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12

DasBuchfürAlls

Heft 1


Phot. G. Haeckel, Berlin.
Verkaufsladen für Kleinsicdlungsartikel in einer Laubenkolonie.

obachten eines vertrauten Stückchens Natur.
Wie viele, die bei der verkürzten Arbeitszeit
drückender als früher die Leere ihres Daseins
empfind en und in dürftig enH eimv erhältnissen
auch nicht über die niederziehende Alltäglich-
keit Hinwegkommen können, atmen auf im
kleinen Bereich eines Gärtchens. Mit senti-
mentalen Stimmungen allein ist bei solchem
Umgang mit der Natur nichts getan. Er stärkt
aber das Selbstvertrauen, gibt das seelische
Gleichgewicht wieder und erhebt über hie
tausend Nichtigkeiten, die Verdrießlichkeiten,
wie die künstlich und teuer inszenierten Ge-
nüsse, von denen zumal der naturentfremdete
Großstädter früher nicht loskam. Je mehr
Menschen im Kleingarten zum Glück schlichter
und natürlicher Freuden zurückfinden, desto
allgemeiner ist die Zufriedenheit und neidlose
Verträglichkeit, desto gesünder und arbeits-
froher wird das Heranwachsende Geschlecht.
Aber nicht nur für Geist uud Gemüt ist
das Leben und Schaffen im Garten ein Jung-
brunnen, auch der wirts ch aftli ch e Nutzen
ist nicht gering. In unserer Abgeschnittenheit
von ausländischer Zufuhr durch die Valuta-
hindernisse ist die Steigerung der Produktion
durch Tausende von Kleingärtnern keine ge-
ring zu schätzende Hilfe. Der einzelne ist
glücklich daran, der seinen Kohl- und Gemüse-


Preisgckröiüer Entwurf eines SkedlergartenweNbewerbs.

zuverlässig erkunden. Der Verkäufer preist oft
Vorteile an, die das Grundstück gar nicht hat,
und die Erkenntnis kommt dem Käufer zu
spät. Auch die Bodenoberfläche ist von Be-
deutung. Eine mäßige Neigung nach Süden
oder Südost und Südwest ist völlig ebener
Lage vorzuziehen. Ebenso wollen Größe und
Form des Gartens wohl erwogen sein. Die
Größe muß im richtigen Verhältnis zur Lei-
stungsfähigkeit des Bebauenden stehen. Traut
mau sich für die Feierabendstunden zuviel zu,
so bewältigt man doch nicht, was der Garten
an Arbeit und Pflege unausgesetzt erfordert.
Für die Versorgung mit Gemüse sind erst
etwa achtzig Quadratmeter für den Kopf aus-
reichend. Unter zweihundert Quadratmeter
sollte das ganze Gartenstück nicht haben. Wer
aber nur einen kleineren Anteil kaufen oder
pachten kann, braucht ebenfalls sachkundige
Beratung, damit er sich nicht von vorn-
herein um Ertragsmöglichkeiten bringt.
Bei ausgedehnteren Siedlungsgärten kommt
es viel auf die Austeilung an. Unzweckmäßige,
bodenverschwendende Wege, alle Künstelei
und falsche Effekthascherei sollten vermieden
werden.
Blumen und Gemüse, das Schöne und das
Nützliche,müssenzur Geltung kommen,und die
Fruchtfolge im Lauf des Jahres verlangt sorg-

bedarf selbst anbauen kann, und die Ernte von Beeren der eigenen Sträu-
cher macht mehr Freude als gekauftes Obst.
Gewiß darf mau sich keinen Illusionen über rasche Ertragsfähigkeit
hingeben. Erst gehört viel Arbeit, viel Samen und viel Düngung dazu,
ehe im zweiten oder gar dritten Jahr der Reingewinn größer ist als die

Tierhaltung km Eigenheim.


