Heft 6
DasBuchsürAlle
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fleisch, auf das Eichhörnchen und Affen sehr erpicht sind. Daher der Name
Affenbrotbauin. Auch Kinder naschen gern von dem Fruchtmark; dieses und
die Blätter des Baunr es siud als Speisezutaten und Arzneimittel geschätzt.
In getrocknetem Zustand mehlartig und leicht zerreiblich, hat das Fruchtfleisch
einen süßsäuerlichen aromatischen Geschmack und gibt mit Wasser angerührt
ein erfrischendes und bei fieberhaften Erkrankungen zuträgliches Getränk. Die
Frucht wird deshalb in den Hütten der Eingeborenen für die trockene Zeit
aufbewahrt. Aus den würzigen Blättern pflegen die Frauen eine beliebte,
spinatartige Beigabe zu dem üblichen Hirsebrei, der das Brot des Negers
bildet, herzustellen. Die Samen werden im Ostsudan geröstet und als Kaffee-
Ersatz genommen.
Der Baobab ist ein ausgesprochener Steppenbaunr und auch kein eigent-
lich wilder Baum, obgleich er häufig wild wächst und der Mensch ihn nicht
durch Kultur verändert hat. Wo er aber wächst, ist er fast immer durch
Menschen angepflanzt, und wo man ihn in der Wildnis trifft, steht er der
Wahrscheinlichkeit nach da als Zeuge irgendeiner längst verschollenen mensch-
lichen Siedlung. Im Mossilande am oberen Niger bestehen ganze Kreis-
anpflanzungen dieser dort Sirra, im Hauszagebiet Kuka genannten Riesen-
bäume, die meist etwas erhöhten Zentren lassen sich als Plätze uralter
Stadtansiedlungen nachweisen. Alte, noch bestehende Städte haben sämt-
lich noch Anpflanzungen dieser Bäume. Das buute Gewühl eines suda-
nesischen Marktgetriebes muß man sich um den Riesenstamm eines solchen
einzelnstehenden Baumes herum vorstellen. Von den dicken Asten spähen
die schwarzen Geier nach den Abfällen der Fleischstände, die feinen Zweige
der Krone aber sind häufig behängt mit Tausenden von Nestern stargroßer,
kanariengelber Webervögel, die rauschend ein und aus fliegen und ein ohren-
betäubendes Gezwitscher hoch über dem durcheinander schnatternden Markt-
volk anstellen. Solche großen alten Bäume sehen ehrwürdig aus und gelten
auch als heilig. Der au Markttagen ihren Stamm berührende Verfolgte genoß
in früheren Zeiten Asylrecht, niemand durfte ihn wegzerren oder verletzen.
In manchen Gegenden pflegt man die Rinde des Baumes in Höhe von
einigen Fuß von der Wurzel gleichmäßig ringsherum abzuschaben. Durch
Wucherung der korkbildenden Schicht entsteht da, wo die Abschabung auf-
hört, eine ringförmige Verdickung. Man verfolgt dabei eine doppelte Ab-
sicht, nämlich die Ziegen vom Benagen der Rinde abzuhalten und die Lehm-
gänge der Termiten, die das Holz zerstören, leichter auf dem Hellen, rinden-
losen Untergrund wahrnehmen zu können. Der Stamm des Baobabs neigt zu
launenhaftem Wuchs. Nicht selten teilt er sich über dem Boden in zwei
oder drei gleich große Stämme. In mächtigen Windungen kriechen seine
Wurzeln über den Erdboden hin. Wenn die wuchtigen Stämme, wie es
wohl vorkommt, umsinken, treiben sie Seitenwurzeln in die Erde und grünen,
andere neigen sich mit der Krone zur Erde, und wieder andere streben schräg
in die Höhe und verjüngen sich von der Wurzel bis zur Krone wie eine frisch
ausschlagende Tulpenzwiebel. In mäßiger Höhe, wo sich der an der Wurzel
besonders dicke Stamm ver-
jüngt, zweigen gewaltige
Aste ab. Bald aufwärts,
bald niederwärts sich bie-
gend, sind sie fast in ihrem
ganzen Verlauf gleichmäßig
rund und glatt und nur
an einzelnen Stellen mit
knorrig knolligenAuswüch-
sen versehen. Unter der
glatten Rinde liegt eine
feine Korkschicht von röt-
lichvioletter, ins Hellgrau-
rote spielender Tönung,
weshalb der Baunr im Ost-
sudair den arabischen Na-
men EI Hamrah — die Rote
— erhalten hat. Die fünf-
blättrigen, schneeweißen
Blüten haben umgerollte
Zipfel und sind von schwach
käseartigem Geruch. Aus
der Unmasse verwachsener
Staubgefäße ragt der lange
Griffel hervor. Bei starken
Regenfällen fallen die Blü-
ten massenhaft samt ihren
Fruchtständen ab. Der Bast
und das leichte weiße und
weiche Holz dienen zu man-
cherlei Dingen. Der oft
hohle Stamm wird von den
Eingeborenen gelegentlich
als Ziegenstall oder als
Lebende Baobabbnume als Brunnen.
