DasVuchsürAlle
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DasBuchfüvAlle
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das bringst du fertig, mir vorzuschlagen? Davongehen soll ich,
ohne die Meinen auch nur zu fragen, ob's ihnen recht ist oder
nicht? Mich lächerlich machen vor der Kaufmannschaft, vor Frau
Zippelmann, vor mir selbst und meiner Familie, bloß damit
ihr — Da soll doch . .
„Ich halte an mich," sagte der Oberforstmeister mit gepreßtem
Atem, „die Gemeinsamkeit unserer Herkunft nicht zu ver-
gessen ..
In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet; Frau Beate
kam von ihrem Besuch zurück. Da der Oberforstmeister hinter
ihr stand, als sie eintrat, bemerkte sie ihn nicht gleich und ging
freudig auf ihren Mann zu.
„Schöne Grüße von Frau Zippelmann und Frau Bertini.
Sie saßen gerade beim Kaffee. Zu Herrn Bertini möchtest du
gleich mal 'rüberkommen. Der Tapezierer ist bei der Arbeit. Und
das Blumenbrett, das unsere Mieze vor dem Fenster haben soll,
will Frau Zippel-
mannbesorgen. Ach,
der Laden ist präch-
tig ! Und die Schau-
fenster sind ein wah-
rer Staat."
Mit dem seltsam-
sten Gemisch von
Behagen über die
Freude seiner Frau
und nachwirkendem
Verdruß über das
Gebaren und die Zu-
mutungen des Ober-
forstmeisters unter-
brach Florian Beate
nicht. Erst als sie
schwieg, sagte er:
„Wir sind nicht al-
lein. Herr Oberforst-
meister Otmar von
Beeren."
Der Oberforst-
meister, dem es im
höchsten Grade un-
behaglich zumute ge-
worden war, so daß
ihm der Boden unter
den Füßen brannte,
verneigte sich stumm
und verließ, ohne die
Verblüffung Frau
Beatens zu beachten,
das Zimmer.
Florian Beeren,
den der Verdruß
nachträglich immer
noch mehr erhitzte,
ging zum Waschtisch
und goß sich etwas
kaltes Wasser über
den Kopf.
Das mußte bei
ihm in solchen Fällen
vortrefflich wirken,
denn während ihm
die Tropfen noch
übers Gesicht ran-
nen, nahmen seine
Züge wieder den
gewohnten freund-
lichen Ausdruck an.
„Freut mich, Beate,
daß du zufrieden bist.
Was schaust du mich denn so erstaunt an? Das war mein Stief-
bruder. Du erinnerst dich doch?"
„Das ist aber nett, daß er gleich zu dir gekommen ist. Von
wem kann er wohl erfahren haben, daß du das Geschäft von
Bertini gekauft hast? Wollen wir denn bei deinem Bruder auch
Besuch machen?"
„Laß dir mal kurz sagen, wie wir uns zu den Leuten verhalten
wollen." Er machte eine Handbewegung, als wolle er etwas Un-
sichtbares weit von sich weisen, und begann zu erzählen, was in
der letzten halben Stunde geschehen war.
Frau Beate horchte still zu und machte kein besonders heiteres
Gesicht, als Florian schloß: „Die Familie Lure-Beeren geht uns
in alle Zukunft nichts mehr an. Und du darfst nur glauben, daß
wir ihr, aber sie uns nicht im Wege sind. Ich will weiter keine
Worte darüber machen, und du kannst dir auch den Atem sparen.
Es ist wahrhaftig nicht nötig, die Luft unnötig zu erschüttern.
Jetzt, wo ich gesagt habe, was nötig war, um dir den Standpunkt
klarzumachen, kommt mir der ganze Kram recht armselig und
nichtig vor. Ich wüßte wirklich nicht, wozu mir die Leute nötig
sein sollten. Wir haben sie bisher nicht nötig gehabt und werden
auch weiter allein fertig werden. Wenn dir der Oberforstmeister
mal auf der Straße begegnen sollte, dann sieh weg. Du tust ihm
und dir damit einen Gefallen."
(7>m Kirchturmknauf spiegelte sich schon ein erstes Abendrot.
V Die Oktobertage wurden kurz, und in der Luft schwamm der
welke Geruch des Herbstes.
Fünfundzwanzigtausend Einwohner hatte die Stadt. Aber
ringsherum lagen Güter, deren Besitzer bisher fast alle ihren Be-
darf an Kolonialwaren aus der Stadt von der Handlung Bertini
bezogen hatten, der zum wohlhabenden Mann geworden war.
Bertini empfing Florian Beeren im Kontor, dessen Fenster
nach dem Hofe ging. Stunden vergingen, bevor alles, was zur
Übernahme erforderlich, geordnet und zum Abschluß gebracht
war. Das Firmenschild Bertini sollte vorläufig nicht geändert
werden.
