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98

DasBurhfür Alle

Heft 7

(^rau Agathe unter-
O brach ihr Whistspiel
und reichte glücklich lä-
chelnd ihrem Sohn die
Hand. „Du bist heute
lange spazierengegan-
gen, Otmar. Es ist
lieb von dir, daß du
uns noch aufsuchst."
Er beugte sich und
küßte ihr, sowie der
Großmutter und Tante
Amalie die Hand.
Tante Amaliens
feine Nase witterte
einen ihr ungewohn-
ten Duft. Sie neigte
sich über Otmars dunk-
les Haar: „Du riechst
so sonderbar, was ist
denn das? Das riecht
ja — beinahe wie
Zwiebeln."
Die Oberforstmei-
sterin lachte. „Un-
möglich ! Otmar und
Zwiebeln! Er kann
sie ja nicht ausstehet
eines so fatal wie das andere. Du täuschest dich, Amalie."
„Nein, gewiß nicht. Er riecht nach Zwiebeln."
„Vielleicht ist mein Schneider ein Zwiebelfreund. Er hat
mir einen Fleck aus dem Anzug entfernt. Möglich, daß es daher-
kommt. Ich roch bisher nichts' davon."
„Möglich," sagte die Nentmeisterin, und der Oberfürstmeister,
dem sein Grandspiel keine Zeit ließ, den unfreien Ausdruck im
Gesicht seines Sohnes zu bemerken, äußerte: „Zwiebelgeruch ist
auch mir nicht das angenehmste Parfüm."
Major Lure legte seine Karte verdeckt nieder. „Parfüm sagst
du, da ist mal eine komische Geschichte passiert. Mein guter
Freund Everstein hatte geheiratet, und seine junge Frau bildete
sich ein, den Geruch von Zigarren und Zigaretten, der in die
Kleider eindringt, nicht vertragen zu können. Ihr würde übel
davon. Everstein zog sich immer erst um, wenn er geraucht hatte,
ehe er zu ihr ius Zimmer giug. Einmal hatte er's aber vergessen,
und wie er schon drin war, fiel's ihm erst ein. ,Komm lieber nicht
in meine Nähe/ sagte er rücksichtsvoll, stch habe heute ein neues
Parfüm probiert, es duftet wie feine türkische Zigaretten/ — -Ach/
sagte die junge Frau, ,was die Leute nicht alles erfinden/ Sie
ging auf ihn zu, schnüffelte und sagte: ,Das riecht ja gar nicht so
übel; gar nicht wie alter Nauch/ Was soll ich sagen? Von nun
an ging Everstein immer von seinem Zimmer, in dem er geraucht
hatte, in ihr Boudoir. Seit sie den Tabakgeruch für ein Parfüm
hielt, war er ihr nicht mehr unausstehlich. Tja. Der Glaube
macht selig."
„Allerliebst," versicherte die Nentmeisterin liebenswürdig.
„Lehrreich für junge Frauen," sagte Tante Amalie.
Der Oberforstmeister fand die Geschichte ebenfalls hübsch, und
Otmars schlechtes Gewissen nötigte auch ihm Beifall ab.
Der Major nahm befriedigt seine Karten wieder auf. „Ich
spiele aus."
Haide, die keine Miene verzog, hatte sich inzwischen überlegt,
ob sie erzählen sollte, auf welch komische Weise sie mit dem Vetter
Neinhold bekannt geworden sei, und fand es nun doch besser, zu
schweigen. Nicht einmal Hanna sollte erfahren, daß sie mit
Florian Beerens Sohn nicht nur gesprochen, sondern ihm sogar
angekündigt habe, den Laden zu betreten.
Der Abend verlief wie gewöhnlich. Haide brachte es fertig,
ihr Geheimnis zu bewahren, und träumte in der Nacht, Reinhold
habe ihr eine Schachtel mit gestillten Bonbons gegeben. Im
Augenblick, als sie danach griff, kamen von allen Seiten her über-

mütige junge Burschen,
die ihr die Süßigkeiten
abjagen wollten. Und
Haide lief, gejagt von
der johlenden Gesell-
schaft, atemlos davon,
die Schachtel fest an
sich gepreßt haltend.
Der Traum war so
lebhaft, daß sie, dar-
über aufwachend, laut
sagte: „Schade, daß
es nur geträumt war.
Doch man kann nicht
wissen—Träume sind
nicht immer Schäu-
me." Damit wandte
sie sich in den Kissen
aufdieSeite und schlief
ungeängstet bis in den
Morgen hinein.