Unterkunft benützt. Das Innere der Bäume gewährt manchmal, wie
vr. R. Hartmann im „Globus" berichtet, den Eindruck einer Grotte, in
welcher die knorrigen und knolligen Gebilde des Holzes den Formen der
Stalaktiten in Tropfsteinhöhlen vergleichbar sind. Einen merkwürdigen
Baum hat der Reiseude in Jnnersenaar gesehen. In kleinen Stammes
Höhlungen, besonders zwischen den Asten, sammelt sich nicht selten
schönes klares, kühles Regenwasser an, dessen sich die Eingeborenen zum
Trinken bedienen. Dieser Umstand wird es wohl sein, der die Bewohner
des Oslsudans veranlaßt, den Baum in eigenartiger Weise nutzbar zu
machen, indem man den lebenden Baum zu einem Brunnen zurech-
macht. Besonders in Darfor wachsen lichte Waldbestände des Baumes,
der dort zwar nicht die riesigen Ausmaße wie in Bornu oder am Niger
erreicht. Immerhin sind die künstlich ausgehöhlten Stämme so stark, daß
sie bis zu hundert Kamelladungen, jede zu vier Zentner gerechnet, zu
fassen vermögen. Oberhalb der Gabelung eines Hauptastes wird zu-
nächst ein Loch herausgestemmt, so weit, daß später ein Mensch hin-
durch kaum Dann wird die Öffnung allmählich erweitert und der ganze
Stamm bis an die Wurzel ausgehöhlt. Die Wandung läßt inan in
einer Stärke von ungefähr einem Drittelmeter stehen und bringt dann
Stufen darin an; zuletzt wird die ganze Innenfläche mit Teer aus-
gestrichen, und der Baum grünt und wächst weiter. In der folgenden
Regenzeit legt der Besitzer nun eine Erdmulde an, die rings um den
Baum gegraben wird, um das Regenwasser wie in einem Becken zu
sammeln, aus dem man es mittels lederner Eimer in den Baumbrunnen
hinaufbefördert. Das Wasser wird später klar und rein und hält sich
kühl. Solche Brunnen bilden einen Besitz, der sich vererbt und leinem
Eigentümer beständig Zinsen trägt, denn wenn in der trockenen Zeit
die Karawanen durchziehen, sind diese auf das Wasser angewiesen.
Wie alt der Affenbrotbaum wird, zeigt das Beispiel jeues Baum-
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fleisch, auf das Eichhörnchen und Affen sehr erpicht sind. Daher der Name
Affenbrotbauin. Auch Kinder naschen gern von dem Fruchtmark; dieses und
die Blätter des Baunr es siud als Speisezutaten und Arzneimittel geschätzt.
In getrocknetem Zustand mehlartig und leicht zerreiblich, hat das Fruchtfleisch
einen süßsäuerlichen aromatischen Geschmack und gibt mit Wasser angerührt
ein erfrischendes und bei fieberhaften Erkrankungen zuträgliches Getränk. Die
Frucht wird deshalb in den Hütten der Eingeborenen für die trockene Zeit
aufbewahrt. Aus den würzigen Blättern pflegen die Frauen eine beliebte,
spinatartige Beigabe zu dem üblichen Hirsebrei, der das Brot des Negers
bildet, herzustellen. Die Samen werden im Ostsudan geröstet und als Kaffee-
Ersatz genommen.
Der Baobab ist ein ausgesprochener Steppenbaunr und auch kein eigent-
lich wilder Baum, obgleich er häufig wild wächst und der Mensch ihn nicht
durch Kultur verändert hat. Wo er aber wächst, ist er fast immer durch
Menschen angepflanzt, und wo man ihn in der Wildnis trifft, steht er der
Wahrscheinlichkeit nach da als Zeuge irgendeiner längst verschollenen mensch-
lichen Siedlung. Im Mossilande am oberen Niger bestehen ganze Kreis-
anpflanzungen dieser dort Sirra, im Hauszagebiet Kuka genannten Riesen-
bäume, die meist etwas erhöhten Zentren lassen sich als Plätze uralter
Stadtansiedlungen nachweisen. Alte, noch bestehende Städte haben sämt-
lich noch Anpflanzungen dieser Bäume. Das buute Gewühl eines suda-
nesischen Marktgetriebes muß man sich um den Riesenstamm eines solchen
einzelnstehenden Baumes herum vorstellen. Von den dicken Asten spähen
die schwarzen Geier nach den Abfällen der Fleischstände, die feinen Zweige
der Krone aber sind häufig behängt mit Tausenden von Nestern stargroßer,
kanariengelber Webervögel, die rauschend ein und aus fliegen und ein ohren-
betäubendes Gezwitscher hoch über dem durcheinander schnatternden Markt-
volk anstellen. Solche großen alten Bäume sehen ehrwürdig aus und gelten
auch als heilig. Der au Markttagen ihren Stamm berührende Verfolgte genoß
in früheren Zeiten Asylrecht, niemand durfte ihn wegzerren oder verletzen.