Herr Bertini erklärte: „Von meiner Seite läge kein Grund
vor, die Wohnung nicht sogleich freizumachen, da wir für den
Winter nach dem Süden gehen."
„Gut!" sagte Florian Beeren. „Die Kinder besorgen in-
zwischen unsere Sachen hierher. Wenn nur die Wohnung in
etwa drei Tagen geräumt ist."
„Es hätte sich' alles besser für Sie einrichten lassen, wenn
meine Frau den. Trockenboden eher Hütte bekommen können.
Aber die Ungefälligkeit einer Familie im Hause hat das unmöglich
gemacht. Es bestehen hier etwas verzwickte Verhältnisse, Frau
Zippelmann ist mit den Damen irgendwie verwandt, und da..."
Da wurde die Tür geöffnet, und Frau Bertini, hochrot im
Gesicht, kam über die
Schwelle. „Die Gar-
dinen sind fertig zum
Aufhängen, und den
Bodenschlüssel habe
ich noch nicht. — Gu-
tenTag,HerrBeeren.
Entschuldigen Sie,
bitte. Ich will noch
einmal hinaufschicken
zur Zippelmann."
Florian Beeren
nahm seinen Hut.
„Wennich wüßte, daß
Frau Zippelmann zu
Hause ist, könnte ich
mich doch gleich mal
bei ihr sehen lassen."
„Ja, die ist oben.
— Es ist wirklich ver-
drießlich. So eine
bockbeinige Gesell-
schaft!"
Florian Beeren
ging die rotbelegten
Stufen hinauf und
klingelte.
Drinnen hörte er
schelten: „Jetzt gehst
du noch mal 'rüber
und sagst, daß ich den
Schlüssel sofort haben
will."
Sokam's,daß, als
dieHausmagddieTür
aufriß, sie Florian
stehen sah und zurück-
rief: „Ein Herr ist da,
Frau Zippelmann!"
Florian Beeren
rief seinen Namen
ins geöffnete Zim-
mer hinein.
„Schön! Kommen
Sie herein, Herr Bee-
ren. DasisteineWirt-
schaft mit denen da
drüben! Nur Verdruß
hat man. Setzen Sie
sich doch. Das sind
ein paar Weiber! Ich
weiß wirklich nicht,
w er die wid erhaarigste
ist." lFortsetzung folgt.»
Fahrendes Volk vor Kaiser Tiberius.
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das bringst du fertig, mir vorzuschlagen? Davongehen soll ich,
ohne die Meinen auch nur zu fragen, ob's ihnen recht ist oder
nicht? Mich lächerlich machen vor der Kaufmannschaft, vor Frau
Zippelmann, vor mir selbst und meiner Familie, bloß damit
ihr — Da soll doch . .
„Ich halte an mich," sagte der Oberforstmeister mit gepreßtem
Atem, „die Gemeinsamkeit unserer Herkunft nicht zu ver-
gessen ..
In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet; Frau Beate
kam von ihrem Besuch zurück. Da der Oberforstmeister hinter
ihr stand, als sie eintrat, bemerkte sie ihn nicht gleich und ging
freudig auf ihren Mann zu.
„Schöne Grüße von Frau Zippelmann und Frau Bertini.
Sie saßen gerade beim Kaffee. Zu Herrn Bertini möchtest du
gleich mal 'rüberkommen. Der Tapezierer ist bei der Arbeit. Und
das Blumenbrett, das unsere Mieze vor dem Fenster haben soll,
will Frau Zippel-
mannbesorgen. Ach,
der Laden ist präch-
tig ! Und die Schau-
fenster sind ein wah-
rer Staat."
Mit dem seltsam-
sten Gemisch von
Behagen über die
Freude seiner Frau
und nachwirkendem
Verdruß über das
Gebaren und die Zu-
mutungen des Ober-
forstmeisters unter-
brach Florian Beate
nicht. Erst als sie
schwieg, sagte er:
„Wir sind nicht al-
lein. Herr Oberforst-
meister Otmar von
Beeren."
Der Oberforst-
meister, dem es im
höchsten Grade un-
behaglich zumute ge-
worden war, so daß
ihm der Boden unter
den Füßen brannte,
verneigte sich stumm
und verließ, ohne die
Verblüffung Frau
Beatens zu beachten,
das Zimmer.
Florian Beeren,
den der Verdruß
nachträglich immer
noch mehr erhitzte,
ging zum Waschtisch
und goß sich etwas
kaltes Wasser über
den Kopf.
Das mußte bei
ihm in solchen Fällen
vortrefflich wirken,
denn während ihm
die Tropfen noch
übers Gesicht ran-
nen, nahmen seine
Züge wieder den
gewohnten freund-
lichen Ausdruck an.