st^in Tag kam, da
Haide zum Musik-
unterricht ging. Dies-
mal entschloß sie sich zu
einem kleinen Umweg
über den Marktplatz und steuerte auf den Bertinischen Laden
zu. Auf die immerhin mögliche Gefahr hin, von Großmutter und
Tante beobachtet und möglicherweise auf streng verbotenen Wegen
ertappt zu werden, blieb sie schon beim ersten Schaufenster stehen
und überflog die lockend ausgestellten Leckerbissen. Als sie dann
an der Ladentür mit den blitzblanken Scheiben vorüberging, setzte
sie die Notenmappe an ihrem Arm in leise Schwingung. Der
Vetter Reinhold stand neben der Kasse und ahnte nicht, wer ihn
so neugierig betrachtete. Daß die Mappe sich so auffallend be-
wegte, schien er nicht zu gewahren. Mehr konnte sie aber im
Augenblick am Hellen Tage doch nicht tun, um seine Aufmerksam-
keit zu erregen. Nun erblickte sie am zweiten Fenster einen grau-
haarigen Herrn, der einer Dame eben eine Ananas einpackte.
Kein Zweifel, das mußte der Vater des jungen Vetters sein. Da
er sie nicht sehen konnte, musterte sie ihn unbekümmert; da schaute
er auf und zu ihr hin. Und da kam es ganz von selbst, daß sie ihm
freundlich grüßend zunickte. Kaum war das halb unfreiwillig
geschehen, da lief sie davon.
Daß sie an diesem Tage in der Musikstunde recht übel spielte
und nicht besonders gut behandelt wurde, fiel ihr nicht schwer
aufs Herz.
Nun war einmal der erste Schritt vom Wege getan und das
strenge Verbot übergangen. Das Gewagte bei dieser Heimlich-
keit wirkte mit so unwiderstehlichem Zauber auf das junge Mäd-
chen, daß sie öfter, als ihr selbst lieb war, an den Vetter dachte. Ain
nächsten Unterrichtstage hatte sie kaum Kaffee getrunken, als
sie ihre Mappe holte und über die Treppe hinabeilte. Diesmal
wollte sie nicht abwarten, ob Neinhold sie vor dem Laden stchen
sehen würde. Sie konnte ja von ihrem Taschengeld Bonbons
kaufen, denn daß man sie ihr schenken sollte, fand sie doch nicht
gehörig.
Da sie nicht nut dem Zufall rechnete, klopfte ihr doch das
Herz. Ungehorsam, wollte sie einen Schritt wagen, den niemand
im elterlichen Hause duldete uud entschuldigen würde. Dazu
kam noch die Beklemmung, von der Tante oder Großmutter ge-
sehen werden zu können; aber der Trieb war zu stark. Alle Bedenken
überwindend, legte Haide die Hand auf die Klinke, öffnete die
Ladentür und blieb dann einen Augenblick zögernd stehen.
Florian Beeren stand am Pult und schrieb; Reinhold war
nicht da. Beim Öffnen der Tür hatte Florian die Feder weg-
gelegt. Das kam so unerwartet und überraschend, daß die sonst
so flinke Zunge Haides versagte.
„Wönuückauu ick) dienen?"



i, weder gekocht noch gebraten. Ist ihm



Ein neues deutsches Riesenverkehrsflugzeug aus Aluminium. Phot. Photothek, Berlin.
1. Gesamtansicht. 2. Die Stirnseite mit den Kabineneingängen. Z. Das Steuer.
 
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