathrin überzeugt.
„Jetzt kann mi koaner mehr
.GoaßbailerildirnZchimpfen."
„Willst die Kuh b'halten?"
„I werd'doch ka Kuh ver-
schenken, da müßt' i ja selber
ane sei'!"
„Sie gehört aber mei'!"
„Na also, wannst das be-
weisen kannst, aber richtig, mit
der Obrigkeit, dann kannst s'
haben. Aber sollst bleibt s'da."
„Unrecht Gut gedeiht nit!"
brummte der Bauer. Er
wußte, daß die Kathrin ihm
leicht ein Bein stellen konnte.
Da war er in eine schöne
Patsche geraten. Er wollte es
lieber mit der alten Matterin
versuchen, die er als braves,
frommes Weib kannte. Er rief
nach ihr und sagte: „Ihr wollt
doch ka fremde Kuh b'halten."
„Davor bewahr' uns der
Himmel!" rief d as Mütterchen.
„Es wird scho'einer kommen,
der's schwarz auf weiß zeigen
kann, daß sie ihm g'hört."
„Ja muß deml grad all's
g'schrieben sein?"
„Heutzutag scho'!"
„I will die Geschieht' gleich
amol dem Wachtmeister er-
zühl'n! Er geht grad vorbei!"
sagte Kathrin und ging nach
der Tür. „Der kann am besten
sag'il, was da zu machen is!"
„Da bleibst!" schrie der
Weidbruckbauer und packte die
Dirne derb am Arm. „I geb'
euch hundert Kronen..."
Kathrin schmieg trotzig.

„I mein' nur so! Braucht's nit z' denken, daß i für die Milch
was verlang': heut abend könnt ihr s' a no hab'n, und das Hell,
was sie frißt, geb' ich euch z'ruck!"
„Willst di nit sehen?" sagte die Alte verlegen, weil die Tochter
ihm"nicht antwortete und doch allein mit ihm reden wollte.
Der Bauer setzte sich auf die Bank und stopfte sich eine Pfeife,
 
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