In manchen Gegenden pflegt man die Rinde des Baumes in Höhe von
einigen Fuß von der Wurzel gleichmäßig ringsherum abzuschaben. Durch
Wucherung der korkbildenden Schicht entsteht da, wo die Abschabung auf-
hört, eine ringförmige Verdickung. Man verfolgt dabei eine doppelte Ab-
sicht, nämlich die Ziegen vom Benagen der Rinde abzuhalten und die Lehm-
gänge der Termiten, die das Holz zerstören, leichter auf dem Hellen, rinden-
losen Untergrund wahrnehmen zu können. Der Stamm des Baobabs neigt zu
launenhaftem Wuchs. Nicht selten teilt er sich über dem Boden in zwei
oder drei gleich große Stämme. In mächtigen Windungen kriechen seine
Wurzeln über den Erdboden hin. Wenn die wuchtigen Stämme, wie es
wohl vorkommt, umsinken, treiben sie Seitenwurzeln in die Erde und grünen,
andere neigen sich mit der Krone zur Erde, und wieder andere streben schräg
in die Höhe und verjüngen sich von der Wurzel bis zur Krone wie eine frisch
ausschlagende Tulpenzwiebel. In mäßiger Höhe, wo sich der an der Wurzel
besonders dicke Stamm ver-
jüngt, zweigen gewaltige
Aste ab. Bald aufwärts,
bald niederwärts sich bie-
gend, sind sie fast in ihrem
ganzen Verlauf gleichmäßig
rund und glatt und nur
an einzelnen Stellen mit
knorrig knolligenAuswüch-
sen versehen. Unter der
glatten Rinde liegt eine
feine Korkschicht von röt-
lichvioletter, ins Hellgrau-
rote spielender Tönung,
weshalb der Baunr im Ost-
sudair den arabischen Na-
men EI Hamrah — die Rote
— erhalten hat. Die fünf-
blättrigen, schneeweißen
Blüten haben umgerollte
Zipfel und sind von schwach
käseartigem Geruch. Aus
der Unmasse verwachsener
Staubgefäße ragt der lange
Griffel hervor. Bei starken
Regenfällen fallen die Blü-
ten massenhaft samt ihren
Fruchtständen ab. Der Bast
und das leichte weiße und
weiche Holz dienen zu man-
cherlei Dingen. Der oft
hohle Stamm wird von den
Eingeborenen gelegentlich
als Ziegenstall oder als
Lebende Baobabbnume als Brunnen.
Unterkunft benützt. Das Innere der Bäume gewährt manchmal, wie
vr. R. Hartmann im „Globus" berichtet, den Eindruck einer Grotte, in
welcher die knorrigen und knolligen Gebilde des Holzes den Formen der
Stalaktiten in Tropfsteinhöhlen vergleichbar sind. Einen merkwürdigen
Baum hat der Reiseude in Jnnersenaar gesehen. In kleinen Stammes
Höhlungen, besonders zwischen den Asten, sammelt sich nicht selten
schönes klares, kühles Regenwasser an, dessen sich die Eingeborenen zum
Trinken bedienen. Dieser Umstand wird es wohl sein, der die Bewohner
des Oslsudans veranlaßt, den Baum in eigenartiger Weise nutzbar zu
machen, indem man den lebenden Baum zu einem Brunnen zurech-
macht. Besonders in Darfor wachsen lichte Waldbestände des Baumes,
der dort zwar nicht die riesigen Ausmaße wie in Bornu oder am Niger
erreicht. Immerhin sind die künstlich ausgehöhlten Stämme so stark, daß
sie bis zu hundert Kamelladungen, jede zu vier Zentner gerechnet, zu
fassen vermögen. Oberhalb der Gabelung eines Hauptastes wird zu-
nächst ein Loch herausgestemmt, so weit, daß später ein Mensch hin-
durch kaum Dann wird die Öffnung allmählich erweitert und der ganze
Stamm bis an die Wurzel ausgehöhlt. Die Wandung läßt inan in
einer Stärke von ungefähr einem Drittelmeter stehen und bringt dann
Stufen darin an; zuletzt wird die ganze Innenfläche mit Teer aus-
gestrichen, und der Baum grünt und wächst weiter. In der folgenden
Regenzeit legt der Besitzer nun eine Erdmulde an, die rings um den
Baum gegraben wird, um das Regenwasser wie in einem Becken zu
sammeln, aus dem man es mittels lederner Eimer in den Baumbrunnen
hinaufbefördert. Das Wasser wird später klar und rein und hält sich
kühl. Solche Brunnen bilden einen Besitz, der sich vererbt und leinem
Eigentümer beständig Zinsen trägt, denn wenn in der trockenen Zeit
die Karawanen durchziehen, sind diese auf das Wasser angewiesen.
Wie alt der Affenbrotbaum wird, zeigt das Beispiel jeues Baum-