Kosten. Das Handwerkszeug ist auch viel teurer als früher, und wer nicht
klug wirtschaftet, kann schnell ein so schönes Stück Geld vergebens in seine
Gärtchenanlage gesteckt haben, daß ihm die ganze Freude daran vergeht.
Bei einigermaßen sachverständiger und aushaltenderArbeitlohntder Ertrag
doch bald die Aufwendungen. Wenn eine fünf- oder sechsköpfige Familie
aus dem Eigengärtchen von etwa zweihundert Quadratmeter den gesamten
Bedarf an Gemüse und Obst gewinnt, so ist dies doch eine beträchtliche
Erleichterung, und meist wird auch ein Teil des Bodenzinses dadurch er-
arbeitet. Ist gar der Kleingarten die erweiterte Wohnung, dann sind die
Vorteile noch vielseitiger. Alle Küchenabfälle und Fäkalien können als
Düngung verwertet, also Anschaffungskosten gespart werden- Bei Sied-
lungen fallen auch die Ausgaben fürAbfuhr und Kanalisation weg, und für
die Hausfrau gibt der Garten willkommene Gelegenheit zum Trocknen und
BleichenderWäsche,zumzeitweisenAufhebenmancher Vorräte, dieimKeller
Platz wegnehmen und im Garten rascher zur Hand sind. Das Häuschen
kann ein schlichter Bau sein, wenn durch das Grün der Bäume und
Sträucher das Gesamtbild des Heims so viel schöner und traulicher wird.
Daß im Kleingarten durch dilettantisches, willkürliches Wirtschaften
beachtliche Werte verloren gehen, Zeit, Geld und Boden verschwendet
werden, die besser zu nützen wären, ist klar. Wer nicht Arbeitsfreude, den
ernsten Willen zu ausdauernder Pflege mitbringt und ohne Beratung von
sachverständiger Seite drauflos pflanzt und sät, der wird verbitternde Ent-
täuschungen erleben. Wird ein Häuschen erbaut, so muß schon bei der
Wahl des Bauplatzes der Baumeister und auch der Gartenarchitekt sein
sachkundiges Urteil abgeben. Die Eigenart des Bodens, seine Wasser-
durchlässigkeit und chemische Zusammensetzung kann nur der Fachmann

s am e Erwä gun g. D er ein e gl aub t, dieMengederBäumebestimmedenWert,
und bedenkt doch nicht, daß sie sich selbst leicht im Weg und dem Gemüse
im Licht stehen und das Haus verdunkeln. Weniger Bäume und mehr
Zwerg- und Spalierobst ist das Vorteilhaftere. Hecke und Laube können
mit geringen Mitteln die Schönheit des Ganzen um vieles heben, eben-
sogut aber alles verderben. Gerade die Einfachheit ist ein Kunststück, das
dem Unkundigen nicht leicht glückt. In manchem Garten sieht man wohl
ein wirres Durcheinander, aber kein das Auge erfreuendes sinnvoll ge-
ordnetes Nebeneinander. Da ist das Wachstum der Pflanzen zurück-
gehalten, weil sie viel zu dicht stehen, dort sind kahle Flecke, weil die be-
treffende Saat an den Stellen überhaupt nicht gedeihen konnte. Schon
beim Erwerben des Saatgutes und der jungen Pflanzen wie der Dünge-
mittel kann der Unerfahrene durch eigene Fehler und Übervorteilung durch
andere zu Schaden kommen. Ist das Grundstück zu teuer gekauft oder
unvorteilhaft gepachtet, so wird leicht aus der ersehnten stillen Freude am
eigenen Gärtchen eine Kette von Verdrießlichkeiten und Verlusten. Mit
dem einzelnen leidet aber auch das Ganze der Volksgemeinschaft. Men-
schenkraft, Bodenwert und Saatgut sollen nicht vergeudet werden. Der
Kleingartenbau muß bleiben, was er sein kann, eine Gesundheitsauelle
für Körper und Geist, und soll einbringen eine angemessene Aushilfs-
ernte.
Deshalb hat das Reichsamt des Innern eine „Zentralstelle
f ü r K l e i n g a r t e n b a u" gegründet, der in den einzelnen Gemeinden
Beratungsstellen angeschlossen sind. „DieErfahrunghat
erwiesen, daß der beste Weg, den gesamten Klein-
gartenbau eines Stadtgebietes planmäßig unter
Ausnützung aller Mittel zu b e t r e i b e n, d i e S ch a f f u n g
vonKIeingartenbauämtern in denGemeindeni st."
Die sollen nun freilich nichts weniger sein, als einebureaukratische, alle
 
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