„Freut mich, Beate,
daß du zufrieden bist.
Was schaust du mich denn so erstaunt an? Das war mein Stief-
bruder. Du erinnerst dich doch?"
„Das ist aber nett, daß er gleich zu dir gekommen ist. Von
wem kann er wohl erfahren haben, daß du das Geschäft von
Bertini gekauft hast? Wollen wir denn bei deinem Bruder auch
Besuch machen?"
„Laß dir mal kurz sagen, wie wir uns zu den Leuten verhalten
wollen." Er machte eine Handbewegung, als wolle er etwas Un-
sichtbares weit von sich weisen, und begann zu erzählen, was in
der letzten halben Stunde geschehen war.
Frau Beate horchte still zu und machte kein besonders heiteres
Gesicht, als Florian schloß: „Die Familie Lure-Beeren geht uns
in alle Zukunft nichts mehr an. Und du darfst nur glauben, daß
wir ihr, aber sie uns nicht im Wege sind. Ich will weiter keine
Worte darüber machen, und du kannst dir auch den Atem sparen.
Es ist wahrhaftig nicht nötig, die Luft unnötig zu erschüttern.
Jetzt, wo ich gesagt habe, was nötig war, um dir den Standpunkt
klarzumachen, kommt mir der ganze Kram recht armselig und
nichtig vor. Ich wüßte wirklich nicht, wozu mir die Leute nötig
sein sollten. Wir haben sie bisher nicht nötig gehabt und werden
auch weiter allein fertig werden. Wenn dir der Oberforstmeister
mal auf der Straße begegnen sollte, dann sieh weg. Du tust ihm
und dir damit einen Gefallen."
(7>m Kirchturmknauf spiegelte sich schon ein erstes Abendrot.
V Die Oktobertage wurden kurz, und in der Luft schwamm der
welke Geruch des Herbstes.
Fünfundzwanzigtausend Einwohner hatte die Stadt. Aber
ringsherum lagen Güter, deren Besitzer bisher fast alle ihren Be-
darf an Kolonialwaren aus der Stadt von der Handlung Bertini
bezogen hatten, der zum wohlhabenden Mann geworden war.
Bertini empfing Florian Beeren im Kontor, dessen Fenster
nach dem Hofe ging. Stunden vergingen, bevor alles, was zur
Übernahme erforderlich, geordnet und zum Abschluß gebracht
war. Das Firmenschild Bertini sollte vorläufig nicht geändert
werden.
Herr Bertini erklärte: „Von meiner Seite läge kein Grund
vor, die Wohnung nicht sogleich freizumachen, da wir für den
Winter nach dem Süden gehen."
„Gut!" sagte Florian Beeren. „Die Kinder besorgen in-
zwischen unsere Sachen hierher. Wenn nur die Wohnung in
etwa drei Tagen geräumt ist."
„Es hätte sich' alles besser für Sie einrichten lassen, wenn
meine Frau den. Trockenboden eher Hütte bekommen können.
Aber die Ungefälligkeit einer Familie im Hause hat das unmöglich
gemacht. Es bestehen hier etwas verzwickte Verhältnisse, Frau
Zippelmann ist mit den Damen irgendwie verwandt, und da..."
Da wurde die Tür geöffnet, und Frau Bertini, hochrot im
Gesicht, kam über die
Schwelle. „Die Gar-
dinen sind fertig zum
Aufhängen, und den
Bodenschlüssel habe
ich noch nicht. — Gu-
tenTag,HerrBeeren.
Entschuldigen Sie,
bitte. Ich will noch
einmal hinaufschicken
zur Zippelmann."
Florian Beeren
nahm seinen Hut.
„Wennich wüßte, daß
Frau Zippelmann zu
Hause ist, könnte ich
mich doch gleich mal
bei ihr sehen lassen."
„Ja, die ist oben.
— Es ist wirklich ver-
drießlich. So eine
bockbeinige Gesell-
schaft!"
Florian Beeren
ging die rotbelegten
Stufen hinauf und
klingelte.
Drinnen hörte er
schelten: „Jetzt gehst
du noch mal 'rüber
und sagst, daß ich den
Schlüssel sofort haben
will."
Sokam's,daß, als
dieHausmagddieTür
aufriß, sie Florian
stehen sah und zurück-
rief: „Ein Herr ist da,
Frau Zippelmann!"
Florian Beeren
rief seinen Namen
ins geöffnete Zim-
mer hinein.
„Schön! Kommen
Sie herein, Herr Bee-
ren. DasisteineWirt-
schaft mit denen da
drüben! Nur Verdruß
hat man. Setzen Sie
sich doch. Das sind
ein paar Weiber! Ich
weiß wirklich nicht,
w er die wid erhaarigste
ist." lFortsetzung folgt.»
Fahrendes Volk vor Kaiser Tiberius.